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Kurzgeschichte zum Thema Verlassenheit

von  RainerMScholz

Paul strich angestrengt mit Daumen und Zeigefinger über die glänzenden schwarzen Augenbrauen, tippte die Asche von der Zigarette und nahm einen Schluck Rotwein. Er saß an der gleichen Stelle an der Theke im 'Zitronenfalter', dem Discoklub, in dem sie sich vor einer Woche kennengelernt hatten. Der glänzende, mit aufgeklebten Sternen übersäte Parkettboden war von Tanzenden in Beschlag genommen. Es war Wochenende. Was sollte man schon sonst tun als Tanzen und Trinken und die Welt vergessen. Die Maschinenmusik rauschte über die Menschenmenge hinweg, buntes Licht spülte die Konturen, Ecken und Kanten sauber.
Sandra passierte den Einlass und fand Paul am verabredeten Ort. Er lächelte. Seine Augen musterten das schulterfreie rote Kleid, das ihren Körper eng umschloss, so dass sie unsicher wurde. Sie bestellte etwas zu trinken, etwas Rotes und glitt auf den hohen Hocker neben dem seinen.
Sehr angeregt unterhielten sie sich über belanglose Dinge, plauderten über die vergangene Woche, dass sich beide das Wochenende herbeigesehnt, sich vermisst hätten. Dass es sieben Tage der Ungewissheit gewesen seien und vielleicht ein Trugschluss zu glauben, es könne ein Wiedersehen geben. Die Angst, abermals alleingelassen zu sein, einer Versprechung erlegen, die vielleicht voreilig gegeben wurde, vor der Zeit, unbedacht. Eine Lüge.
"Hast du mich vermisst?"
"Ja. Und du?"
"Ja, sehr. Nein, ich weiß nicht. Ein wenig schon."
"Nur ein wenig?"
"Naja, vielleicht ein wenig mehr."
Der Geräuschteppich der Musik deckte ihr Gespräch zu. Der Klub füllte sich allmählich. Manchmal kam Sandra sich alt vor unter diesen Menschen, die ihre Nächte so unbeschwert und frei genießen konnten, abschalteten vom Stress der Woche, den Trott vergaßen, hinter sich ließen, einfach wie auf Knopfdruck den Schizoschalter umlegen konnten - und heraus kommt ein Anderer. Doch nun war Sandra an der Reihe. Sie hatte Paul, und sie fühlte sich unbeschwert und glücklich, fern ihrer gewohnten Existenz, abseits der Schiene. Paul war Lebenselixier, das Licht am Ende des Tunnels. Die Art, wie er sie ansah, lächelte, um mit seiner ruhigen, sanften Stimme Dinge zu sagen, die so selbstverständlich in ihren Geist tropften, so klar und rein, ohne Falsch, ohne aufgesetztes Gehabe, einfach und wahr.

"Hey Sandra, du bist ja auch hier. Schön dich wiederzusehen 'mal wieder, Schnuckelchen. Wir haben uns ja die halbe Ewigkeit nicht gesehen."
Sandra tauchte abrupt aus ihren Gedanken auf. Maikel stand neben ihr, ziemlich dicht, und glotzte sie betrunken an, hielt sich dabei an ihrem Barhocker fest, grinste dümmlich.
"Maikel! Was -? Oh, hallo. Wie geht's? Du, das ist jetzt bestimmt kein guter Zeitpunkt, um -"
"Wie Zeitpunkt."
Er umschlang ihre Taille mit seiner freien Rechten.
"Komm schon, ein Küsschen auf die glorreiche Vergangenheit."
"Hey Junge, laß Sandra in Ruhe. Du hast doch gehört: Nicht deine Zeit.", wandte Paul sich an Maikel.
"Wer bist du denn?"
"Das ist Paul."
Sandra wandte sich schamerfüllt ab und entschuldigte sich für ihn.
"Er ist nur betrunken. Ist schon gut."
"'tschuldigung, Junge. Wußte nicht, dass du mit Begleitung da bist. Ich geh' dann wieder. Bis später, Schatz. Man sieht sich, Junge."
Sandra wischte mit dem Handrücken kurz über die Augen.
"Alles in Ordnung, Sandra?"
"Ja, ja. Es ist nur ein bisschen peinlich, sonst nichts. Weil - ach, ich weiß nicht. Wir waren 'mal befreundet. Schon länger her. Er ist betrunken und - "
"Willst du noch 'was trinken?"
"Ja gerne,", sie lachte kurz auf, "einen Daiquiri."
Paul orderte und sah dann über die Köpfe der Menge. Trockeneisnebel zischte zwischen den bunten Wirbeln hindurch, Arme und Beine zucken spasmodische Choreographien, Augen blitzen starr in das weiße Licht. Er sieht in die anthropomorphe Masse von Leibern, die sich unter rotglühenden Zangen zu winden scheint, der Hitze entgegenfiebert.

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Kommentare zu diesem Text

Data-LAB (37)
(17.05.08)
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 RainerMScholz meinte dazu am 20.05.08:
Das scheint mir nur ein Detail zu sein ohne weitere Bedeutung. Deswegen gibt`s auch weniger Wumms. Ohnehin müsste ich wahrscheinlich `mal einen Dialogschreibekurs besuchen, das stimmt wohl. Ich dachte hier an einen realistischen Effekt. Also eher so platt, wie Unterhaltungen normalerweise wirklich ablaufen (offensichtlich nur zwischen Leuten, die ich so kenne oder beobachte).
Grüße,
R.
Data-LAB (37) antwortete darauf am 20.05.08:
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 RainerMScholz schrieb daraufhin am 29.05.08:
Godard? Im Ernst? Zuviel der Ehre. Polanski?
Grüße,
R.
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