Aphorismen, Gedanken, Kurzgedichte (1990-2007) – Teil drei

Aphorismus

von  JoBo72

21.
An die Palästinenser: Mit Attentaten ist kein Staat zu machen.

22.
Lieber ein Stück Brot mit Engeln als vom Teufel zum Bankett geladen.

23.
Glück besteht in der Einsicht in den Mangel an realistischen Alternativen zur momentanen Lebenssituation. Wer theoretisch eine bessere Lage herbeiführen könnte, aber zugleich weiß, dass er praktisch dazu nicht fähig ist, wird unglücklich.

24.
Ich bin Kulturpessimist, ich glaube nicht an die Zukunft der Menschheit. Ich bin allerdings auch Naturpessimist. Ich glaube auch nicht an ihre Vergangenheit.

25.
Die Position, dass Männer eher die Gerechtigkeit zum ethischen Prinzip erheben und Frauen eher das Wohlwollen lässt sich empirisch belegen, wenn man einem Ehepaar die Nachricht eines Bombenanschlags in der Nachbarstadt zukommen lässt. Sie wird sagen: Die armen Opfer – hoffentlich hilft man ihnen! Er: Die feigen Täter – hoffentlich schnappt man sie!

26.
Philosophie ist die Systematisierung des menschlichen Schicksals ewig neuer Windung um stets dieselben Fragen.

27.
Sicher: Einstein hätte unser Steuersystem kapiert. Unsicher: Wäre ihm noch Zeit geblieben
für seine Relativitätstheorie?

28.
Wer Dinge kennt, ist informiert.
Wer Menschen kennt, ist klug.
Wer sich kennt, ist weise.

29.
Was ist von einer Gesellschaft zu halten, in der Liebe, Weisheit, Geborgenheit und Glück nur noch als Teesorten erhältlich sind?

30.
An manchen Tagen weiß ich nicht, was es ist, das mich so traurig macht: Die Unergründlichkeit des Universums, die tragische Sinnleere meines Lebens, der Schmerz angesichts des Übels in der Welt oder doch nur der junge Mann, der neben mir in der U9 sitzt und mit Menschen telefoniert, um ihnen mitzuteilen, dass er in der U9 sitzt.


Anmerkung von JoBo72:

Das Grundproblem aller Aphorismen, die ich hier in der Serie veröffentliche, ist, dass sie unterschiedlichen Lebensphasen entsprungen sind.

Zu den eher pessimistischen Gedanken ist zu sagen, dass sie ihre Wurzeln in meiner späten Jugend haben (Anfang der 1990er) und ich sie –zumindest im Regelfall – auch nicht mehr vorbehaltlos unterschreiben würde. Sie werden dennoch hier vorgestellt, damit Leserinnen und Leser, die vielleicht etwas damit anfangen können, hier einen Ausdruck finden, der ihrer Gemütslage entspricht. Das „Ich“ darf hier also nicht auf meine Person beschränkt werden, sondern dient mehr dem leichteren Zugang, der Identifikation.

Dass die Steuererklärung und Handys nerven können, ist dagegen eher eine Erkenntnis der Jahre 2000 ff.

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Kommentare zu diesem Text


 BrigitteG (02.01.08)
Da sind welche dabei, die richtig klasse sind: Z.B. Nr. 21, 28, 29 und 30 (und den Rest finde ich deutlich über dem Durchschnitt). Grüße von Brigitte.

 SimpleSteffi (02.01.08)
Schließe mich Brigitte an. Auch wenn ich nicht alle unterschreibe, insgesamt überdurchschnittliche Aphos!
LG,
Steffi
Nehemoth (25)
(03.01.08)
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