Schön, sagte die Rose

Kurzgeschichte

von  polytoxyc

„Schön.“ sagte die Rose. „Wollen wir das nicht alle?“.

Die Sonne stand hoch am Himmel, schien herab und wärmte die Welt. Grün war die Wiese, auf die sie schien, und die Vögel sangen ein Lied. So unbekümmert wie sie sangen, so unbekümmert schien die Sonne. Ein warmer Wind durchzog das Gras und die Halme wiegten seicht im Takt. Die Bäume standen ruhig und still, wie immer, und warfen ihren Schatten. Das Spiel der Blätter klang sanft, wie weit entferntes Meeresrauschen.
„He!“ erklang es, als die Hand hinab sank und den Stiel umklammern wollte. Die Hand stockte kurz in ihrer Bewegung, doch bewegte sie sich weiter. „He!“ erneut empört.
Nun zog die Hand erstaunt zurück, ein Junge schaute sich um. „Ist da jemand?“ Stille. „Wer spricht denn da?“, fragte der Junge. „Na ich.“, antwortete die Rose entsetzt. Verblüfft starrte der Junge die Rose an. „Du wolltest mir Leid antun!“ schrie sie schrill, so gar nicht sanft, wie man es vielleicht von einer Rose erwartet hätte. Der Junge kniete nieder auf die von der Sonne erwärmte Wiese, seine Augen waren groß.
„Bist Du es, die zu mir spricht, werte Rose?“ fragte der Junge leise und die Rose nickte. „Aber, warum sprichst Du zu mir?“. Die Rose antwortete: „Warum wolltest Du mich anfassen?“. „Nun“ antwortete der Junge, „Du bist eine sehr hübsche Blume.“. „Und deswegen wolltest Du mich anfassen, ohne mich vorher zu fragen ob es mir überhaupt recht wäre?“. Der Junge wurde rot und schaute verlegen zu Boden. „Wenn ich ehrlich bin, werte Rose, dann wollte ich Sie gerade pflücken.“. Die Rose erschrak und neigte sich soweit zurück wie sie nur konnte, ihr Stiel bog sich sehr. „Entschuldigt, ich wollte Euch nicht erschrecken.“ sagte der Junge hektisch sehr verlegen. „Nein, ihr wolltet mich nicht erschrecken, ihr wolltet mich töten!“ kreischte die Rose. „Aber nein! Ich wollte Euch nicht töten, ich wollte Euch doch nur pflücken.“. „Aber Blumen, die von ihrer Wurzel getrennt werden, sterben. Wusstet ihr das denn nicht?“. Der Junge schaute sehr betrübt drein und stammelte „Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Ich wollte Euch pflücken, weil ihr so schön seid. Wir Menschen mögen Blumen.“. „Wenn ihr mich so schön findet, warum lasst ihr mich dann nicht auf dieser wundervollen Wiese, bei den Bäumen, der Sonne und dem Wind? Dies ist mein Zuhause, hier gehöre ich hin.“. „Weißt Du, werte Rose, es gibt da ein Mädchen, das ich sehr mag. Tag für Tag denke ich an sie. An manchen Tagen treffe ich sie. An manchen Tagen laufen wir uns mehrmals über den Weg. Und an Tagen, an denen ich sie nicht sehe, da denke ich an sie.“. Die Rose neigte sich langsam wieder vor, ein Junge der so spricht, kann so schlecht nicht sein. „Und was hat das Mädchen mit mir zu tun?“ fragte die Rose nun freundlicher. „Ich musste an sie denken, als ich Euch sah. Ich wollte Euch pflücken, um Euch ihr zu schenken.“. „Warum wollt ihr das tun? Verratet mir Eure Gründe und vielleicht lasse ich Euch mich pflücken.“. Der Junge bekam glänzende Augen. „Ich möchte dass sie an mich denkt. Ich möchte, dass sie mich mag. Versteht mich bitte, werte Rose, ich möchte doch nur geliebt werden.“.
Die Rose lächelte sanft. Kurz lauschte sie dem Gesang der Vögel, die gemeinsam zwitscherten. Sie genoss die warme Brise, die sie umgab und betrachtete die Bäume, die in ihrem Takt die Äste wiegten. Und wie die warme Frühlingssonne auf die Wiese herab schien, neigte sie sich dem Jungen hin und nickte.
„Schön.“ sagte die Rose. „Wollen wir das nicht alle?“.

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Kommentare zu diesem Text


 AndreasG (07.01.09)
Hallo polytoxic.

Mir war zu diesem Text schon beim ersten Lesen mein Standardspruch eingefallen: "die wörtliche Rede im Dialog ist zu sehr im Block gefangen. Zu jedem Wechsel des Sprechers einen Absatz (neue Zeile) machen und schon wird es lesbarer. Das ist inzwischen allgemein üblich und bedient die Lesegewohnheiten der LeserInnen (schau einfach mal in ein willkürlich gegriffenes Buch), hat aber auch den unschätzbaren Nutzen, dass es nicht so leicht zu Verwechslungen kommt."

Zu Deinen Fragen im Forum (knapp und ehrlich):
- Wie wirkt der Text auf mich? - Er haut mich nicht um und birgt kein überraschendes Ende. Es ist vorhersehbar. - Außerdem mag ich keine sprechenden Geschlechtsteile, die sich für die Gesamtheit des Organismus halten ... nichts anderes sind sprechende Blüten einer Pflanze, oder?
- Zu dick? - Ja.
- Zu dünn? - Nein.
- Zu lang? - Für das Ende: ja.
- Zu kurz? - Nein.
- Leerzeilen für bessere Lesbarkeit? - Bloß nicht. Mehr Absätze (siehe oben), aber den Text ansonsten zusammenhängen lassen. Denn es sind keine so gravierenden inhaltlichen Sprünge vorhanden, dass Leerzeilen nötig werden.
- Zusatz: sauber geschrieben, gut zu lesen. Prinzipiell mit guter Länge und gutem Tempo, wenn auch ein paar sinnliche Eindrücke eingebaut werden könnten (sehen, riechen, fühlen, hören). Gute Umsetzung eines schwachen Plots (wobei das jetzt eine Einschätzung von mir ist, eine Frage des Geschmacks).

Liebe Grüße,
Andreas

 polytoxyc meinte dazu am 07.01.09:
Hallo Andreas.

Den Vorschlag mit den Dialogen find ich spitze. Hätte ich so selbst nie gesehen, wäre ich selbst nicht draufgekommen. Wird schon nach sehr kurzem drübernachdenken definitiv übernommen =)

Ja, der Plot ist wirklich sehr sehr dünn, da kann ich Dir (leider) auch nur zustimmen. Das liegt daran, dass es eigentlich keinen gab. Der Text hat sich absichtlich aus einem Satz in Eigendynamik entwickelt.

Vielen Dank für Deine Mühe, hab mich über Deine Kritik sehr gefreut.

LG
Raissa (57)
(07.01.09)
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 polytoxyc antwortete darauf am 07.01.09:
Hallo Raissa.

Danke auch für Deine Resonanz. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich den kleinen Prinz nie gelesen hab. Wollte ich eigentlich aber schon seit Jahren. Werd ich bei Gelegenheit mal nachholen =)

LG
Raissa (57) schrieb daraufhin am 07.01.09:
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 kobra (12.01.09)
mir gefällt der text eigentlich sehr gut, vor allem die atmosphäre, doch ist auch mir das ende etwas zu voraussichtlich. und ist es nicht merkwürdig, das die rose ihr leben opfern will, damit der junge sie einem mädchen schenken kann, als wäre es eine unwichtige entscheidung. trotzdem, ich hab den zext gern gelesen ;D
gruß, kobra

 Dieter_Rotmund (01.07.18)
Ja, das Leben ist ein Ponyhof!
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