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Kurzgeschichte zum Thema Verlassenheit

von  RainerMScholz

Salz wie Tränen. Von der offenen See her. Der Wind. Und die Fahrt ging über einsame Landstraßen unter den Dünen. Die weißen Hügel glitten riesigen Wellen gleich dahin, still und leblos. Schilfrohrhaine und zottige Grasnaben, die sich wie kleine verschreckte Tiere an den Boden kauerten, sind die Inseln in diesem Reich aus Sand und Wind.
Sie sprachen kein Wort, nachdem Sandra ihm einigermaßen verworren den Weg erklärt hatte. Sie fühlte sich eingeschüchtert von der fremden Präsenz. Aber sie versuchte tapfer diesen Gedanken zu verdrängen, war sie doch gleichermaßen beeindruckt von der Tiefe und Unermesslichkeit des Unbekannten, das sie in ihren Bann gezogen hatte, von dem Neuen, dem Fremdartigen. So etwas hatte sie noch nie getan, war stets vorsichtig gewesen, voller Bedacht und Umsicht. Etwas, dass sie erschauern ließ und vor Freude lächeln. Du schlimmes Mädchen! Unerhört!

Es war ein kleines, zweistöckiges Haus, das windschief an den befestigten Hang geduckt schien, hinter dem sich die öde karge verwehte Ebene bis zu den Rändern der schaumigen, grauen See erstreckte, zergliedert von scharfen sandigen Schnitten, die wie Messer das Land zerteilen, und verkratert von rauhem Geröll wie zerborsten. Die Fensterläden waren geschlossen und es war finstere Nacht, kein Laut drang aus den Ritzen, Erkern, Vorsprüngen, das Haus schwieg still, das Krachen der Zeit in den Balken war für den Moment verstummt. Die Scheinwerfer hatten das Dunkel für einen kurzen Moment aufgerissen, als sie in die schmale Einfahrt eingebogen und im Leerlauf in den Weiler hinabgerollt waren.
Sandra sah die Konturen seines Gesichts im Glimmen der Zigarette aufschimmern. Sie lehnte den Kopf an seine Schulter und hörte auf seine Atemzüge.
Sie liebten sich im Fond des Wagens, im nächtlichen Schatten, der wie ein Lauern ist. Linkisch stieg Sandra auf seinen Schoß und versuchte seinen erigierten Penis in ihre Scheide zu manövrieren. Seine Arme umfassten ihren leicht zitternden Körper und er zog sie energisch auf sich hinab. Sandra keuchte heftig. Im Haus ihrer Eltern war alles ruhig. Rhythmisch wie das Ticken eines Uhrwerks arbeitete Paul sein Fleisch in das ihre, vergrub sich in sie. Schweiß rann seine Achseln hinab, als Sandra sich tief über ihn beugte. Ihre Schenkel pressten sich zusammen. Es gab ein schmatzendes Geräusch, wenn sein Penis in sie drang.
Er kam kurz nach ihr. Er hievte den Körper der Frau zur Seite, rollte den Gummi ab und warf ihn aus dem Fenster.

"Werden wir uns wiedersehen?"
"Ja, wenn du möchtest."
"Sehr gerne."
Sie versuchte ihn zu küssen, doch Paul hatte sich eine Zigarette angezündet. Sandra streichelte seine Wange.
"Wann denn?"
"Nächstes Wochenende."
Er inhalierte tief.
"Nicht vorher?"
"Es geht nicht. Ich habe einen Auftrag für die gesamte Woche. Ich bin quasi ausgebucht, Sandra."
"Ach so."
Sie starrte in die dunkle Leere der Dünen. Der Wind zeichnete ewige Muster mit dem Sand in die Erde. Der Mond war untergegangen und die Sterne wurden von ziehenden Wolken versteckt. In dem nahen Wäldchen schrie eine aufgeschreckte Lerche und verstummte wieder.
Das Schilf wisperte unter einer Böe von See her.
"Ich gehe jetzt ins Haus, Paul. Mein Vater wird bald auf sein und ich möchte nicht - "
"Ist gut, Sandra."
Er umarmte sie, und Sandra wollte, dass dieser Augenblick nie vergehe, dass die Zeit stillstehe. Dann lösten sie sich voneinander.
"Ich freue mich auf Freitag."

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