Der Fremde und ich

Kurzgeschichte zum Thema Begegnung

von  MrDurden

Sommer 2007, wir sitzen in seinem Wagen... fahren in Richtung Stadtmitte. Die Sonne scheint, keine Wolke dort oben am Himmel. Ständig muss ich ihn ansehen, kann meinen Blick nicht von ihm lassen. Wir reden über alles mögliche, doch irgendwie... auf eine vertraute Art und Weise, verstehe ich ihn auch ohne Worte. Er erzählt mir von seiner Arbeit, von seinen Plänen in den nächsten Jahren. Ab und an erkundigt er sich nach meiner Großmutter und meinen Verwandten in Deutschland, schwärmt von der deutschen Hausmannskost. Langsam lernen wir uns kennen und lachen miteinander als wir in Detroit ankommen. Er erzählt mir, dass er hier oft mit meiner Schwester ist und sie immer sehr viel Spaß haben, wenn sie unterwegs sind. Ich bestaune die vielen Einkaufsstraßen und Hochhäuser, die um mich herum in die Höhe ragen. Nach einem kurzen Rundgang in der Innenstadt führt er mich in ein griechisches Restaurant in dem er schon oft gegessen hat. Alles scheint so unwirklich... alles geschieht so plötzlich. Ich kenne diesen Mann nicht, habe ihn nie zuvor gesehen. Wir sind uns fremd und sprechen nicht einmal dieselbe Sprache. Was soll ich ihm erzählen... tausende Fragen überschlagen sich in meinen Gedanken. Wie soll ich mich fühlen... was von all dem kann ich glauben, was er mir erzählt? Wir sind uns so ähnlich, fast als würde ich in den Spiegel sehen. Er bezahlt die Rechnung und wir machen uns langsam auf den Heimweg... Heimweg... in dieser vollkommen fremden Welt. Ich fühle mich nicht als wäre ich zu Hause, ich weiß nicht was ich fühle. Nach einiger Zeit im Auto fragt er mich ob ich gerne Bier trinken würde. Ich bejae mit einem breiten Grinsen als er mir vorschlägt ein paar Flaschen für heute Abend zu besorgen. Eine gute halbe Stunde später stehen wir an der Kasse eines kleinen Supermarkts und er fragt mich ob ich schon einmal amerikanisches Bier probiert hätte. Lächelnd schüttle ich den Kopf und stelle sechs Flaschen Miller aufs Fließband. Die Frau an der Kasse sieht mich skeptisch an und fragt mich ob ich dafür schon alt genug wäre... Er grinst und sagt der Kassiererin ich sei sein Sohn. Für einen Moment halte ich inne... blicke ihm in die Augen. In nur einem Bruchteil einer Sekunde fliegen die vergangenen achtzehn Jahre an mir vorbei. Mein ganzes Leben habe ich ohne ihn gelebt, doch er hat Recht, ich bin sein Sohn. Und nun, nach achtzehn langen Jahren... ist er mein Vater.


Anmerkung von MrDurden:

Eigentlich ist es keine Kurzgeschichte, viel mehr eine Erinnerung. Knappe fünf Tage verbrachte ich mit dem Fremden... und irgendwie war es, als hätte ich ihn immer gekannt.

(hab versucht eine Sounddatei anzuhängen, hat aber irgendwie nicht geklappt)

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Kommentare zu diesem Text


 rebell91 (16.05.08)
heftig. besonders das ende. das haut um.

 MrDurden meinte dazu am 16.05.08:
Vielen Dank für deinen Kommentar. Ich denke, heftig liegt im Auge des Betrachters... Die Neugier und Sehnsucht meinen Vater kennenzulernen hab ich erst innerhalb der letzten zwei drei Jahre entdeckt. Danke für deine Empfehlung, einen schönen Tag wünsch ich dir noch! Lieben Gruß, David!
Data-LAB (37)
(17.05.08)
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 MrDurden antwortete darauf am 17.05.08:
Dank dir für deinen Kommentar und die Empfehlung! Nen schönen Abend noch, David!
Elsa (25)
(25.05.08)
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 MrDurden schrieb daraufhin am 25.05.08:
Vielen Dank für deine Empfehlung und die Favorisierung! Komischer Zufall... aber irgendwie schön jemanden zu kennen, der das gleiche erlebt hat! Freut mich sehr, wenn du dich in meinen Texten wiederfindest! Liebe Grüße und noch einen schönen Sonntagabend, David!
sim (32)
(07.06.08)
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 MrDurden äußerte darauf am 07.06.08:
Das darfst du mich ruhig fragen Sim. Mein Vater war in der US-Army in Deutschland stationiert, als er meine Mutter kennen lernte. Sie trennte sich von ihm bevor ich geboren wurde und er ging wieder zurück in die USA. Mein ganzes Leben lang hat er mir keinen Brief geschrieben, nicht einmal angerufen, für mich gab es ihn einfach nicht... nur auf ein Paar alten Fotos. Als ich sechzehn war erfuhr ich durch meine Großmutter, die in Amerika lebt und zu der ich schon mein Leben lang Briefkontakt habe, dass ich eine Halbschwester in den USA habe. Sie schickte mir sogar eine E-Mail Adresse und eine Telefonnummer. Langsam baute sich der Kontakt auf und meine Mutter und ich beschlossen in die Staaten zu fliegen und mich mit meiner Familie bekannt zu machen. Bis ich dann dort angekommen war, hatte ich erst einmal mit ihm am Telefon gesprochen. Ich wusste nicht genau, wie er aussieht, eigentlich wusste ich gar nichts über ihn. Dann verbrachte ich ca eine Woche mit ihm in Michigan, in einer kleinen Stadt in der Nähe von Detroit. Tja und jetzt hab ich darüber diesen Text geschrieben... eine Erinnerung an die paar Tage in denen ich meinen Vater kennengelernt habe.
JeanDark (21)
(15.06.08)
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 MrDurden ergänzte dazu am 15.06.08:
Vielen Dank für deinen Kommentar und die Empfehlung Gina! Ja ich hatte auch gehofft, dass der Kontakt hält... Naja, er hat sich seit Monaten nicht gemeldet und meinen 19. Geburtstag hat er auch vergessen. Mir ist es eigentlich egal, ich kenne ihn ja kaum. Ich finds halt schwach von ihm... Wünsch dir noch einen schönen Sonntagabend! Liebe Grüße, David!
MellonCollie (24)
(17.06.08)
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 MrDurden meinte dazu am 20.06.08:
Ich dank dir für deinen Kommentar und die lieben Worte! Es war schon ein schönes Erlebnis, es ist nur, dass daraus nicht besonders viel entstanden ist... ich weiß auch nicht. Er ist seiner Aufgabe als Vater einfach nicht nachgekommen und es verletzt mich jedes mal, wenn ich daran denke. Wünsch dir noch ein schönes Wochenende! Liebe Grüße, David!

 Feuervogel (14.09.08)
Lieber MrDurden, lieber Freund...
und schon wieder sind da Tränen wenn ich dich lese, na ja is ja klar...du fängst Stimmungen wunderbar ein....(übrigens:ich bin a bisserl stolz auf dich) ...Frag mich nicht wieso....Du machst das Großartig...deine Auseinandersetzung mit deinem Leben....LG Ela

 MrDurden meinte dazu am 14.09.08:
Ich freu mich sehr darüber, wie dir meine Texte gefallen. Dein Kommentar gibt mir viel Kraft, denn oft ist diese Auseinandersetzung unerträglich. Die Zeit in Amerika war eine sehr schöne Erfahrung, umso trauriger ist nun, dass der Kontakt zu ihm gänzlich abgerissen ist. Vielen Dank für deine Worte und die Empfehlung! Ganz liebe Grüße, David!
lego (31)
(03.01.09)
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 MrDurden meinte dazu am 03.01.09:
Ja, manchmal will ichs selbst nicht glauben. Verrückte Welt würd ich sagen... Vielen Dank für deinen Kommentar! Grüße an dich, David!
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