toilettendrama.

Kurzgeschichte zum Thema Mensch (-sein, -heit)

von  rebell91

In der öffentlichen Toilette ist es noch heißer als draußen. Ich will gehn, aber Lisa bittet mich zu bleiben, also geh ich nicht. Ich kann sie weinen hören, aber ich schweige, weiß nicht was ich sagen soll. Ich stelle mir vor wie sie alleine in dieser dreckigen Kabine sitzt, während ich mich davor an ein Waschbecken lehne, durch dass sich ein tiefer schwarzer Riss zieht. Sie sitzt da, das Make Up zerlaufen, die Beine eng aneinander gepresst, schluchzend den Mund geöffnet und zerreißt Klopapier in fingernagelgroße Fetzen. Ob ICH sie denn verstehen könne? Ich hatte nicht zugehört. “Ja“, antworte ich und sie spricht weiter, ein Wortschwall, wie Wasser, dass einen taub werden lässt. Unter Wasser ist es im Schwimmbad am Schönsten. Dann ist es so ruhig. Lisa redet und schluchzt, ich drehe mich um und blicke in einen Spiegel, der über dem Waschbecken hängt. Über mein Gesicht verlaufen Risse, die das Bild an manchen stellen verschieben. Ich streiche eine Haarsträhne aus meinem Gesicht, lächle mich kurz an und drehe mich wieder um. “Verstehst du mich?” “Ja, klar.”
Ich weiß gar nicht mehr, warum wir überhaupt hier sind. “Lisa, magst du nicht rauskommen?” “Mein ganzes Gesicht ist voller Make Up!” “Das macht doch nichts, es ist dunkel.” Ich will nach Hause, es ist spät. Lisa weigert sich. “Willst du für immer hier drin sitzen bleiben?” Lisa antwortet mit einem weiteren Schluchzen und ich seufze in den rundum gekachelten Raum. Furchtbar wie widerlich es hier ist. Es fehlen nur die Spritzen auf dem Boden. “Oder?”, höre ich Lisa hinter der Tür. “Was?” “Na, dass ich doch Recht hab, oder?” “Ja, klar.” Ich hab keine Ahnung wovon sie spricht. “Können wir gehn, Lisa?” “Nein...”, jammert sie. Ich werde wütend. “Lisa, wenn du nicht kommst, dann geh ich alleine.” Sie schreit und heult und ruft nein und irgendwie tut sie mir Leid, so alleine in der dreckigen Kabine. Sie ruft nach mir. “Ja?” Sie sagt nichts mehr. Dann ruft sie erneut. “Ja?” “Ich hab was schlimmes gemacht.” Plötzlich wird sie leise und kleinlaut. “Was?” Für eine Sekunde ist es totenstill. Plötzlich höre ich wie etwas hartes zu Boden fällt. Im gleichen Moment, beginnt sie hysterisch zu schreien und gegen die Tür zu schlagen. “Mach auf!”, schreit sie. Ich bekomme Panik. “DU musst aufmachen!”, brülle ich zurück. Sie schreit weiter, sie tritt und schlägt und plötzlich springt die Tür auf und ein seltsames Wesen springt auf mich zu und schmeißt sich mir um den Hals, so dass ich rückwärts stolpere und wir beide gegen die Wand donnern. Lisa, die nicht aussieht wie Lisa, aber die Lisa sein muss, weil Lisa in die Kabine gerannt ist und ich die ganze Zeit davor stand, blickt mich mit weit aufgerissenen Augen an und schreit: “Ich werde sterben, ich hab’s mir anders überlegt, ich will doch noch nicht!” Ich stoße das Wesen, dass Lisa sein muss, von mir. Sie schlägt mir fast die Hand ins Gesicht als sie mir ihren Unterarm zeigt. Ein kleiner Schnitt von links nach rechts. Ich beruhige mich. “Leg dich auf den Boden, vielleicht kippst du sonst um. Womit hast du das gemacht?” “Nahghelschehre”, bringst sie schluchzend hervor. Ich setzte mich neben sie, nehme ihre Hand. Der Schnitt ist nicht tief. Meines Erachtens bedarf er auch keine ärztlichen Hilfe. “Du stirbst nicht.”, sage ich. Sie ist still. Wir blicken beide auf die Tür, durch die wir gekommen sind. Sie liegt auf dem verdreckten Boden, ich im Schneidersitz neben ihr. “Man schneidet von oben nach unten.”, erwähne ich beiläufig. Sie schließt die Augen. Ich blicke das Wesen an. Es ist Lisa. Trotz der Blässe, den tränenroten Augen und dem völlig verschmiertem Make Up, dem bisschen Blut auf der Hand und den zerzausten Haaren. Ich helfe ihr nach oben. Sie wäscht sich den Arm und das Gesicht, sie sagt kein Wort. Ich nehme sie an der Hand und wir gehn nach draußen. Mittlerweile ist es angenehm draußen. Sie holt tief Luft, ich lächle sie an. Wir gehen nach Hause, keiner sieht uns. Die Nagelschere haben wir in der Kabine vergessen. Vielleicht weiß die Nächste, wie man richtig damit umgeht.

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Kommentare zu diesem Text

shadowhunter (28)
(27.09.08)
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 rebell91 meinte dazu am 27.09.08:
das kannste laut sagen ;)
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