Kettenkarussell

Gedichtgedicht zum Thema Abenteuer

von  Isaban

Dich umschlingt das feste Band
aus Gewohnheit und Gewohntem,
aus Tabus und Unbetontem,

doch wenn die Gedanken ranken
spürst du viel zu schnell die Schranken,
merkst du, wie die Kordel spannt.

Wünsche streifen, taumeln, schleichen,
tauchen in versagtes Land,
reiben sich an Unbekannt,
bis sie alter Feigheit weichen.

Wäre da nicht träges Schweigen,
liefe Furcht nicht Hand in Hand
mit Das-darf-ich-nicht-Verstand,
stürztest du dich in den Reigen.

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Kommentare zu diesem Text

Caryptoroth (37)
(05.04.08)
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 Isaban meinte dazu am 06.04.08:
Unsere Gesellschaft und auch jede Menge Marke Eigenbau, nicht wahr?
Hab vielen dank für deine Rückmeldung und dein Lob, Caryptoroth.
Ich freue mich, dass meine Verse dich ansprechen konnten.

Liebe Grüße,
Sabine

 GillSans (05.04.08)
ein stimmiges Isaban-Gedicht, das ich gern gelesen habe, weil es sehr in die Tiefe geht und man es öfters lesen sollte, um zu verstehen.
Die Gill

 Isaban antwortete darauf am 06.04.08:
Danke, liebe Gill. Ich freue mich sehr, dass du dich so in den Text graben magst.
Herzliche Grüße,
Sabine
Nicola (80)
(05.04.08)
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 Isaban schrieb daraufhin am 06.04.08:
Ich freue mich sehr über deine Rückmeldung, Nicola. Hab vielen Dank für deine Auseinandersetzung mit meinem Text. Was kann sich ein Autor mehr wünschen, als dass sein Text zum Grübeln und Nachdenken anregt?

Liebe Grüße,
Sabine

 tulpenrot (05.04.08)
Abgesehen vom Inhalt - mich interessiert die Form, die du da gewählt hast. Hat die einen Namen? Die Dreizeiler am Anfang, die Vierzeiler am Ende - wie ein umgekehrtes Sonett. Zum anderen könnte man auch jede der beiden Gruppen für sich alleine lesen - die umgreifenden Reime halten es gut zusammen. Es liest sich wie "Variationen zu einem Thema", was keinesfalls eine Kritik sein soll!

LG
Angelika

 Isaban äußerte darauf am 06.04.08:
Liebe Angelika,
ich gebe nur ungern Interpretationen für meine eigenen Texte ab. Hier will ich es aufgrund deiner expliziten Frage, kurz umrissen, einmal tun, um darzustellen, was ich in dieser Gedichtform sehe und warum ich sie wählte, um gerade diesen Inhalt zu verpacken.

Die von mir gewählte Gedichtform nennt sich Sonett travers, also verkehrtes/umgekehrtes Sonett. Dieses hier habe ich im Trochäus und nur vier - statt fünfhebig geschrieben. Beim Sonett travers stehen die Terzette vor den Quartetten, das Pferd wird also von anderen Ende aufgezäumt, inhaltlich wie auch von der Form her.

Kurz zum Inhalt:

Der Titel deutet schon den Kreislauf an, die Selbsttäuschung und auch, wie leicht es im Prinzip wäre, das "Fahrgeschäft" hinter sich zu lassen, wenn man sich einmal zum Aussteigen entschlösse.
Kordel, Schranken u.s.w. bilden in einem Kettenkarussell die Sicherheitsgurte. Man kauft sich ein Ticket, steigt ein und zahlt eigentlich für das Gefühl, man könne fliegen.
Man glaubt sogar irgendwo dran, hebt ein bissl ab, aber der Bauchgurt presst dich in den Sitz, macht dich unbeweglich, viel unbeweglicher als vorher, fliehen oder aussteigen erscheinen unmöglich und ebenso wenig kannst du wirklich aufsteigen, nur im Kreis fahren und so tun als würdest du fliegen - bis du kotzt.
Die Ketten geben den Radius an, der Sicherheitsgurt erdet dich und verhindert, dass du aus dem Kreislauf, dem Karussell aussteigen, ausbrechen und dich wirklich frei fühlen kannst.
Man schwingt sich in die Luft und bildet sich ein, man währe fähig zu fliegen, dabei reißt es einem nur die Beine weg. Hier findest du das Bizarre, den Bezug zum "travers", den Grund, warum ein Sonett travers mir so geeignet schien, diese Gedankengänge zu verbildlichen.

Zur Form:

Kettenkarussell


Dich umschlingt das feste Band
aus Gewohnheit und Gewohntem,
aus Tabus und Unbetontem,

doch wenn die Gedanken ranken
spürst du viel zu schnell die Schranken,
merkst du, wie die Kordel spannt.

Wünsche streifen, taumeln, schleichen,
tauchen in versagtes Land,
reiben sich an Unbekannt,
bis sie alter Feigheit weichen.

Wäre da nicht träges Schweigen,
liefe Furcht nicht Hand in Hand
mit Das-darf-ich-nicht-Verstand,
stürztest du dich in den Reigen.


Die männlichen, harten Kadenzen in den Terzetten umklammern wie zwei Arme die weiblichen Kadenzen, fügen diese beiden Strophen zu einem ganz eigenen Gedicht zusammen, zum eigenen Blickwinkel, der Antithese, wenn man von den "normalen" Sonettregeln ausgeht. Die Conclusio wird also vorausgenommen, die nachfolgenden Quartette, also die eigentliche These wird wie eine Erklärung zu bestehenden Tatsachen nachgestellt.
In diesem Falle in vierhebigen Versen, um eine "Sonetthebung" gekürzt, um das Einengende, das Beschneidende zu betonen, wobei in den Quartetten die weichen, weiblichen Kadenzen die "Haut", die äußere Schicht der Klammerreime bilden, um das Sehnen, das Ausschleichen, das nach außen Gerichtete des LIs zu unterstreichen, ebenso, wie V12 das (Hand in Hand) feste Gefüge und V13 bildlich die Kettenglieder veranschaulichen soll, die für die Beschränkung sorgen.

Hab vielen Dank für deine Rückmeldung und deine Auseinandersetzung mit meinem Text. Ich freue mich sehr, dass ich mit diesem Gedicht das Interesse an dieser Gedichtform wecken konnte.

Liebe Grüße,
Sabine
(Antwort korrigiert am 06.04.2008)

 tulpenrot ergänzte dazu am 06.04.08:
Liebe Sabine,
den Inhalt hatte ich schon verstanden - aber nun bin ich um einige Informationen reicher - und bin sehr froh, dass du so ausführlich geantwortet hast. Recht herzlichen Dank dafür.
Angelika

 AZU20 (05.04.08)
Ja, Sabine, du hast sicher Recht. Aber so ein "Abenteurer" wie ich streift die Ketten ab und wartet ab, was passiert. es lohnt sich, das Nicht-dürfen auszuschalten und bei rot über die Ampel zu fahren. In Nizza hat es besonders viel Spass gemacht. LG zum Wochende

 Isaban meinte dazu am 06.04.08:
Huah, Armin, deine Antwort ist ja fast P18!
Hab vielen Dank für deine Rückmeldung.

Liebe Grüße,
Sabine
orsoy (56)
(05.04.08)
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 Isaban meinte dazu am 06.04.08:
Es muss an unserem Alter liegen Konni.
Hab Dank, du Liebe, für deine Rückmeldung und dein Lob.
Liebe Grüße,
Sabine
Mitternachtslöwe (27)
(06.04.08)
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 Isaban meinte dazu am 06.04.08:
Du hast Recht, Frank,
Themen wie Liebe, Liebesleid, Depression, Weltschmerz, Wetter und Jahreszeiten u.s.w sind auf jeden Fall innovativer. Danke für deine Rückmeldung und deinen engagiertes Geschmacksurteil. Es ist immer wieder spannend zu erfahren, welche Lesergruppen mit welchen Themen etwas anfangen können und welche nicht. Vielleicht treffe ich ja früher oder später mal wieder ein Thema, das dich ansprechen kann.

LG, Sabine
(Antwort korrigiert am 06.04.2008)
Morgensonne (52)
(06.04.08)
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 Isaban meinte dazu am 06.04.08:
Warum wundert mich diese Rückmeldung bloß nicht?

Beste Grüße,
Sabine
janna (60) meinte dazu am 06.04.08:
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artemidor (58) meinte dazu am 07.04.08:
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janna (60)
(06.04.08)
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 Isaban meinte dazu am 22.04.08:
Vielen Dank, liebe Janna, für deine Rückmeldung und das reflektierende Lesen.
Ich freue mich, dass meine Zeilen nicht ganz profan an dir vorbei gestrichen sind. (Vielleicht ist da ja bei der Bewertung jemandem das eifrig erhobene Zeigefingerchen ausgerutscht. )

Viele liebe Grüße,
Sabine
Gini (57)
(06.04.08)
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 Isaban meinte dazu am 22.04.08:
Hab vielen Dank, liebe Gini, deine Rückmeldung und Beurteilung meiner Zeilen freut mich sehr.
Liebe Grüße,
Sabine

 Erebus (07.04.08)
Liebe Sabine,

den Titel finde ich ganz ausgezeichnet!
Das Reimschema der Terzette in sofern ungewohnt, als der Reim A eine sehr weite Brücke spannen muss. Aber es gelingt.
Die Reime selbst sind nichts ungewohntes, auch der Inhalt nicht, es ist gut geschrieben, aber nicht so, dass es mich -abgesehen vom Titel- besonders ansprechen würde.
Hier geht die formale und sprachliche Lösung sozusagen mit dem Inhalt Hand in Hand. Daran ändert auch die Wahl des verkehrten Sonettes nichts, das nur in Anklängen antithetisch agiert - das ist natürlich nur eine Meinung.
Dennoch mit Verve, insbesondere durch die Kürze der Verse, inszeniert.
LG
Uli

 Isaban meinte dazu am 22.04.08:
Wenn dir die Antithese nicht ins Auge sticht, lieber Uli, muss ich ja wohl etwas falsch gemacht haben. Vielen Dank, für dein reflektierendes Lesen und diese Rückmeldung.

Liebe Grüße,
Sabine
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