Kussfische

Gedicht zum Thema Augenblick

von  Isaban

Die Uhren sind mir umgestellt
auf Wellenschlag und Kreis in Kreis,
dein Puls ein Ozean der Zeit,
der Augenblick mein Horizont,
was dann kommt: die Unendlichkeit.
Lass mich in deinem Meer ertrinken.
In feinen Pixeln weicht die Welt,
löst sich in Nichtigkeit und fällt,
wenn wir uns kieselgleich versinken.

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Kommentare zu diesem Text


 Erebus (08.05.08)
Liebe Sabine,

zunächst einmal, das Gedicht gefällt mir, und wäre da nicht das reflexiv benutzte "versinken", würde ich es mit positivem Eindruck goutieren und fertig.

Warum versenkst du nun diesen sprachbiegenden Kiesel? Mir versinkt mein Boot, LWir versinken uns gegenseitig. So wäre das gemeint, interessant immerhin, hier wird nicht aktiv versenkt, man versinkt sich.

Bis ich das klar hatte ... das dauerte. Dafür vergebe ich deshalb keine Punkte, obwohl es mir in dieser Art inhaltlich besser gefällt als die unreflektierte Möglichkeit. Oder doch? Punkte? Weiß nicht.

Nicht richtig gefallen will mir die Unendlichkeit, mit der ich grade auch kämpfte, d.h. sie aus einem Text herauszulassen, sowie die Pixel, die erscheinen in deinem Text wie ein Wort von einem anderen Stern.
Womöglich hätten es auch die Tröpfchen getan, aber es ist nicht so, dass der Text deshalb an den Tropf müsste, nur ein leichtes "he?" war die Folge.

Pixel dienen ja zur Anzeige einer virtuellen Welt, sind deren einzige Erscheinungsmöglichkeit, und auch wenn das nebelfeine weich-werden und Auflösen der Welt in mir richtig suggeriert wird, ist ein Pixel immer gerade das Gegenteil von verschwinden. Und das finde ich interessant.

Reden wir nicht weiter von der Exklusivität der Reimwörter, das sollen andere besorgen, ich kann ihnen auf jeden Fall keinen Hinweis auf Kitsch entlocken, auch wenn ich mittlerweile weiß, dass mancher Reim ein ganz eindeutiges Indiz liefert:
Zeit - Horizont - Unendlichkeit - ertrinken - Welt - fällt- versinken - Ok, Ok

;-)

Die Bilder der umgestellten Uhr und der sich versinkenden Kiesel (nachdem ich lange genug darüber nachgedacht habe) finde ich schön

Lieber Gruß
Uli

 Isaban meinte dazu am 08.05.08:
*g* OK?

Wenn es aber gar keine Reimwörter zu Kreis und Horizont gibt, lieber Uli und die anderen Begriffe aufgeführt werden, um nicht etwa im vorhersehbaren Klischee verwendet zu werden, sondern um ihre Bedeutung in der oben angeführten neuen Zeitrechnung zu definieren?

Mir gefällt sehr, wie du dir meine Verse erschließt, lieber Uli, wie du dich auf deine eigene Weise den Pixeln näherst und ebenfalls, wie du dich misstrauisch und hinterfragend immer wieder an das "in uns versinken"anpirscht, bis es sich dir öffnet.

Hab herzlichen Dank für deine ausführliche und reflektierende Rückmeldung und die beispielhafte Annäherung an die etwas hermetischen Stellen.

Liebe Grüße,
Sabine

 AZU20 (08.05.08)
Ich kannte bisher nur Kugelfische, aber man lernt ja nie aus.
Die Pixel bringe ich mit der Nichtigkeit in Zusammenhang.
Das mit dem "sich versinken" wirft natürlich inhaltlich keine Rätsel auf, doch erscheint die auf den ersten Blick falsche grammatische Konstruktion auf den zweiten ambivalent und damit passend. Kiesel versenken sich durch ihr Gewicht gewissermaßen selbst und versinken dann eben. LG

 Isaban antwortete darauf am 08.05.08:
Du kannst ja mal unter "küssende Guramis" oder "Kussfisch" nachschauen, lieber Armin. Hierzulande sind es sehr beliebte Aquarienfische, gerade weil sie - auch ungeachtet ihrer Zuschauer - dieses faszinierende Verhalten so oft und mit so viel Begeisterung zeigen.

Pixel- ja, mit dem vagen Zerfallen zu zwar sichtbaren, aber nichtigen, beinahe unwirklichen Partikelchen.

Ich freue mich, dass du mir gedanklich auch in diesen "Kosmos" folgen mochtest, Armin. Danke für deine Rückmeldung.

Liebe Grüße,
Sabine

 Bergmann (08.05.08)
Mein Gott, liebe Sabine, du schreibst aber viele Sehnsuchtsgedichte!

 Isaban schrieb daraufhin am 08.05.08:
Ja, grauenhaft, gelle? Muss am Wonnemonat liegen, lieber Uli.
Aber bleiben wir doch ruhig bei den gewohnten Anreden.
Liebe Grüße,
Sabine

 Bergmann äußerte darauf am 09.05.08:
Liebe Sabine, ich schrieb nicht: Göttin! Wenn ich Gott anrufe, ist das immer monologisch.
Neinnein, deine Antwort überzeugt mich nicht. Du schreibst derlei Gedichte zu allen Jahreszeiten und überhaupt überwiegend.
Die Liebe ist die Mystik der Frauen.

 Isaban ergänzte dazu am 09.05.08:
Bedenkt man deine Selbstsicht, scheinst du, was die Frauen anbelangt, Optimist zu sein, lieber Uli.

Ich könnte ja jetzt all die männlichen Dichter anführen, die seit Jahrhunderten die Liebe in allen Facetten beschreiben und einer ähnlichen Mystik anheim gefallen scheinen - aber nein, das muss ich gar nicht, denn eigentlich ist das Thema Liebe in meinem Text ja Interpretationssache. Wenn man es genau nimmt, dann steht dort nichts dergleichen, es wird lediglich die Wahrnehmungsverschiebung bei einem Kuss beschrieben. Ob man nun Liebe und Sehnsucht, Triebe oder einfach einen berauschenden Augenblick hineininterpretiert, das ist eher eine subjektive Angelegenheit, die dem einzelnen Leser und seiner ganz persönlichen Auslegung überlassen bleibt, was mich zu der Frage bringt, ob Liebe - wenn schon nicht als "Gefühlssache" zwischen einzelnen Individuen betrachtet - nicht auch die Mystik der Männer sein könnte - die sie ja nun auch bekanntermaßen schon sehr, sehr lange und gründlich in Gedicht und Prosa thematisieren - oder interpretativ in Texte hineinlegen...

 Bergmann meinte dazu am 09.05.08:
Es ist, wie es ist, lassen wir es so stehen, was dein Gedicht betrifft.
Männer neigen in der Liebe eher zum Mythischen, Frauen zum Mystischen. Aber vielleicht ist in den jüngeren Generationen alles anders. Wenn ich an Charlotte Roche's 'Roman' "Feuchtgebiete" denke...

 Isaban meinte dazu am 09.05.08:
Du meinst also ernsthaft, dass Frauen eher dazu neigen, in der Liebe durch Hingabe und Versenkung zu persönlicher Vereinigung mit Gott (beziehungsweise ihrem Angebeteten) zu gelangen und Männer dazu, Lügengeschichten zu erzählen? Interessante Ansicht. :-D

Die vorgeschlagene Lektüre allerdings ist nicht so ganz mein Stil, vielleicht weil ich seit einigen Jährchen ein bisschen aus der Lebensphase heraus gewachsen bin, in der man unbedingt und um jeden Preis provozieren oder postpubertäre Provokation bewundern muss. Würde die Erzählung in jenem Buch ein klein wenig tiefer dringen als bis zur Betrachtung des Ringmuskels, seiner pathologischen Befunde und diverser mehr oder minder eitriger Körperausscheidungen in diversen Lebenslagen, könnte man sich eventuell Gedanken machen, ob da in irgendeiner Form von Liebe die Rede war. Meiner persönlichen Überzeugung nach ging es aber eher darum, von sich reden zu machen, was Frau Roche ja anscheinend auch geschafft hat. Für mich weder ein Beweis für Mythen, noch für Mystik.

 Bergmann meinte dazu am 09.05.08:
Natürlich, die Frau ist in der Liebe (allermeist) die Seelenvollere.
Die Erwähnung der "Feuchtgebiete" war in diesem Zusammenhang nicht so ernst gemeint, ich stimme dir weitgehend zu.

 Didi.Costaire (08.05.08)
Liebe Sabine,

wozu braucht man noch Uhren, wenn der Pulsschlag den Takt bestimmt, in dem man sich fallen lassen kann, ertrinken, schwimmen und zum Gurami werden. Pixel verwandeln sich zu großen Gefühlen.

Geradezu schwärmerische Inhalte hast du zu einem kleinen Kunstwerk verdichtet. Nicht ganz einfach zu erschließen, aber sehr schön!

Liebe Grüße
Dirk

 Isaban meinte dazu am 08.05.08:
Danke für dein Eintauchen in meinen Text, Dirk.

Liebe Grüße,
Sabine

 DanceWith1Life (08.05.08)
das Bild eines Wassertropfens, der im Ozean versinkt.
ich find's gelungen, die Kreise, die Mikroskopische Auflösung, Vermischung, dafür gibts eigentlich gar keine Worte, aus Sicht des Wassertropfens, diesmal nicht von außen, ja, du versuchst gerade dieses Erlebnis, Pixel, war sicherlich ein Kompromiss, aber verständlich, nachvollziehbar.
Kennst du diesen:
everyone knows the drop lives in the ocean
only very few know of the ocean inside the drop.
(Kommentar korrigiert am 08.05.2008)

 Isaban meinte dazu am 08.05.08:
Eine sehr schöne Interpretation, lieber Robert.
Und ja, nur ein paar wenige wissen um den Ozean, den ein winziger Tropfen beinhalten kann. Hab vielen Dank für deine Rückmeldung und dein Einfühlen in den Text.

Liebe Grüße,
Sabine

 knud_knudsen meinte dazu am 09.05.08:
liebe Sabine,
Dein Text erschließt sich mir eigentlich problemlos, aber im Einzelnen:

"Die Uhren sind mir umgestellt
auf Wellenschlag und Kreis in Kreis,"

Hier scheinst Du einen Eingriff in Deine normale Zeit zu beschreiben, so wie es Verliebte immer und zwar ohne Vorwarnung, trifft.

An die Stelle des normalen Zeitempfindens tritt die innige Gemeinsamkeit, die
"Zweierzeit" ,in die sich Dein lyr.I. fallen läßt.
Die Bilder lösen sich in ihre Pixel auf und dazu passen die Kiesel.
Probleme habe ich nur mit dem letzen Satz. Mein Vorschlag:
"wenn kieselgleich wir nun versinken"
Gern gelesen,
lG
Knud

 Isaban meinte dazu am 09.05.08:
Lieber Knud,
auch dir herzlichen Dank für deine reflektierende Rückmeldung und deine Gedankenanregung.

Das von dir vorgeschlagene "nun" würde LI und LD separieren, es impliziert nach meinem Empfinden, da würde jeder für sich fallen und sinken. Gewiss auch eine mögliche Auslegung, meine eigene Intention lag jedoch eher bei der Assoziation des "ineinander" als beim Untergang.

Liebe Grüße,
Sabine
(Antwort korrigiert am 09.05.2008)
mmazzurro (56)
(14.05.08)
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Fisch (55)
(21.05.20)
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buchtstabenphysik (25)
(21.05.20)
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 blauefrau (21.05.20)
Ich versuche schon seit 2 Jahren ein Gedicht zu einer Sonnenuhr zu schreiben. Der Impuls, Zeit mit Meer zu verknüpfen, könnte mich weiterbringen. LG blauefrau

Kommentar geändert am 21.05.2020 um 15:43 Uhr
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