Wandern in der Gruppe

Tagebuch zum Thema Kampf

von  ViolaKunterbunt

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Die Ärztin hat mich zu Anfang schon gefragt, in welcher Gruppe ich mir denn zutrauen würde, mitzulaufen. Es gibt da den Lauftreff, an dem alle recht sportlichen Leute im Verband durch die Natur hetzen, bergauf, bergab.
Erwin grinst und gibt mir deutlich zu verstehen, dass das ja wohl für uns nicht in Frage kommt. Er schaltet mir Bilder ins Hirn, bei denen ich mich keuchend zusammenbrechen sehe, und ich muss ihm zustimmen. Von diesem Konditionsstand bin ich wohl noch meilenweit entfernt.
Dann gibt es da noch die Aktivierungsgruppe, über die mir die Ärztin berichtet, dass diese von der Stationsschwester geleitet und es sich dabei lediglich um ein langsames Spazieren handeln würde.
Da ich mich kooperativ zeigen und nicht schon wieder gut gemeinte Angebote ablehnen will, stimme ich zu.
Erwin stöhnt merklich auf.

Mittwochmorgen, 8 Uhr 15, es geht los.
Schon bei genauerem Betrachten der Teilnehmer fällt mir auf, dass es sich hier keinesfalls um Gehbehinderte und Asthmakranke handelt, sondern alle einen recht fitten und aktiven Eindruck machen. Innerlich verbünde ich mich schon mit Erwin und ahne Schreckliches.
Mit der Stationsschwester als Tonangebende laufen wir los.
Und wie ich es schon befürchtet hatte, teilt sich die Gruppe schon nach kürzester Zeit in zwei Parteien: Die anderen und ich.
Nun gut, die Oberschwester bleibt, zusammen mit einer anderen Frau auf meiner Höhe, obwohl sie sicherlich locker mit den Schnelleren Schritt halten würde. Es ist aber nicht so, dass mir das nun wirklich eine Hilfe wäre, denn schließlich kann ich denen keine Kopfhörer auf die Ohren setzen, damit sie mein Keuchen nicht hören. Unterhalten wollen sie sich auch noch. Und ich kriege doch gerade noch genug Luft, um mich fortzubewegen.
Frau Oberschwester meint, dass die Leute ja heute ein Tempo vorlegen wie beim Lauftreff gestern morgen, ohne die anderen allerdings zum Warten aufzufordern.
Nur um das mal zu sagen: diesen Weg war ich in den letzten Tagen schon mehrfach gegangen. Aber immer alleine. Und in meinem Tempo. Ich war schon richtig stolz auf mich gewesen, dass ich das nun schon alles konnte.
Doch hier wird mein gerade gestärktes Selbstbewusstsein in den steinigen Waldboden getreten.
Erwin jault nur noch und ich sehe keinen Grund mehr, ihm hier zu widersprechen. Ich nehme alle Kraft zusammen und teile der Schwester mit, dass ich hier und jetzt und sofort abbrechen und umkehren werde.
Yepp!  Den Rückweg absolviere ich frohgemut, in der Gewissheit, dass ich grade gut auf mich geachtet habe, - wenn auch etwas zu spät.  – Besser spät als gar nicht.


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Kommentare zu diesem Text


 Martina (11.03.08)
Also ich lese deinen Kampf sehr gern....vorallem weil dabei nie die nötige Portion Humor fehlt :0) Lg Tina

 IngeWrobel (11.03.08)
Ich weiß genau, warum ich mich solchen Aktionsgruppen nicht anschließe: mein zerbröseltes Selbstwertgefühl kann hinterher nur durch einen kräftigen Kalorienschub - und auch nur teilweise - repariert werden. Wie sagt doch Susan Powter: modifizieren! modifizieren! ...... das kann frau eben nicht in einer Gruppe. (*heul*)
Solidarisches Grüßle!
orsoy (56)
(11.03.08)
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Ceno (62)
(11.03.08)
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