Geheilt

Kurzgeschichte zum Thema Arbeit und Beruf

von  Maya_Gähler

Wie viele ja mittlerweile wissen, habe ich eine Ausbildung zur Friseurin gemacht. Früher sagte man Friseuse. Es scheint den gleichen Unterschied zu geben, wie zwischen Masseurin und Masseuse.

Meine Geschichte dreht sich um meine männlichen Modelle, die ich während meiner Ausbildungszeit, verschönern durfte.
Ich hatte das Glück zwei Brüder zu meinen Modellen zählen zu dürfen. Nun an sich ist es nichts besonderes zwei Brüder zu kennen. Aber diese Beiden die waren in meinen Augen was ganz Spezielles. Beide über 1.80 gross, blond, blauäugig und extrem lieb. Einer war Student und der andere arbeitete irgendwo in einer leitenden Position.

Der Student war es, der mich von meiner Sucht heilte. Wenn auch unbewusst, aber er schaffte es.

Ich kaute Fingernägel. Es war wirklich eine Sucht, kaum war ein weisses Rändchen zu entdecken, musste ich es abkauen. Grässlich, aber ich hatte keine Chance, dem zu entgehen.
Mein hübscher Student war mal wieder an der Reihe, um für mich still zu halten. Wie immer kam er gut gelaunt in den Salon und rief: „Hey Sonnenschein, ich bin bereit für deine Kunst. Mach mich glücklich.“
Ich musste immer grinsen, wenn er diesen Spruch losliess. Es gab aber schon Kunden, die etwas irritiert aus der Wäsche guckten. Aber man musste doch schauen, dass die Gerüchteküche auch genährt wurde.

An diesem besagten Tag hatte ich das „Glück“, dass ich einer Kundin die schwarze Haarfarbe vom Kopf waschen durfte/musste. Wie immer ohne Handschuhe. Mein Chef pfiff mich jedes Mal zusammen deswegen, aber ich konnte einfach noch nie mit diesen Dingern richtig umgehen.
Meine Hände sahen danach schrecklich aus, aber ich ging damals sehr locker damit um.

Als Eggi, der Student mit seinem Spruch den Laden betrat, war ich noch sehr fröhlich. Ich liess ihn Platz nehmen, legte ihm den Kragen, den Umhang und das Handtuch um. Wir plauderten lustig drauf los und lachten viel. Beim Haare waschen erzählte er mir einen Witz nach dem anderen und wir hatten unseren Spass.

Als er wieder aufrecht sass, schön vor dem Spiegel mit abgetrockneten Haaren, dachte ich mal wieder, das ist aber auch ein hübscher Kerl. Er hatte strahlend weisse Zähne und die zeigte er auch gerne. Wir lachten und scherzten immer weiter. Nebenbei fing ich an seinen Kopf zu massieren, so wie es mir mein Meister beibrachte. Schön hinten im Nacken anfangen, dann hocharbeiten über die Schläfen zum Solar Plexus, zur Stirn und zurück. Beim genannten SP verweilte ich gerne einen Moment länger, weil dies sehr entspannend wirkt. Eggi genoss es sehr, erzählte mir aber trotzdem etwas aus seiner vergangen Woche. Ich schaute in den Spiegel und erschrak, was ich da sah. Ich wurde weiss und weisser.
Im Spiegel kamen zwischen den blonden Haaren spinnenähnliche schwarze, grässliche Beine zum Vorschein, die sich Richtung Stirn bewegten. Beim genaueren Hinsehen merkte ich, dass es sich dabei um meine Finger handelte. Die abgekauten Fingernägel waren wunderhübsch schwarz gerändert. Es sah so scheusslich aus, dass ich am liebsten geschrien hätte. Ich hörte auf zu massieren und starrte auf meine Hände.
Eggi erfasste die Situation und sah die Tränen in meinen Augen. Er stand auf und sagte:
„Hey Sonnenschein, nicht weinen. Ich bins doch nur.“
Total verschämt schnitt ich ihm die Haare.
Ein paar Wochen später habe ich ihn in unserer Stammdisco auf einen Drink eingeladen und mit ihm auf meine schönen nachgewachsenen Fingernägel getrunken, welche ich nie mehr abkaute.

©g.b.=Maya_Gähler
2008-02-20

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (20.02.08)
Manchmal hilft einem eben die Angst vor Spinnen weiter, oder war es doch der blonde, blauäugige Student? Was ist aus ihm geworden? Schöne Geschichte zum Schmunzeln. Abgekaute Fingernägel mag ich auch nicht. LG in die Schweiz

 Maya_Gähler meinte dazu am 21.02.08:
Gute Frage, lieber Armin was aus Eggi wurde.
Meine Lehrzeit liegt nun schon bald 30 Jahre zurück. Dank dem blonden Studenten habe ich im Herrenfach eine gute Note eingefahren, bei der Abschlussprüfung. Vor 21 Jahren bin ich in die Schweiz gezogen.
Leider sind so gut wie alle Kontakte von damals eingeschlafen. Ich weiss gar nichts mehr :o(

Es freut mich sehr, dass dir meine Geschichte gefällt.
Abgekaute Fingernägel sind mir auch ein Greuel... warum weisst du ja... *lächel

Herzliche Grüsse,
Maya
chichi† (80)
(20.02.08)
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 Maya_Gähler antwortete darauf am 21.02.08:
Oh ja Gerda, ich wäre am liebsten im Erdboden versunken vor lauter Scham.
Ist nur gut, dass ich heute auch darüber schmunzeln kann :o)

Liebe Grüsse,
Maya

 Isaban (20.02.08)
Leicht, locker und flüssig zu lesen, ein angenehmer Erzählstil und eine nette Anekdote, gut beschriebene Situation. Wer von uns hat nicht ein paar kleine Peinlichkeiten gespeichert, die einem immer wieder mal in den Kopf kommen?

Gern gelesen, Maya.

Liebe Grüße,
Sabine

 Maya_Gähler schrieb daraufhin am 21.02.08:
Hallo Sabine,
herzlichen Dank für deinen freundlichen Kommentar :o)

Ich denke, wenn wir alle ein wenig in unseren Erinnerungen kramen, finden wir sicher so manches "Schätzchen"... *smile

Freue mich, dass du bei mir reingeschaut hast.
Viele Grüsse,
Maya

 souldeep (25.02.08)
deine erzählungen sind wie immer direkt aus dem leben,
liebe Gudrun, und ich sah dich gerade vor mir, hab mitgelacht
und nicht schlecht gestaunt, wie phantasievoll du die hände
als abschreckendes beispiel für dich selbst beschreibst.

:)))

herzliche grüsse mit einem bündel kraft und freude in deine
neue woche,
Kirsten

 Maya_Gähler äußerte darauf am 05.03.08:
huch, ich habe dir ja noch gar nicht für deinen herzlichen Kommentar gedankt.. dies sei hiermit nun geschehen... :o)
sonnige Grüsse,
Gudrun
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