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Kurzgedicht

von  Erebus

Das zarte Wort blieb ungesagt,
am brachen Ort, im Ufergras.
Man ahnte Nordwind, unbehagt,
als habe dort im Blut etwas,
samtschwarz, bedrohlich Fuß gefasst.
Trag an des Fortschritts dunkler Last.

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Kommentare zu diesem Text


 Isaban (30.04.08)
Lieber Ulrich,

ein bracher Ort? Brachland, unbearbeitetes, unbeackertes, karges, unfruchtbares Land am Fluss oder am Meer? Hm. So richtig gefällt mir dieses Adjektiv dort nicht.
Das verallgemeinernde "man" (allso die Allgemeinheit) ahnte Nordwind, unbehagt. Passt hier so eine Verallgemeinerung, wenn dann sofort vom Samtschwarzen im Blut die Rede ist?
Noch ein Hm. Ein "unbehaglich" oder "mit Unbehagen" wäre dort in V3 vermutlich eingängiger, wenn auch metrisch und reimtechnisch aus dem Takt.
V4, "etwas" wird auf der ersten Silbe betont. Hier stimmt also die Metrik innerhalb des Verses (+ Kadenz) nicht.
Und warum dieses "trag" im letzten Vers? Warum einzig V6 im Präsens + diese Elision der letzten Silbe des Verbes?
"Des Fortschritts dunkle Last" interpretiere ich mal für mich als Verbrechen, Verbrechen aus Leidenschaft, weil das zarte Wort nicht kam. Oder aber jemand gestand seine Liebe, bekam anstatt einer liebevollen Antwort einen Korb und gibt nun dem Ort des Geschehens die (Teil-)Schuld.
Nur irritiert mich bei dieser Auslegung das "man" , denn bei zarten Worten und auch bei Mord aus Leidenschaft würden vermutlich nur zwei Personen anwesend sein und dieses Unbehagliche spüren, die dunklen Schwingungen, die über einem unguten Ort liegen, und die dunkle Last des Fortschritts tragen, was auch immer dieser Fortschritt sein mag.

Liebe Grüße,
Sabine
(Kommentar korrigiert am 30.04.2008)

 Erebus meinte dazu am 30.04.08:
Liebe Sabine,

sicherlich hast du mit deinen Einwänden vollkommen Recht.
Die Sprache tut sich in diesem Text recht schwer, ist zurechtgebogen und verstümmelt.
Dennoch glaube ich eine durchgehende Stimmung, und damit auch einen Rest Stimmigkeit erzeugt zu haben.

Brach als Adjektiv? Geht nicht; im Adverbialen "etwas liegt brach" gibt es das, ich spielte hier mit der Reminiszens an Bruchland, Bruchwald am Fluß, das war mein Bild, durch den Vokal zum Brachland gemacht.
Ufer, die man normalerweise nur vom Fluß aus sieht, verwüstet durch Überschwemmungen, verholzt, urwüchsig, trostlos und morastig - als Ort der Liebe - das hat mich gereizt. Nicht weil das zu meinen Vorlieben gehört, sondern weil es so bedeutungsschwanger erscheint

Auch das "unbehagt" ist ein Unding, das weiß ich wohl.
"Man" - das funktionierte solange, bis ich deinen Einwand las, es ist vielleicht zu verallgemeinernd.
Die verschobene Hebung im "etwas" bestreite ich allerdings aufgrund meines erworbenen metrischen Wissens. Das klingt zwar in die angegebene Richtung, ist aber in der deutschen Sprache nicht möglich, die den Spondeus nicht zulässt. Korrekt betont wäre man mit "im Blut etwas" xXxx also mit einen fehlenden Hebung näher dran. Ich hatte da ursprünglich formuliert: "im Blute was" - zu umgangssprachlich, heisst es dann.

Nun gut, der langen Rede kurzer Sinn:
Ich klopfe mir dennoch auf die Schulter, denn ich habe noch nie mit einem derart engen Korsett etwas erzeugt, das dennoch Klang hat und insgesamt, bei aller Verhunzung doch noch stimmig ist. In der Tat ist es die Beschreibung um eine brach liegende Liebe, berührt, mag sein, gestreift, aber nicht eingestanden, nicht bewahrheitet. Hm, das war meine Vorstellung dazu.

Verwoben, Ok, schau mal links, deshalb die strenge Wortbindung, dazu das Reimschema, und der Umstand, das alles mit der ganzzeiligen Assonanz "a a e o i u e a" gestrickt ist, ließ mir kaum Spielraum.
Deshalb lese ich etwas Positives für mich aus deiner Kritik, die dem Text doch noch Berechtigung lässt und danke dir herzlich, dass du ihn kommentiert hast.

Liebe Grüße
Uli
(Antwort korrigiert am 30.04.2008)

 Isaban antwortete darauf am 30.04.08:
Lieber Uli,

du hast gewiss die Stimmung recht anschaulich herüber gebracht, aber durch die strikte Einhaltung der zu kompliziert konzipierten Form wurde an einigen Stellen der Sprache Gewalt angetan. Da kommt es wohl ein bisschen drauf an, wo man seine Prioritäten setzt. Wenn ich ehrlich bin, beeindruckt mich ein Akrostichon nur dann, wenn es perfekt in den normalen, fließenden Sprachgebrauch eingebaut ist. Hier scheint es so, dass durch die strenge Formgebung Sprachgebrauch und Inhalt ein wenig gelitten haben. In meinen Augen ist es eine etwas ehrgeizige, nette, verspielte, sprachliche Tüftelei, die nicht 100%ig gelungen erscheint. Nicht etwa, dass der Text "kacke" ist, nein. Aber er hat halt sichtliche Mängel, die man aber eventuell durch Überarbeitung noch beheben könnte. Das Stimmungsbild an sich ist gut.

Das "Trag" im letzten Vers dürfte ja dann ein Imerpativ (mit abgehacktem e) sein, direkte Rede. Wem gilt es und warum bleibst du nicht in der Vergangenheitsform oder setzt alles in die Gegenwart?

Schau mal in den Duden, Betonung liegt bei diesem Wort (etwas) definitiv auf der ersten Silbe. Daher hakelt dort auch die Satzmelodie.
"Im Blut etwas" würde ich so ixen: x X Xx . Zwei betonte Silben nacheinander bedeuten Missklang, wenn man einen Text laut liest.
Hier liegt meiner Meinung nach ein Metrikfehler vor.

Selbst bei der von dir angeregten Betonung stimmte die Metrik nicht, denn selbst dann steht dort eine männliche Kadenz an unbetonter Stelle, was immer eine unschöne Dissonanz im Sprachfluss bewirkt.

Liebe Grüße,
Sabine

 Erebus schrieb daraufhin am 04.05.08:
Liebe Sabine,

ich sehe - das schrieb ich bereits - was du meinst, aber ich sehe es nicht mit dem absoluten Anspruch, denn ich spreche die Verse in für mich akzeptabler Weise.
Deshalb lasse ich das Ganze auch so stehen. Das die Form zu kompliziert sei sehe ich nicht, sie mag andere nicht reizen, ich hingegen finde es sehr interessant, einen vokalen Gleichklang in allen Versen zu benutzen, ohne dass es in irgendeiner Weise aufdringlich wirkt. Ging es mir doch darum zu erkennen, ob die darin liegende Melodie genug Kraft besitzt, ein Gedicht zu tragen, es mit Klang zu füllen.

Urteile bitte nicht zu streng, sonst sehe ich mich am Ende dazu veranlasst, solche Experimente zu unterlassen, was im Grunde schade ist. Denn ich bin eben leicht zu beeinflussen und gehe oftmals den Weg, den mir ein Kritiker vorschlägt.

Herzlichen Dank und lieber Gruß
Uli
Spurensucher (44)
(01.05.08)
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 Erebus äußerte darauf am 04.05.08:
Hallo Petra,

wie gut für meine Experimentierfreudigkeit, dass du das seidenweiche Schmiegen aus der Versmelodie heraushören kannst.
Denn so sehe ich auch für diese Zeilen Berechtigung. Ich vergesse immer wieder, dass es vielerlei Arten zu lesen und zu hören gibt und versuche in der Vielzahl der Möglichkeiten die eine als die ausschließlich richtige festzustellen. Was natürlich Kappes ist.

So kann ich mich sehr über deinen Kommentar freuen
Ich bedanke mich sehr und grüße dich
Uli

 Traumreisende (04.05.08)
lieber uli
nun hast du es selbst gesprochen und somit deutlichgezeigt, wie variabel das etwas sein kann. ich wollte es eigentlich auch sprechen, aber du weißt mein PC und ich brauchten eine auszeit, die dummerweise von dem computer verschrieben wurde

ich gebe zu, ich war zu blind für den damast und auch deine feinarbeit mit den konsonanten. aber der klang ist immer etwas das mich fesselt und das bei mir vorrangigt steht.
und der ist hier wie schillernder damast.

lg silvi

 Erebus ergänzte dazu am 04.05.08:
Liebe Silvi,

wie gut, dass du meine etwas klägliche Hörversion bereits unter die Lupe nehmen konntest.
Ich habe riesige Schwierigkeiten damit gehabt, Lautstärke nd Rauschen in den Griff zu bekommen.
Ich muss wohl noch etliche Male probieren, bis ich die Technik weitr genug beherrsche, um mich auf das eigentliche Lesen konzentrieren zu können. Jetzt spielen zudem noch meine Erkältung und verschiedene gerauchte Zigaretten eine Rolle
Über eine von dir gesprochene Version würde ich mich riesig freuen, denn ich kann mir gerade zu diesem Text deine weiche, lebhafte Stimme als sehr verführerisch vorstellen.
Ich danke dir für deinen lieben Kommentar zum verwobenen Damast der Verse
Liebe Grüße
Uli
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