Ostermorgen

Tagebuch zum Thema Erinnerung

von  tulpenrot

Illustration zum Text
Ostermorgen in Bedoin
(von tulpenrot)
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Ostermorgen in Bedoin (von mir)
(von tulpenrot)
Auf einem Hügel, einem ehemaligen Friedhof oberhalb der Kirche sammelten wir uns, die wir alle zu demselben Malkurs gehörten. Nie hätte ich gedacht, dass sie alle dabei sein wollten. Und der uns predigte, passte wie kein anderer hierher in diese provencalische Gegend. Knochig und hager stand er immer vor seiner Staffelei mitten in den Weingärten. Das linke Bein zum Schritt nach vorn gestellt, den Oberkörper gebeugt so arbeitete er mit flinkem Pinsel und rührte die Farben aus seiner Palette. Selbst die rötlich blonden Haare und sein Bart glichen seinem großen Vorbild. Wir sahen in ihm den Maler Vincent van Gogh.

Doch heute war Ostermorgen. Er war, wenn er nicht malte, Pfarrer und hatte sich für uns eine einfache Liturgie zurecht gelegt.
Wir sangen bekannte Kirchenlieder, hörten auf seine Gebetstexte und seine kurze Ansprache. Und während wir da standen oder hockten oder an den verwitterten Grabsteinen lehnten, öffnete sich das Grab unserer Trostlosigkeit und neue Hoffnung stieg auf. Wir nahmen sie mit, während wir still ins Dorf zurückkehrten.
Wir hatten schon gefrühstückt und ließen die anderen allein, die nun Zigarrette rauchend dem nächsten Cafe zustrebten.

Unser Platz war unter einer der vielen Platanen, die die Straße säumten. In deren Schatten saßen wir den ganzen Vormittag auf unseren Klappstühlchen, ließen uns von dem Dorfleben mitreißen und versuchten mit unseren Wasserfarben das Licht und die Atmosphäre einzufangen.

Ein älterer Mann musste uns schon länger von der anderen Straßenseite aus beobachtet haben. Denn er kam unvermutet mit einer Flasche Wasser zu uns und bot sie uns an. Nein, nicht zum Trinken, sondern um unsere Wasserbecher zum Aquarellieren damit zu füllen. Schade, dass wir kaum Französisch sprachen, erst recht nicht den provencalischen Dialekt dieses Ortes. Lachend gestikulierend bedankten wir uns, brachten noch ein leises "Merci" heraus  und malten unter den wohlgefällig schauenden Augen unseres französischen Freundes weiter.

Zwei sehr unterschiedliche Bilder sind entstanden - das eine kräftig und zupackend, das andere  zaghaft und verhalten, aber beide voller Licht. Ich mag sie beide, eines wie das andere gerne. Eine besondere Erinnerung an dieses Ostern, als wir damals neben einander saßen.

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Kommentare zu diesem Text

Nunny (73)
(26.03.08)
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 tulpenrot meinte dazu am 26.03.08:
Liebe Gisela,

die Bilder sind zu besichtigen - jetzt und immer und bestimmt dann nächstes Jahr, wenn ich eine Ausstellung im Frühjahr machen werde. (Ob ich das zaghafte ausstellen werde, ist ungewiss. Denn das war ja meines. )
Aber ich hatte während des Schreibens überlegt, ob ich zu einer Bildbeschreibung übergehen sollte, fand es aber zu langatmig. Was meinst du?

Danke dir für deine Empfehlung!
LG
Angelika
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