Horizonte

Alltagsgedicht zum Thema Selbsterkenntnis

von  Erebus

Westwärts, gradenwegs hinauf zum Kamm,
führt der Strasse graugespanntes Band.
Götzenhafte Stelen stehen stramm,
drehen in Parade mit der Schaufelhand.
Ohne Gnade ist der Horizont.

Ostwärts stehen Bäume, fast am Rand,
stehn gebeugt, die Kronen eingeknickt.
Einer fernen Weise zugewandt,
streben sie ganz leise, unverrückt.
Reise ist der Trost am Horizont.

Nordwärts zwingt Naturgewalt ein Land,
alt und kalt und klamm. Doch ich bestreite,
dass ich dort entstamm, ich bin verbannt.
Unbekannt bleibt mir, was ich begleite,
ängstlich fürchte ich den Horizont.

Südwärts, ahnend suche ich das Pfand,
meinem sinnbegehrend Weg das Ziel.
Jedem Blick verwehrt und dem Verstand,
doch als Weite spür ich's unterm Kiel,
wenn ich Horizonte überschreite.

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Kommentare zu diesem Text

kata (64)
(23.01.08)
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 Erebus meinte dazu am 23.01.08:
Hallo Kata,

wie schön ist es, wäre es, mit griffigen Sätzen die Welt zu umfassen!

Ich glaube letzlich aber nicht, dass uns ein solcher Kunstgriff gegönnt ist.
Deshalb kann ich auch nicht sagen, ob man sich vor sich selber fürchtet, oder vor der Welt, oder vor der Welt in sich selber. Die Furcht steckt in einem, das schon.

Und: Gedanken, die uns in die Kälte verbannen, mit denen wir die Erscheinungen umstricken und in ein Ansichtsgeflecht überführen, eine gedankliche Parallelwelt, aus der wir nicht mehr entkommen. Ja, das wäre dann die Vertreibung aus dem Paradies.
Der Weg ist das Ziel, schreibst Du. Dann wäre das Ziel der Weg, das ist ja Mathematik. Ziel und Weg sind also eins. Von wegen Huhn oder Ei. Das bedeutet ja nichts anderes, als das man ständig angekommen ist. Schöne Idee.
Lieber Gruß
Ulich
Carmina (58)
(23.01.08)
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 Erebus antwortete darauf am 23.01.08:
Hallo Carmina,

Ja, für mich hat er auch zwei Ebenen, das macht dann schon vier, mit Deinen zusammen. Mit dem Kadenzaustritt wird dann der Horizont überschritten.

Ich danke im Namen meines Textes für Dein Lob, und für Die Empfehlungen nochmals: danke.

Lieber Gruß
Ulrich
Mitternachtslöwe (27)
(24.01.08)
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 Erebus schrieb daraufhin am 24.01.08:
Hallo Mitternachtslöwe,
1."drehen in Parade mit der Schaufelhand."
Diese Zeile ist in zweierlei Hinsicht ein Ausreißer. Erstens ist sie zu lang und fügt sich einfach nicht richtig in die Strophe ein, zweitens steige ich inhaltlich nicht durch. Was ist eine Schaufelhand? Da fallen mir höchstens Maulwürfe ein, oder hat es was mit Schiffen zu tun?
In der Tat, metrisch ist mir in S1V4 ein Schnitzer unterlaufen, den ich überhaupt nicht bemerkt habe. Jetzt habe ich ein Problem, mit dem ich mich auch befassen werde. Auf Anhieb finde ich jedoch keine Lösung. Der Fehler ist wohl das Resultat eines zu häufigen Umformulierens, das ich nun nochmals beginnen muss.
Grade zu diesem Gedicht möchte ich aber keine interpretatorischen Lösungen anbieten, es ist für mich eine sehr genaue persönliche "Ortsbestimmung", nur soviel sei gesagt: auf der Bildebene handelt es sich (für mich) um Windräder, die auf einem Bergkamm stehen.
2. "Nordwärts zwingt Naturgewalt ein Land,"
Verstehe ich nicht. Die Naturgewalt zwingt das Land dazu, nach Norden zu wandern? Das übersteigt die Kräfte der Naturgewalten, gerade wenn es sich um ein bestimmtes Land handelt.
Wenn du be-zwingen meinst, stimmt das "Nordwärts" nicht mehr.
Auch hier muss ich Dir Recht geben, die Formulierung ist ein echter Stolperstein, bleibt man erst einmal daran hängen, dann kommt man so leicht nicht mehr davon frei. Ich habe hier mit einer Ellipse gearbeitet, die ich selbst nicht genau benennen musste, zu deutlich stand mir der Inhalt vor Augen. Im Sinne von "im Norden" oder "Nordwärts gesehen" Hm. Das ist ebenfalls nicht leicht zu beheben. Ich schätze, diese Stelle werde ich so lassen. Ich rede mich auf die Mutwilligkeit hinaus, mit der der ganze Text geschrieben ist und hoffe, das sich dennoch ein stimmiger Eindruck beim Leser ergibt.
3. "meinem sinnbegehrend Weg das Ziel. "
Diese Zeile klingt für deine Verhältnisse unfertig. Man hat den Eindruck, du wolltest auf Teufel komm raus eine Aussage ins Metrum pressen, die eigentlich zu lang dafür ist.
Hier verstehe ich den Einwand nicht ganz, habe ich vielleicht etwas mit den Kommata falsch gemacht? Es handelt sich um eine Ellipse zum Subjekt "ich" und einem Zeugma zum Prädikat "suche". Also ausformuliert:
Südwärts, ahnend suche ich das Pfand,
meinem sinnbegehrend"en" Weg "suche ich"das Ziel.
Und: ganz Recht, der Text ist sehr gedrängt und sprachlich nicht rund. Jedoch stehe ich immer wieder vor der Wahl, dichte Bilder aufzugeben, um zu einer saubereren Sprache zu gelangen. Hier beließ ich die Bilder. Ich will mir auch ganz bewusst diese Möglichkeit des Schreibens offen halten. Allerdings versuche ich im Grunde schon, Ellipsen, Elisionen und Zeugmata zu vermeiden, es sei denn, sie bringen einen zusätzlichen Aspekt in den Text.
Selbstverständlich war das deinerseits kein Blödsinn. Du hast mir wertvolle Hinweise geliefert.

Herzlichen Dank.
LG
Ulrich
Mitternachtslöwe (27) äußerte darauf am 24.01.08:
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 Traumreisende (30.01.08)
Hallo Ulrich, da sind die himmelsrichtungen also wie vier blickrichtungen und doch, mein lesegefühl war ein im kreise drehen immer wieder, ein auf der stelle verharren, ein suchen und wieder drehen...

was mir von der form sehr gefällt ist ausser dem reimschema die ab und an klingenden mittelreime in den verzeilen. das ist melodie...

gefällt mir sehr!

liebe grüße
silvi

 Erebus ergänzte dazu am 30.01.08:
Hallo Silvi,
das gefällt mir!
Ich schrieb die Verse ja über Kreuz, damit sich aus den Achsen ein Schnittpunkt ergab, das war aber eher ein theoretische Formalismus, keine Sichtweise, die man verinnert in sich trägt.
Tatsächlich blickt man ja immer von diesem Schnittpunkt aus in Richtung Horizont, niemals von aussen auf den Schnittpunkt.
Dein Lesegefühl finde ich schön

Danke sehr!

Liebe Grüße
Ulrich
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