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Kurzgeschichte zum Thema Verlassenheit

von  RainerMScholz

In ihrem kleinen Büro im Institut versuchte Sandra eine Literaturliste für ein Kafka-Seminar zusammenzustellen, was eigentlich gar nicht ihre Aufgabe sein sollte. Aber Professor Doktor Klein hatte es wohl nicht mehr geschafft, oder Golf ging vor, - und so erledigte sie das eben. Zwar zählten "Die Verwandlung" und "Das Schloss" zu ihren Lieblingsstücken, doch ihre Gedanken schweiften immer wieder ab, hingen Paul nach, den sie so abgründig liebte, ohne wirklich den Grund dafür zu kennen. Er ist ein Wesen aus Fleisch und Blut, nur ein Mensch, ein Mann, doch was steckt hinter der Fassade, dem Lächeln, das mehr verbirgt, als preisgibt, den undurchdringlichen blauen Augen, den Berührungen, die so flüchtig scheinen, als wären sie im nächsten Augenblick nie geschehen. Was geht vor in diesem Menschen, wer ist er, was ist sein Geheimnis? Und Sandra fragte sich abermals: wieso ich? Was will er - wenn es doch jede andere sein könnte -, was will er von mir?
Wieder war der Nachmittag verstrichen, als Sandra von ihren Texten aufblickte und aus dem Fenster sah: entlaubte Bäume, Nieselregen verwaschen grau, nasse Tauben. Hineilende Menschen mit Schirmen, hochgeschlagenen Mantelkrägen, abweisenden leeren Mienen. Wetter in den Gesichtern und den Herzen. Schmerzlich ist ihr zu Bewusstsein gekommen, dass sie außer ihren Eltern nur noch Paul hatte. Es war keiner geblieben aus ihrem Freundeskreis, der noch etwas mit ihr zu tun haben wollte - oder konnte. Sandra widmete sich ihrer Arbeit.
Der Landvermesser K. wird das Schloss nie erreichen.

Mach' es zu Asche!

Zünde es an! Brenn´ es ab! Mach' es zu Asche! Asche, die ich bin!

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