Es musste ja so kommen!

Kurzgeschichte zum Thema Abhängigkeit

von  tastifix

Berlin hatte meine Neugierde geweckt. Jedoch machte mir während des letzten Besuches dort mein Beinleiden einen rigorosen Strich durch die Besichtigungs-Rechnung.

Ich denke aber nicht daran, mich unterkriegen zu lassen und mache mich ein zweites Mal auf die Socken, ääh, eher die S-Bahn. Da diese so gerne unheimlich gerne unpünktlich erscheint oder noch gerner ihren Fahrplan total ignoriert, stehe ich mit den Zähnen knirschend recht früh auf, denn ich habe mich, vorsichtig wie ich bin, für die frühere Bahn um 9.30 Uhr entschieden.

Als ich los ziehe, schüttet es selbstverständlich wie aus Eimern. Mit der einen Hand den leicht widerspenstig übers Kopfsteinpflaster polternden Koffer hinter mir her ziehend, umklammere ich mit der anderen verzweifelt den Schirm, der vom aufkommenden Wind so nett hin- und her gebeutelt wird.

Oben auf dem Bahnsteig schiele ich abwechselnd längs des Gleises und auf die Bahnsteiguhr, deren gemeiner Minutenzeiger ausgesprochen munter von Strich zu Strich springt. Mit jedem Hopser jenes schwarzen Etwas werde ich zunehmend nervöser.
„Wenn die jetzt ausfällt, bin ich nicht nur gleich pitschnass, sondern vielleicht sogar aufgeschmissen!“

Die Bahn hat ein Einsehen und trifft mit nur einer einzigen Minute Verspätung ein. Erleichtert setze ich mich.
„Na, scheint ja doch alles nach Plan zu klappen!“
Das Denken hätte ich besser den Pferden überlassen sollen, denn die S-Bahn hält eine reizende Überraschung für mich parat.
„Sehr geehrte Fahrgäste. Wegen Bauarbeiten endet dieser Zug in Benrath (zwei Stationen vom „Heimathafen“ entfernt). Bitte benutzen Sie für die Fahrt zum Hbf den Schienenersatzbus vor dem Bahnhof.“

„Ausgerechnet heute. Das darf doch nicht wahr sein!“, meckere ich, schnappe mir Koffer und Schirm und trabe wie die meisten Fahrgäste zur Bushaltestelle.
Dort stehen wir wie bestellt und nicht abgeholt, treten von einem Bein aufs andere und lassen gegenseitig gehörig Dampf ab.
„Das ist mal wieder typisch. Immer dann, wenn man einen dringenden Termin hat!“, meint ein Mann.
„Ja, hoffentlich kommt der Bus wenigstens!“, meckert eine Frau.
„Oh je, wenn nicht, dann ... !“
Ich denke an meinen Flug.

Wir dürfen uns noch ungefähr fünfzehn Minuten aufregen, bis dann endlich ein zitronengelbes Etwas naht. Ich mag Zitronen und bin schon fast bereit, alle Verspätungen zu verzeihen - aber nur fast.

Der Fahrer öffnet die Türe. Alles drängelt und schubst, der berühmte Kampf um die Sitzplätze steht bevor. Mit dem sperrigen Gepäck macht es gleich doppelt soviel Spaß.

Einer will einsteigen und wird vom Fahrer entschieden zurückgewiesen.
„Was soll das denn jetzt??“, fragt er sauer.
„Nee, Sie können noch nicht einsteigen. Ich muss noch ne Runde fahren und komm` nachher wieder vorbei.“
„Wie bitte ?? - Das ist ja wohl ne Unverschämtheit. Ich werd` mich beschweren!“

„Wann, bitteschön, wäre denn nachher?“, meint ein Anderer ironisch.
Verlegen guckt der Fahrer auf seine Armbanduhr:
„So in etwa zwanzig Minuten!“
Er sieht die wütenden Blicke ringsum, schließt schnell die Türen und zischt von dannen. Wir Möchtegern-Reisenden schimpfen uns die Seele aus dem Leib. Nur bringt es nichts.

Ich sehe bereits meine Reisefelle schwimmen: Ade Flug, ade Berlin!
„Nein, reiß` dich zusammen. Du bist extra frühzeitig los gezogen. Dir entwischt das Flugzeug nicht, musst ja erst um 11. 45 Uhr eingecheckt haben.“
Schnell rechne ich nach:
´Von uns aus bis Benrath waren es 6 Minuten Fahrt, nun fünfzehn Minuten Wartezeit auf den Bus und nochmals zwanzig. Hm ... - Mensch, nee, normalerweise wäre ich danach längst am Hbf!`
Ich hab` ja keine Ausweichmöglichkeit und stehe mir brav, inzwischen klatschnass und frierend, die Beine in den Bauch.

Gottlob vergehen auch zwanzig Minuten und der Bus erscheint sogar pünktlich. In flotter Fahrt geht es zum Bahnhof. Dennoch brauchen wir etwa 25 Minuten. Hastig greife ich mir meine Siebensachen, klemme den tropfenden Schirm unter den Arm und sehe zu, dass ich zum betreffenden Bahnsteig komme. Eigentlich hätte ich gedacht, dass die S7 dort bereits sehnsüchtig auf ihre schwer bepackte Fracht warten würde, aber ... wie gesagt: Das Denken sollte man manchmal ...

Mittlerweile regt sich in meiner Magengegend zunehmend stärker ein komisches Gefühl, denn es ist bereits 10.35 Uhr. Um 12. 35 Uhr geht mein Flug.
„Mensch, nun komm` endlich!“
Mir ist es dabei piepegal, dass diese Anrede wohl nicht so ganz passend ist.

Die Deutsche Bahn liebt ja ihre Reisenden. Allerdings wohl nur ein kleines bisschen, denn auch die S7 lässt sich enorm viieel Zeit. Wieder vergeht eine Viertelstunde, bis sie endlich eintrudelt.
„10.50 Uhr! Au weia, es wird eng!“
Wenigstens sitze ich nun, aber es tut sich nichts. Die Bahn steht und steht dort und macht keinerlei Anstalten, den Flughafen anzusteuern.

„Himmel, das gibt ne Katastrophe. Die ganze Hetzerei umsonst!“
Ich versuche, die Bahnsteiguhr per Hypnose anzuhalten. Leider muss ich mir zugeben, dass ich die diesbezüglichen Fernsehberichte nicht konzentriert genug verfolgt habe. Ungerührt ob meiner inneren Not läuft der Minutenzeiger seine Runde.

„Haben Sie eine Ahnung, wann die Bahn endlich abfährt?“
Ein bedauerndes Kopfschütteln ringsum. Nach mir endlos erscheinenden weiteren zehn Minuten wird es sogar der S7 am Bahnsteig zu langweilig. Ruckend setzt sie sich in Bewegung.
„Schon 11. 00 Uhr!“

Ich schwitze und friere gleichzeitig. Die Fahrt dauert eine gute Viertelstunde. Es ist 11.17 Uhr, als wir am Flughafen ankommen. Meine Nerven flattern. Wiederum den Schirm unterm Arm und in der anderen Hand den Koffer, haste ich zur Rolltreppe, den langen Gang entlang, meistere noch eine Rolltreppenfahrt und entdecke nach kurzer Suche endlich die Schalter meiner Fluggesellschaft.

„Geschafft!“, atme ich auf und mein Puls normalisiert sich.
Da kommt eine Lautsprecherdurchsage:
„Achtung, Achtung, an alle Passagiere des Fluges XY nach Berlin: Die Maschine wird voraussichtlich eine Stunde später eintreffen ...“

Ich bin  schwer saauuer!!!

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