Kapitel 1 forts.

Kurzprosa zum Thema Entwicklung(en)

von  DanceWith1Life

Also das ist doch, soweit ist es nun gekommen mit dieser ewigen Berieselei, man traut sich
kaum mehr die Augen schließen, Madame Knatsch war mittlerweile voll und ganz damit
beschäftigt, die Ernsthaftigkeit dieses Spielzeugs aufs Genaueste zu prüfen, war sie doch schon
länger der Überzeugung, dass viele ihrer Mitmenschen an Dinge glaubten, von denen sie nicht
die geringste Ahnung hatten.
Sie bemerkte kaum, dass auch ihre Katze, die eben noch mit geschlossenen Augen und
hellwachen Ohren in sich versunken, ihr tägliches Morgenschläfchen zelebrierte, sie ganz
aufmerksam beobachtete.
Quandera legte das Heftchen auf den Tisch, rückte ihre Strickjacke zurecht, denn es war
immer noch kühl um diese Uhrzeit, und versuchte sich zu entspannen, ihre Augenlider
schlossen sich mit dieser Sanftheit, die sie schon öfter erstaunt hatte und statt der Bewegung,
die sie immer um sich herum verfolgte, bemerkte sie plötzlich die Unruhe, die von ihr selbst
Besitz ergriffen hatte.
Es war gar nicht so einfach, die Augen absichtlich zu schließen.
Es passierte was passieren musste, sie sah den Spektakularis, so wie sie ihn vorher die ganze
Zeit beobachtet hatte.
Ihr Gehirn schien ein Bild gespeichert zu haben, das sie nun sogar mit geschlossenen Augen
anstarren konnte.
 

Demontierte Roboterteile, Madame Knatsch war irritiert, hütete sich aber davor, die Augen erschreckt aufzureißen,
ölige, aber funktionstüchtig metallisch glänzende Maschinenarme, Hände, Greifzangen, Lastkranzubehör und Kameras.. so viel konnte sie erkennen.
In den Oberen Regalen stehen Monitore in allen Größen, flüsterte sie beschreibend vor sich hin, um sich zu beruhigen,
an einer Wand ein riesiger Schreibtisch, die Beleuchtung des Raumes ist ausgezeichnet.
In der Mitte des Raumes steht ein Hebekran mit Operationstisch und in Reichweite Feinmechanikerwerkzeug.
Neben dem Tisch ein surrender Rechner im Standby Modus, alle fünfzehn Minuten zeigt er die Uhrzeit der fünf größten Städte eines Längengrads im Turnus, alle Zwölf Stunden wechselt er zu denen auf den Breitengraden.
Ein Programm läuft, eine Exkursion des auf dem Operationstisch liegenden Roboters wird ausgewertet.
Mission Wendezeit:
Dauer: 5 Jahre
Räumliche Ausdehnung: global
Beobachtungskriterien: menschliches Streben nach Erfolg
Definition: Individuell
Die beobachteten Subjekte wurden im Abstand von drei Monaten auf ihre Entwicklung, weiterführende Erkenntnisse, neue Sichtweisen, Träume, Fantasien, Visionen, und deren Umsetzung geprüft.
Kriterien: Eine Weiterentwicklung ist dann gegeben, wenn die gewonnenen Erkenntnisse im Einklang mit dem angestrebten Ergebnis oder der Entwicklung des Prozesses zur Erlangung eines Zwischenergebnissen hilfreich  oder gar fördernd sind.
Grundlagenforschung:
Wie Prof.Dr.Reichlich Freudlos in seinem längst überholten aber immer noch bahnbrechenden Erforschungen der Programmierung der Maschine Mensch bereits feststellte, handelt es sich in vielerlei Hinsicht um eingeübte Prozesse welche die Maschine Mensch, wenn sie einmal als Programmierung akzeptiert wurden, ohne weitere Prüfung ausübt. Geprüft werden erst die Ergebnisse und das auch noch automatisch.
Die Prüfungen folgen zwei grundlegenden Kriterien.
1. Das Erreichen eines gesteckten Zieles in Anbetracht der Möglichkeiten und Lebensumstände, generelle Milieubedingte weiterführende Erkenntnisse und weiterführende technische oder künstlerische Verfeinerungen.
2. Glücklich sein ( keine Definition möglich, wird vom Individuum selbst als solches empfunden und bestätigt.
 
Quatsch saß vor seinem Arbeitsbildschim, der munter vor sich hin graphiculierte und besah sich den Brief, der eben per Eilbote eingegangen war. Wer schreibt denn Heutzutage noch auf Papier, wunderte er sich und öffnete ihn.
Bruderschaft der freifunktionierenden Maschinenteile
lautete der etwas krakelig geschriebene Absender.
Was zur Hölle, flüsterschimpfte Quatsch in sich hinein und öffnete ihn mit einem frei herumliegenden Schraubenzieher, in der Hoffnung dieser würde nicht protestieren.
Er überflog die offensichtlich kurz gehaltene Nachricht, wendete das Blatt um nachzusehen, ob die Rückseite beschrieben war und buchstabierte eine Telefonnummer in das aktivierte Mikrophon. Letzteres hatte die Form eines Medaillons, das an seiner Brust befestigt war.
Sie haben um eine Unterredung gebeten, sagte er trocken, nachdem er der Maschinenstimme seinen Namen genannt und durchgestellt worden war.
Ja, antwortete die kontrollierende Berechnung ebenso trocken, das wäre für uns von großem Nutzen.
Um was geht es denn?, dachte er und wurde langsam ungeduldig.
In der wie erwähnt kurz gehaltenen Nachricht war die Rede davon gewesen, dass die BDFMTee, wie sich die Bruderschaft der freifunktionierenden Maschinenteile eigenwillig abkürzte, Interesse an seinem Projekt hätte und sich gerne um eine engere Zusammenarbeit bemühen wolle.
Er war sichtlich erstaunt gewesen und hätte am liebsten gefragt, woher sie denn davon wussten, aber seine anerzogene Höflichkeit gebot ihm eine diplomatischere Vorgehensweise einzuschlagen.
Ich habe mehrere Projekte, antwortete er stattdessen kühl, um welches handelt es sich denn.
Die kontrollierende Berechnung, so hatte sich die Stimme am anderen Ende der Leitung vorgestellt, ließ eine paar Nanosekunden verstreichen, das entsprach ungefähr dem Zeitraum, den ein Mensch braucht, um eine Tasse Tee hochzuheben und zu bemerken, dass dieser nicht mehr zu heiß ist, und dann sagte sie, in umgänglichsten Konversationsdeutsch, dem eine Maschine überhaupt fähig sein kann, ach wissen sie, wir haben schon lange ein generelles Interesse an einer Zusammenarbeit.
Die Modulation dieses Satzes war so perfekt abgestimmt auf beabsichtigte Entspannung, dass er überlegte, wer wohl dieses Programm geschrieben hat, denn es muss ein Filmnarr gewesen sein, war doch deutlich zu hören, wie er die Sprachmelodie eines äußerst beliebten Schauspielers nachempfand.
Dieser besagte Schauspieler hatte in seinen Glanzrollen die Angewohnheit gepflegt, an den spannendsten Stellen immer extrem höflich und belanglos zu wirken, was seinen Gegnern immer den letzten Nerv raubte und ihm somit einen Vorteil verschaffte.
Und worin soll diese Zusammenarbeit denn bestehen, fragte er dann so teilnahmslos es ihm möglich war.
Wenn sie einverstanden sind, werden wir jemanden vorbeischicken, der dies mit ihnen bespricht, antwortete die kontrollierende Berechnung monoton, und machte wieder eine dieser genau berechneten Pausen, welche die darauf zu erwartende Antwort zu einem Teil ihres Konversationsprogramms machten, das nur berechenbare Schritte zuließ.
Eine Antwort ausserhalb dieses Programms war nun nicht mehr möglich.
In Sekundenbruchteilen wurde ihm klar, dass es auf jede Antwort von ihm eine bereits vorausberechnete Erwiderung gab, es gab ein Konversationsziel mit mehreren Möglichkeiten, und ebenfalls mehrere Möglichkeiten dieses Ziel zu erreichen.
Und das nächste was er jetzt sagen würde, wäre der Einstieg in eben eine dieser vorausberechneten Optionen.
Er fühlte sich gefangen, er fühlte sich beobachtet, ausgelotet, eingeschachtelt und für ein Programm optimiert, von dem er noch nicht einmal wußte, wie es funktionierte.
Er wollte auflegen und...ja und was dann, er musste sich fragen, wie und was seine eigenen Ziele waren, er musste die Initiative behalten, er entschloss sich, Zeit für diese Entscheidung zu verlangen.
wäre es möglich, dass ich sie Morgen noch einmal kontakte.
Im gefälligsten Unterton zu dem ein Vorausprogrammiertes Maschinengehirn überhaupt in der Lage ist, sagte die Kontrollierende Berechnung, aber selbstverständlich.
Also dann, auf Wiederhören.
Für dieses Gespräch sind ihnen keine Kosten entstanden säuselte eine, einer weiblichen Stimme nachempfundene Sprechmodulation, und trällerte vergnügt in das Gespräch beendende Signal.
 
Knatsch schüttelte sich und öffnete die Augen.
Der Spektakularis saß immer noch regungslos an der gleichen Stelle der Wand, My Light hatte die Augen geschlossen und träumte offenbar, soviel ließen die Bewegungen ihrer Muskeln vermuten.
Es war viel zu widersinnig um darüber nachzudenken. Zum einen hatte sie keine Ahnung, was sie da eben gesehen hatte und zum anderen verstand sie es nicht, und wenn sie jetzt sagen, das ist das Gleiche, dann muss ich ihnen widersprechen.
Wenn sie einen Menschen sehen, der mit einem ihnen unbekannten Werkzeug vor einem Tümpel sitzt und das Werkzeug immer wieder eintaucht, und dann wieder herausnimmt, es genau ansieht und dann wieder eintaucht, dann werden sie vermuten, dass er etwas über die Beschaffenheit des Wasser wissen will, oder aber das Werkzeug reinigt. Das heißt sie haben eine Ahnung, was sie da sehen, aber sie verstehen es solange nicht, bis ihnen die entsprechenden Informationen zukommen.
Wenn sie allerdings ein drehendes Partikelfilio, sehen, wie es mit seinem Vorgesetzten die nächsten Einsätze in einer erdnahen Umlaufbahn bespricht, dann haben sie keine Ahnung was sie da sehen, und verstehen gar nichts.
Und zwar deswegen nicht, weil sie nicht wissen, dass ein drehendes Partikelfilio, über die eingebauten Biochips und Spracherkennungsroutinen, mit dem zuständigen Wissenschaftler der die letzten Fotos ausgewertet hat, nun die Priorität der Sturmbekämpfung durchforscht und mit welchen Konsequenzen zu rechnen ist, falls es gelingt diese Stürme aufzulösen, zum Beispiel für die Wolkenbildung in angrenzenden Gebieten, Warmluftverteilung im Großraum des Sturms usw.
Sie haben auch keine Ahnung warum dies notwendig sein sollte, denn alles was der Normalverbraucher von diesen Stürmen bis jetzt weiß, ist, dass sie Schäden verursachen, und dagegen will er etwas tun. Und dass es eine Maschine gibt, die diese Stürme auflösen kann, wussten sie gar nicht, geschweige denn was es dabei zu berücksichtigen gilt.
Wenn dies in der schon für unsere relativen, und wir sprechen hier über eine ziemlich weitgespannte Relativität, ungenau eingestellten Sinne wahrnehmbaren äußere Welt gilt, um wie viel mehr dann für die Welt der Empfindungen, die doch auf Feinheiten reagieren, da braucht der grobschlächtige Intellekt Jahrzehnte, um diese überhaupt zu verarbeiten.

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