Götterdämmerung

Kurzprosa zum Thema Familie

von  BrigitteG

„Und nun zu den Promi-News:

Wie erst jetzt bekannt wurde, starb vor zwei Wochen der frühere Medienmogul und Playboy Zeus im Alter von 87 Jahren. Wir schalten nun zu unserer Promireporterin Sandy Nieweiss-Schlucker in Berlin. Sandy, was war das denn für ein Mensch, dieser Zeus?“

„Hallo Rüdiger. Ja, der Zeus – vermutlich kennen ihn nur noch die Älteren unter unseren Zuschauerinnen und Zuschauern, also die zwischen 40 und 49 Jahren. Zeus hatte zwar keinen Spaß im Leben ausgelassen, aber aufgewachsen ist er ganz friedlich in Dortmund-Kruckel, adoptiert von einem Landwirt, der auf Ziegenzucht spezialisiert war. In der Pubertät wurde er unruhig, prügelte sich oft mit anderen Jungens und machte sich früh an die Mädchen heran. Als er dann volljährig wurde, hielt er es auf dem Land nicht mehr aus. 

Begeistert zog er als frischgebackener Journalistikstudent in eine WG in die lebhafte Dortmunder Nordstadt, allerdings waren seine Schwerpunkte eher die Frauen, der Rotwein und das Kiffen. Nebenbei kellnerte er – und stell Dir vor, Rüdiger, er erfuhr dadurch per Zufall, dass sein tot geglaubter Vater Kronos noch lebte, und musste feststellen, dass er zwei bisher unbekannte Brüder hatte. Mit den Beiden tat er sich zusammen und sie prügelten den Vater mehr als krankenhausreif, einen Vater, der für die beiden anderen Brüder nie da war und sich bei Zeus verleugnen ließ.

Zeus hatte während seines Studiums und seiner Arbeit in angesagten Trend-Clubs genug Leute kennengelernt, um mit der Medienlandschaft vertraut zu werden – damals ging es ja noch um Zeitungen und Radio. Er schmiss einfach sein Studium, jobbte zuerst als Praktikant bei einem Radiosender, arbeitete sich aber dann durch seine schnelle Auffassungsgabe, seinen Fleiß und seine neuen Ideen nach oben. Acht Jahre später war er Besitzer des kleinen Senders „Radio Klio“ und begann, ihn radikal zu verändern - im Grunde war er der Vorreiter der heutigen Promiklatschmagazine im Fernsehen, Rüdiger. Sein Vermögen vergrößerte sich, er investierte in weitere Sender und erarbeitete  sich so im Laufe der Jahrzehnte ein Imperium.

Was nun die zwischenmenschlichen Beziehungen anging, war Zeus seit seinem 14. Lebensjahr kein Kostverächter. Häufig wechselnde Freundinnen (gelegentlich auch Freunde), kurzfristige Affären – so sah sein Leben über lange Jahre hin aus. Von manchen seiner Kinder erfuhr er erst gar nichts, bei anderen setzte er sich unauffindbar ab, so dass die frischgebackenen Mütter alleine da standen.

Schließlich ließ er sich doch noch auf eine Ehe ein, mit einer nahen Verwandten, seiner Cousine Hera, einer temperamentvollen, aber recht eifersüchtigen Frau, die ihm bei manchen seiner Affären auf die Schliche kam und ihren Ärger sehr lautstark äußern konnte."

„Sandy, was ist eigentlich aus der Familie von Zeus geworden?“

„Na ja, sein Bruder Poseidon hat als Oberleutnant zur See gearbeitet, der Andere, Hades, war Tiefbauingenieur. Nur mit Poseidons Sohn gab es immer wieder Stress: er war abenteuerlustig und viel unterwegs, Frauen und Alkohol waren sein Hobby, und beinahe hätte er den Faden verloren. Seine beiden Schwestern arbeiteten dagegen in ordentlichen Berufen: Hestia war Hauswirtschaftslehrerin und Demeter Agraringenieurin."

„Das ist ja alles ganz nett, Sandy, aber ich meinte doch eher seine Frau und seine Kinder, wenn Du dazu noch schnell – wir haben leider nicht mehr viel Zeit – etwas sagen könntest?“

„Die vier Kinder von Zeus entwickelten sich ganz unterschiedlich, Rüdiger: Eileithyia wurde Hebamme, Ares verpflichtete sich für 12 Jahre zur Bundeswehr, Hephaistos hatte zuerst eine Lehre als Schmied gemacht, danach auf Goldschmied umgeschult und fertigte später stylischen Schmuck in einer Düsseldorfer Werkstatt an. Nur die zweite Tochter Hebe machte ihnen Sorgen – schon mit 16 Jahren wurde sie Miss Münsterland, danach Miss NRW, und als sie bei Miss Deutschland nur auf den hinteren Plätzen landete, nahm sie völlig frustriert einen Job als Kellnerin an.

Irgendwann hörte man von Zeus, er wäre solide geworden. Und genau so war es, Rüdiger. Schon damals gab es die Aussteiger – und Zeus war einer davon, als er 65 wurde, allerdings einer von der feineren Sorte. Er hatte genug von seinen Kämpfen, seinen wechselnden Frauen, und zog sich mit Hera in sein Luzerner Haus am Vierwaldstätter See zurück. Nur gelegentlich, wenn Hera mit ihren Freundinnen aus dem Romme-Club eine Reise machte, kam sein langjähriger Liebhaber Ganymed ihn diskret besuchen.

Aber ansonsten lebte er recht bieder - er widmete sich intensiver als früher seiner Märklinanlage, die er endlich vom Dachboden herunter in das ehemaliger Kinderzimmer von Hephaistos holte. Hera ließ ihre Stimme, die immer schon recht ausdrucksvoll war, weiter schulen und trat einem Luzerner Kirchenchor bei. Zusammen bereisten sie viele Städte mit berühmten Opernhäusern."

„Und wie ist Zeus dann gestorben, Sandy?“

„Viele Leute erlebten es mit, Rüdiger – es war in der Semper-Oper, mitten in der Aufführung von „Elektra“ von Richard Strauss sackte er plötzlich in sich zusammen und starb an einem Herzinfarkt.“

„Danke nach Berlin, liebe Sandy - jetzt sind wir aber mit der Zeit ganz knapp, ich gebe sofort weiter zum Wetter.“

---

„Rüdiger? Hier ist die Regie, Du bist jetzt off. Das nächste Mal musst Du Sandy eher abwürgen, wir hatten große Zeitprobleme. Schließlich ist es ewig her, dass dieser Mensch berühmt war, und von seiner Sorte laufen heutzutage genug herum.“

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Kommentare zu diesem Text

Caterina (46)
(13.05.08)
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 BrigitteG meinte dazu am 14.05.08:
Ja, Zeus und Hera sind mir auch als Erstes eingefallen, Caterina - und schön, dass es Dir gefallen hat. Herzliche Grüße, Brigitte.

 Bergmann (13.05.08)
Ist das eine verkappte Hintergrund-Recherche für KV-Promis?

 BrigitteG antwortete darauf am 14.05.08:
Na, da Du direkt nachfragst, Uli, bekommst Du die Geschichte zur Geschichte geliefert:
Tatsächlich sprach ich per PN mit Gerd vor einigen Monaten über seinen nick, und er meinte, dass Theseus ja auch ein recht heftiges Leben gehabt hätte. Da konnte ich mir die ironische Bemerkung nicht verkneifen, dass ja alle anderen Götter sehr friedlich und ruhig waren, und sicher in ihrem Bett gestorben sind. Als Erstes sind mir Zeus und Hera eingefallen, und ich habe ihm spontan eine Minigeschichte geschickt, die anfing mit: "Zeus und Hera hatten noch ein schönes Leben, nachdem Zeus als früherer kaufmännischer Angestellter mit 63 pensioniert wurde..."
Dann habe ich überlegt, was ich daraus machen könnte und die Recherchen zur restlichen Familie begonnen. Und ganz ehrlich: ich kannte zwar die "Theseus und Ariadne mit dem Faden"-Geschichte, aber ich wusste (bei meiner gediegenen Halbbildung *g*) vorher nicht, dass Theseus und Zeus verwandt waren.
Und jetzt muss ich der Schnarchnase mal Bescheid sagen - wir hatten einen Deal, dass ich die Zeusgeschichte schreibe, und er eine Geschichte über Brötchen... Liebe Grüße, Brigitte.

 Bergmann schrieb daraufhin am 14.05.08:
Ah..................................a!
Allerbesten - !
Und wo ist die Brötchen-Story? (P18?)

 Theseusel äußerte darauf am 14.05.08:
ups ... *roterübekrieg*
Ich hab nur Fladenbrot;)

 BrigitteG ergänzte dazu am 14.05.08:
Fadenbrot?

 Bergmann meinte dazu am 14.05.08:
Das sind keine Antworten. Ich suche Theseus' faden Textfaden!
Caty (71)
(13.05.08)
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 BrigitteG meinte dazu am 13.05.08:
Oh ist das peinlich - habs mal ganz schnell geändert... danke für den Hinweis und Deinen Kommentar. Grüße von Brigitte.
chichi† (80)
(13.05.08)
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 BrigitteG meinte dazu am 14.05.08:
Ich hatte mich bemüht, mir beim "Transportieren" vorzustellen, was die Götter heutzutage machen würden, Chichi - und meine Albernheit hat noch ein bisschen dazugefügt *g*. Schön, dass Du Dich amüsiert hast und liebe Grüße, Brigitte.
The_black_Death (31)
(20.02.10)
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 BrigitteG meinte dazu am 20.02.10:
Hey B.D. - reden wir von unterschiedlichen Texten? Ich habe eine Reporterin dargestellt, die zwar über Promis berichtet, aber damit ihren Lebensunterhalt verdient. Und so, wie Du Frauen darstellst, scheint mir, als ob meine männlichen Anteile überwiegen *g* - beim Frisör schlafe ich meist fast ein, weil es so entspannend ist, morgens brauche ich vor der Arbeit 45 min incl. Frühstück, und zwei Stunden vorm Kleiderschrank finde ich überflüssig - da schlafe ich lieber länger.
The_black_Death (31) meinte dazu am 21.02.10:
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Ligeia (17)
(29.04.10)
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 BrigitteG meinte dazu am 29.04.10:
Ah, das liest man gerne - und bei den Berufen habe ich mich sehr bemüht *g*. Danke!
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