Wilde Zeiten

Erzählung zum Thema Freiheit/ Unfreiheit

von  Omnahmashivaya

Semesteranfang = Frischlingszeit. Wenn man schon ein paar Semesterchen auf dem Buckel hat, dann checkt man schnell und hat ein wenig Durchblick. Dahinten das Grüppchen, mit den Köpfen zwischen den Schultern und den verstohlen, ängstlichen Blicken und den krampfhaft festgehaltenen Kippen, das müssen Erstis sein. Es gibt sie in männlich und weiblich und in allen Altersgruppen. Doch Eines haben sie gemeinsam: Sie fangen gerade erst an und irgendwann, vor vielen Jahren, war ich auch mal Eine von ihnen.
Ich bin schon etwas spät dran, kaufe mir noch ein Brötchen und ne Coca und gehe dann ins Seminar. Verwaltung udn Organisation. Einen Grundschein, den ich mir bis heute aufbewahrt habe ...
Hinten am Fenster ist noch ein Platz frei neben einem jungen Mann, vielleicht mein Alter oder etwas jünger. Ich finde ihn sehr anziehend, also sitze ich, eh ich mich verseh', direkt neben ihm und grinse ihn frech von der Seite an: "Na, bist du ein Ersti?" Mit großen blauen Augen guckt mich Schnucki an und antwortet leise und schüchtern: "Ja". Nach einem Smalltalk habe ich ihn soweit, dass er seine Emailadresse rausrückt, damit ich ihm - so war mein Vorwand - Infomaterial und alte Hausarbeiten zuschicken kann, falls er mal Rat oder (Nach)hilfe braucht. Dass es mir um ganz andere Dinge geht, kann der Frischling ja nicht ahnen. Egal wie er in Sachen Sex und Frauen bewandelt ist - gerade erst mit dem Studium angefangen ist man von den neuen Eindrücken, der Reizüberflutung und den Informationen derartig erschlagen, dass man nicht die Bohne rallt. Während des Seminares werden emsig Zettelchen umhergeschoben, wie damals, in der Sechs. Ich erfahre, dass er zwei Jahre älter als ich ist, in seiner Freizeit musiziert (ohhhh nein, nicht schon wieder ein Musiker) und aus Bergisch-Gladbach kommt. Goldie heißt Karsten. Ich sauge mich noch eine Weile mit einem Seitenblick an ihm fest, ziehe ihn ein paar Mal aus und an mit meinen Augen und haue dann - pünktlich zur Pause - ab.
Vollgepackt mit Elan, frischen Gedanken und einem Zettel mit einer abgeluchsten Emailadresse in der Hand. So muss das gehen! Alles weitere (er)klärt sich von selbst. Man wird sich künftig im Seminar und in der Pause sehen, grüßen, ein paar Worte wechseln. Sich irgendwann gegenseitig auf eine Party schlören und dann arschvoll zusammen im Bett landen oder eben ficken.
Ich erinnere mich an meine Erstizeit. Meine Güte, wie lange das schon her ist. Das war auch ein Gaudi. Wenn ich wollte und könnte, würde ich sofort wieder anfangen. Ich denke, das Studium war so die beste Zeit meines Lebens. Nicht unbedingt die wildeste, wenn auch sehr wild, aber eben die Beste. Und diese Zeit möchte ich nicht missen. Und damit Ihr auch etwas davon habt, werde ich euch nun hin und wieder davon erzählen.

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Kommentare zu diesem Text

elvis1951 (59)
(10.04.08)
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Graeculus (69)
(04.01.18)
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