Bush bei Benedikt

Absurdes Theaterstück zum Thema Krieg/Krieger

von  JoBo72

2007 war ein ganz besonderes Jahr für Papst Benedikt XVI./Joseph Ratzinger. Jubiläen säumten den Weg durch das Jahr: der 80. Geburtstag (16.4.), 750 Tage Pontifikat als Papst Benedikt XVI. (9.5.), der 30. Jahrestag der Weihe zum Erzbischof von München und Freising (28.5.) und der 30. Jahrestag der Ernennung zum Kardinal (27.6.). Ferner feiert Benedikt drei weitere bedeutende Jubiläen: vor 50 Jahren erfolgte seine Habilitation, vor 20 Jahren wurde er Ehrenbürger der Gemeinde Pentling und vor 10 Jahren wurde er Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde Marktl. Und dann bekam er auch noch hohen Besuch...

US-Präsident Georg W. Bush nutzte als guter amerikanischer Europa-Tourist bei seiner Reise im Juni diesen Jahres die Gelegenheit, nach der Besichtigung des legendären Heiligendammer Zauns auch noch weitere Sehenswürdigkeiten in der alten Welt zu besuchen. Eine Station darf dabei für den selbsternannten Vollstrecker göttlichen Willens freilich nicht fehlen: der Vatikan. Und da musste er auch gar nicht lange Schlange stehen: Papst Benedikt XVI. war so nett und ließ den Träger des gladius materialis durch den Hintereingang herein. Es roch nach Canossa! Doch während sein Vorgänger Johannes Paul II. dem Imperator gehörig den Holzkopf gewaschen hätte, blieb es zwischen dem Bayern und dem Texaner beim small talk. Dabei hätte unser Joseph Ratzinger ein paar gewaltige theologische Keulen gehabt, die er – so wie ich ihn einschätze – aus dem Gedächtnis heraus hätte schwingen können. Gegen den Krieg im Allgemeinen, gegen Bushs Anti-Terror-Krieg im Besonderen. Mal reinhören, wie es auch hätte laufen können.

***

Bush (lacht): Ha, ha…„Zonen-Zombie“! Gut, ne? Da musst’e ers’ma’ drauf kommen! Und dann sagt die Merkel, total sauer, is’ ja klar, sagt die zum Prodi: „Woran erkennt man, dass ein Italiener...“

Bene (streng): Genug davon![1]

Bush (überrascht): Sir... äh... Heiliger Vater?

Bene (ruhig): Lass uns über die Liebe sprechen. Und den Krieg. Und den Unterschied zwischen beidem.

Bush (noch überraschter): Unterschied?

Bene: Schau, mein Sohn – von Christ zu Christ: Es gibt in unserer heiligen Bibel eine ganze Menge Stellen, die das Töten von Menschen ächtet, ausgehend von einem Menschenbild der Geschöpflichkeit. Doch der Mensch ist weit mehr als nur Geschöpf, er ist Abbild des Schöpfers, das Ebenbild Gottes. Wird also das imago Dei getötet, wird zugleich auch immer Deus getötet. Und es ist schließlich Christus, unser Herr, der uns die radikalste aller Liebesweisen lehrt: die Feindesliebe!

Bush (schnaubt verächtlich)

Bene: Ja, das ist in der Tat eine schier unmögliche Forderung! Doch wir müssen sehen, wie sie gemeint ist, nämlich als Entfeindungsliebe, welche zwischen Feind und Feindschaft zu unterscheiden vermag, wie schon der Hl. Augustinus zwischen Sünder und Sünde unterschied. Hasse die Sünde und die Feindschaft, doch liebe den Sünder und den Feind! Dir als dem (räuspert sich) Guten und Gerechten muss die Sünde Feind sein, nicht der Sünder!

Bush (stolz): Genau! Und um den Terroristen die Fähigkeit zur Sünde zu nehmen, braten wir ihnen...

Bene (lächelnd): Nein, eben nicht! Du solltest versuchen, den Grund ihrer Sündhaftigkeit zu bekämpfen! (seufzt) Konkret: Schon mal daran gedacht, was Menschen zu Terroristen werden lässt?

Bush (aufgebracht): Terroristen sind keine Menschen, die leben in Höhlen![2] In Afghanistan! Im Irak! Überall! (beruhigt sich wieder etwas) Wir haben Fotos davon.

Bene (murmelnd): ...wird ’n langer Abend!

Bush (den Spickzettel aus der Tasche kramend) Jetzt beziehe ich mich mal auf den Hl. Augustinus, (liest ab) „Die Aufforderung Jesu zum radikalen Gewaltverzicht und zur (verächtlich) Feindesliebe relativiert er dahingehend, dass er sie nicht auf konkrete Handlungen bezieht, sondern auf die innere Bereitschaft des Menschen, die praeparatio cordis. Die Voraussetzung eines gerechten Krieges ist also die Verfehlung des anderen, die Ungerechtigkeit, die Sünde: „Iniquitas enim partis adversae iusta bella ingerit gerenda sapienti.“[3] Außerdem sagte schon Augustinus, dass Krieg als iustitia vindicativa vor allem dem Sünder zugute kommt, da er durch die ihm widerfahrende Gewalt in die göttliche Ordnung zurückkehren kann. Mit dieser erzwungenen Umkehr orientiert man den Sünder wieder auf Gott hin und trägt damit letztlich auch dem Gebot der Feindesliebe Rechnung, denn ließe man den Ungerechten gewähren, entfernte er sich in dem Irrglauben, seine Ungerechtigkeiten würden sich lohnen, mehr und mehr von Gott, dessen letztem Urteil er sich jedoch nicht entziehen kann. Auch würden andere die ausbleibende Strafe zum Anlass nehmen, sich ebenfalls des Rechtsbruchs als Mittel zu bedienen.“ (blickt auf) Ich erinnere, Heiliger Vater, nur an den Iran! (liest weiter) „Allgemeiner Verfall der Sitten wäre die schreckliche Folge. Dem gilt es vorzubeugen, im Zweifel auch durch Krieg. Soweit der Kirchenvater Augustinus. Amen.“

Bene: Grüßen Sie mir das Fräulein Rice... (ernst) Mein Sohn, Du musst auch weiter lesen... lassen! Ein näherer Blick offenbart nämlich, dass die Zielsetzung jedes Krieges bei Augustinus die Wiederherstellung der Friedensordnung ist. Diese ist durch Deinen „War on Terror“ nicht erreicht worden und kann wohl auch nicht erreicht werden. Terror ist durch militärische Gewalt nicht zu beenden, wie die Anschläge in Madrid (März 2004), in London (Juli 2005) und jüngst in Algier (April 2007) zeigen. Dazu kommt der tägliche Schrecken im Irak, in einem Land, das längst militärisch besiegt ist, ohne dass damit die Friedensordnung wiederhergestellt worden wäre. Im Gegenteil: Nach dem offiziellen Ende des Kriegs starben weit mehr Menschen als im Krieg – sowohl auf Seiten Deiner Armee als auch auf Seiten der irakischen Streitkräfte und – was ungleich schlimmer ist – der irakischen Zivilbevölkerung.

Bush: Aber...

Bene (macht abwehrende Handbewegung): Man darf beim Hl. Augustinus schließlich folgendes nicht übersehen: Selbst der gerechte Krieg ist für ihn ein Übel, auf das nur nach Ausschöpfung aller friedlichen Mittel als ultima ratio zurückgegriffen werden darf. Schon Paulus hatte die Christen gemahnt: „Soweit es euch möglich ist, haltet mit allen Menschen Frieden!“[4]. „Ausschöpfung aller friedlichen Mittel“ – ist das passiert, Mr. Bush? Und in Augustinus’ Konzept setzt die recta intentio der Art und Weise der Kriegsführung ihre Grenze. So sind nach Augustinus nur Mittel erlaubt, die zur Umkehr des sündigen Feindes beitragen, nicht aber solche, die Rachegelüste befriedigen oder von Gier, Grausamkeit, Vergeltungswut, Eroberungstrieb und Unversöhnlichkeit zeugen. Genau davon aber zeugen die Bilder aus Guantanamo und Abu-Ghuraib, die mir...

Bush (schnell): Einzelfälle! Die Täter werden bestraft.

Bene: Hoffent...

Bush: Streng bestraft!

Bene: Hoffentlich. Und der Grund für den Krieg im Irak? Massenvernichtungswaffen?

Bush (zögerlich): Nun, ich glaubte halt, dass auf den Fotos... na, ja, diese raketenähnlichen Dinger... zu sehen sind. (gefestigt) Zum Transport verladen auf riesigen LKW. (lauter) Und Fabriken waren da. (noch lauter, fast panisch) Waffenfabriken! Und...

Bene: Da hast Du aber etwas grundlegend falsch verstanden. Es heißt in der Schrift: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“[5] Und nicht: „Selig sind, die zu sehen glauben.“

Bush (leise nuschelnd): Die waren so deutlich zu erkennen, dass ich glaubte, es handle sich...

Bene: Du glaubtest, d. h. du warst nicht sicher, denn wer glaubt, hat immer auch Zweifel. Nur der Zweifel eröffnet dem Glauben überhaupt erst einen möglichen Raum neben dem Wissen.

Bush: Na ja...

Bene: „Princeps qui dubia causa bellum infert in magno peccato est.“[6] Und überhaupt: Präventivschläge sind nicht nur völkerrechtswidrig, sondern verstoßen auch gegen die Lehre des Hl. Augustinus: Nur nach geschehenem Unrecht darf nach Augustinus militärische Gewalt angewendet werden, nicht aber aufgrund potentiellen, also zukünftigen Unrechts.

Bush (sichtlich genervt): Höre, Heiliger Vater...

Bene (höflich, aber bestimmt): Ich bin noch nicht fertig! (ruhig und überlegt) Mit dem lumen ecclesiae, dem doctor angelicus...

Bush: Merkel?

Bene: Nein, Thomas von Aquin! Also, mit dem Hl. Thomas seien noch einmal die Bedingungen für einen gerechten Krieg aus Sicht der Hl. Römisch-Katholischen Kirche zusammengefasst: 1. Es liegt eine Autorisierung durch den bevollmächtigten Fürsten vor (auctoritas principis), 2. es gibt einen gerechten Grund (causa iusta) und 3. der Krieg wird in rechter Absicht geführt (recta intentio). Diese Bedingungen müssten gleichzeitig vorliegen, um von einem gerechten Krieg sprechen zu können.[7] Zu den drei Bedingungen des ius ad bellum tritt die Bedingung des ius in bello, des geringsten Mittels (debitus modus), faktisch hinzu. Das moraltheologische Prinzip des soldatischen Wohlverhaltens wird damit zu einem Grundsatz der Kriegsführung. Thomas nimmt hier Bezug auf das Lukas-Evangelium, in dem es heißt: „Auch die Soldaten fragten ihn: Was sollen denn wir tun? Und er sagte zu ihnen: Mißhandelt niemand, erpreßt niemand, begnügt euch mit eurem Sold!“[8]. Auch hieran muss sich Dein „War on Terror“ messen lassen.

Bush (stolz): Das kann er auch!

Bene (lächelnd): Da wäre ich nicht so sicher, denn: 1. Es gibt brutale Mittel. Ich sprach ja die Folterstätten Deiner Militärs schon an. 2. Es gibt außerdem eine höchst zweifelhafte Absicht. Mr. Bush: Sind es wirklich nur die vitalen Sicherheitsinteressen oder gar die Beförderung von Demokratie und Menschenrechten, die die USA Kriege führen lassen, oder sind es nicht vielmehr geopolitisches Hegemoniestreben, strategische Überlegungen und handfeste wirtschaftliche Interessen? 3. Es gibt einen Grund, der keiner ist, weil dort, wo etwas sein sollte, nichts war bzw. dort, wo jemand sein sollte, niemand gefunden wurde.

Bush: Hä?

Bene: Keine Waffen im Irak, kein Bin Laden in Afghanistan! (lächelt) Sieht schlecht aus für Deinen „just war“! Kommen wir zur legitima potestas: Wer hat denn heutzutage überhaupt noch das Recht, Kriege zu führen? Bei wem liegt, um mit dem Hl. Thomas zu sprechen, die auctoritas principis?

Bush: Bei mir!

Bene: Nein, bei der UNO! So steht etwa in dem Gutachten The Responsibility To Protect der kanadischen Regierung vom Dezember 2001, das von der International Commission on Intervention and State Sovereignty erarbeitet wurde: „The UN, whatever arguments may persist about the meaning and scope of various Charter provisions, is unquestionably the principal institution for building, consolidating and using the authority of the international community.“[9] Konkret bedeutet das: „There is no better or more appropriate body than the United Nations Security Council to authorize military intervention“[10]. Du hingegen hast Dich selbst bevollmächtigt! Deine NSS[11] ist gegen den Willen der Weltgemeinschaft gerichtet, Dein Unilateralismus – nach dem Motto: „If the UN will not act, the US will!“ – ist nicht zu vereinbaren mit dem Prinzip der Legitimation durch die Vereinten Nationen. Und die Legitimation durch die UNO ist eine conditio sine qua non für den gerechten Krieg im 21. Jahrhundert.

Bush: Aber wir sind nicht allein. Die Briten, die Po...

Bene (winkt ab): Daran, dass es sich um illegitime Operationen handelt, ändert auch Deine „Koalition der Willigen“ nichts. Diese Koalition wird nicht durch das starke Band des Rechts zusammengehalten, sondern durch Deinen politischen und wirtschaftlichen Druck!

Bush: Ja, aber...

Bene: Nix, „aber“! Bedenke, mein Sohn, die Worte unseres Herr Jesus Christus: „Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: ,Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen.’ Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne unseres Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“[11] – (lächelt) Also, was sagt nun die Merkel zum Prodi?

- Ende -
Anmerkungen:

[1] Lk 22, 38.

[2] Die „Entmenschlichung des Gegners“ ist nach Orlando Budelacci eine der rhetorischen Stereotype Bushs, der am 1. Oktober 2001 über die Militäraktion in Afghanistan sagte: „Slowly, but surely, we’re going to move them out of their holes and what they think is safe havens, and get them on the move.“ Budelacci sieht darin die rhetorische Vorbereitung gezielter Tötungen: „Der politische Feind ist ein Tier, das in holes wohnt, also darf er wie ein Tier getötet werden.“ (Die Rhetorik des „gerechten Krieges“ und die Selbstlegitimierung der Politik, in: Georg Kreis (Hg.): Der „gerechte Krieg“. Zur Geschichte einer aktuellen Denkfigur, Basel 2006, S. 155-173, hier: S. 157). Erinnert sei an dieser Stelle auch an Bushs Bezeichnung Saddam Husseins als „beast of Baghdad“ (Jacques Derrida: Schurken, Frankfurt a. M. 2003, S. 137).

[3] „Die Ungerechtigkeit der Gegenpartei nötigt dem Weisen gerechte Kriege auf.“ (Augustinus [426]: Vom Gottesstaat [De Civitate Dei], übers. v. W. Thimme, eingel. u. komm. v. C. Andresen, 2 Bde., München 1985, XIX, 7).

[4] Röm 12, 18.

[5] Joh 20, 29.

[6] „Ein Fürst, der bei einem zweifelhaften Grund einen Krieg beginnt, begeht eine große Sünde.“ (Juan Ginés de Sepúlveda [1545]: Democrates segundo o de las justas causas de la guerra contra los indios, Madrid 1951, S. 114).

[7] Thomas von Aquin [1273]: Summa Theologica. Deutsche Thomas-Ausgabe. Vollständige, ungekürzte deutsch-lateinische Ausgabe der Summa theologica, übers. u. komm. v. Dominikanern u. Benediktinern Deutschlands u. Österreichs. 37 Bde. u. 2 Erg.bde., hrsg. v. d. Albertus-Magnus-Akademie Walberberg b. Köln; Salzburg, Heidelberg, Graz u. a. 1934 ff., II-II, 40, 1.

[8] Lk 3, 14.

[9] The Responsibility to Protect. Report of the International Commission on Intervention and State Sovereignty, Ottawa 2001, S. 48.

[10] A. a. O.: S. XII.

[11] Die National Security Strategy („Bush-Doktrin“) vom September 2002 – nachzulesen unter: http://www.whitehouse.gov/nsc/nss.html – betont den Willen der USA, unilateral zu handeln und eröffnet zudem die Möglichkeit zu Präventivschlägen gegen Staaten, die nach Einschätzung der US-Administration Terroristen mit Massenvernichtungswaffen versorgen bzw. zukünftig versorgen könnten.

[12] Mt 5, 43-46.


Anmerkung von JoBo72:

aus: POLEMIK & HUDDEL. Notizen über Gott, die Welt und alle Dinge überhaupt. Jg. 1 (2007), Nr. 1, S. 6-12.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Reliwette (06.01.08)
Quod erat demonstrandum - sach ma, hasse auch Latein gehabt? Nu ma ohne Flax - der Pontifex ist der beste Freund von Bush und Bush kann (konnte) auf die "Gläubigen" und "Moralisten" in den Staaten zählen. Sie haben ihm seinerzeit zur Mehrheit verholfen. Der Vorgänger von Herrn Ratzinger war der beste Freund der BILD-Zeitung. Er hat die BILDBIBEL sogar handsigniert! Es handelte sich um ca. 5,5kg "Gottes Wort" und war somit ungefähr so schwer wie die Gutenberg - Bibel, die zum Vergleich (von BILD) herangezogen und zitiert wurde.
Im übrigen hast Du alles genau recherchiert bis auf die Wanzen, die im UN Gebäude installiert waren, um die potentiellen "Neinsager" in Bezug auf "making war" zu belauschen...
Es gab einen lateinisch/deutschen Schülervers- der ging so:

hic haec hoc
der Klerus hat nen Stock
ille illa illud
wat will er denn damut?
sum fui esse
er hat dich inne Fresse!

Ich gebe zu- ich habe aus "Lehrer" nen "Klerus" gemacht.

Herzliche Grüße!
Der alte Kunstmeister
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram