Tschekke Wawa

Kurzgeschichte zum Thema Revolution

von  Judas

„Mir doch egal, das T-Shirt sieht cool aus.“

Jetzt trage ich grüne karierte Hose und Hawaiihemd. Bei den Stylern da draußen gelte ich sicher als modischer Griff in’s Piranha-Becken. Aber die verschieden farbigen Chucks habe ich mir abgewöhnt, meinen Pali zum Tischtuch degradiert. Der rote Stern ist blass und falsch geworden.

Ich suche immer noch nach einer Jugendbewegung, die zu mir passt für gemeinsame Revolte bei Nacht. Wir sind hier nicht in Kuba? Vormärz? Also Februar! Ja da war’s draußen noch schön kühl. Träge Bauhausstudenten im Ilm-Park die über Veränderung und Nietzsche philosophieren. In der Handtasche hat man heute ein Faust-Zitate-Buch. Goethe und Schiller habe ich schon die Schuhe geputzt aber hat es wen interessiert?

Bewegung des Stillstandes. Ich mit Hochdruck, kein Ventil. Kein Ziel, aber einen Weg und als erster dort. Ich behaupte ja nicht, dass zur französischen Revolution die Leute ein angenehmeres Leben hatten. Aber lieber werde ich als katholischer Jude verbrannt als im Sterbebett liegend auf ein Leben ohne Taten zurück blicken. Aber man hat ja das Gefühl, das alles war schon mal da und wir haben doch alle Meinungsfreiheit und kleben heimlich selbst gemachte Flyer an Bäume, Einladungen zu Kurzfilmnächten in besetzen Häusern! Wir streicheln Neonazis die Glatze und lassen uns dann von ihnen die Fresse polieren. Dankbar hinken wir von dannen. Wir schmieren Sprüche auf alte Häuser und fühlen uns gut, weil es illegal ist, weil man uns das noch verbieten könnte.

Aber das alles war schon mal da und Revolte? Schon gar nicht. Das einzige, was sich noch langsamer bewegt als wir, sind die Kontinentalplatten.

Wir stehen am Zenit der Degeneration.  Die einen fordern eine neue Jugend gegen den Verfall der Freiheit. Die anderen haben Bushido auf dem Handy und tauschen sich gegenseitig über neue „Deine Mutter...!“ aus, wobei sie unbemerkt ihr Vokabular mit jedem Tag weiter reduzieren, bis er ungefähr auf die Wortanzahl der 10 Gebote kommt.

„Deine Mutter ist schwarz und fährt den A-Team Truck!“

Wovon werde ich denn in Jahren erzählen, wenn ich meiner Jugend gedenke? Von den Luftschlössern, die ich neurotisch erbaut habe. Nach wie viel toten Träumen hat man sein Leben im Massengrab verloren?

Für mich gibt es hier nichts mehr. Denn vermutlich war auch ich schon einmal gewesen.

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Kommentare zu diesem Text

Spurensucher (44)
(02.06.08)
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 Judas meinte dazu am 02.06.08:
Tag Petra!
Danke, dass du meinen Namen magst. Ich mag ihn auch. Und noch viel mehr danke für Klick und Kommentar.

Ideale habe ich auch, aber die bewegen auch nicht mehr, als die Kontinentalplatten schnell sind. Ich würde ja gerne behaupten können, ich war einer der ersten Hippies, einer der ersten Ostpunker, einer der ersten Schwarzweißfilmer, einer der ersten, die damals in den Westen sind, einer der ersten ... naja du weißt schon. Wenn ich mal mit 80 im Altersheim meiner Pflegerin sage, was ich in ihrem Alter gemacht habe, dann kann ich sagen "Ich hab' Helle Bob gesehen und damals galt es noch als "hui" dass wir eine Frau als Kanzlerin haben."

Super.

Gruß zurück,
- Jue
Narrenspiel (19)
(07.06.08)
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 RomanTikker (09.06.08)
Stimmt ja schon, was du da sagst, aber damit möchte ich mich für meinen Teil nicht abfinden. Das kann ja nicht alles sein!

Erstens sind wir die erste oder bestenfalls zweite echte De-Generation. Das ist doch auch was feines, zumindest solang der Zynismus nicht an den Ölpreis gekoppelt wird. Bloß werden es deine Enkelkinder vor lauter degeneriert-sein später nicht verstehen. Schade.

Zum anderen: "Die" vor uns, also Ostpunker, Schwarzweißfilmer und Co haben sich was ausgedacht und es dann gemacht. Der Zug ist mittlerweile abgefahren, haste Recht. Gab's alles schon.
Alternative: Erst was machen, und dann gucken, wie man es nenne könnte. Will meinen: Nicht Fragen stellen und Antworten suchen, sondern Antworten ausdenken und passende Fragen finden. Klingt ein bisschen banal jetzt, aber glaub mir, radikal umgesetzt führt das auf lange Sicht zu umwerfenden Ergebnissen! Das stimmt. Wenn du denkst das stimmt nicht dann formulier es so um dass es stimmt, denn das was ich meine, stimmt! Hehe.

Pah, Schwarzweißfilmer, Ostpunker... Ich hab Sachen entdeckt die es noch nichtmal GIBT! DAS ist doch Kunst in Extremform! Kausalität ist doch nur eine dieser lästigen Nebensächlichkeiten.... Ewiges ist immer neu.

Also ab durch die radikale Mitte!

Naja, mit Augenzwinkern grüßt zwischen Zeile und Zwischenzeile:

Roman

PS: Versteh mich nicht falsch, ich könnt' auch kotzen...
(Kommentar korrigiert am 09.06.2008)

 Judas antwortete darauf am 10.06.08:
Stimmt! (Da hast du's, es stimmt wohl doch)

Zu deinem Kommentar: Danke, danke, danke! ... danke.

- Jue

 RomanTikker schrieb daraufhin am 10.06.08:
tja, also, bitte! ich habe zu danken, für einige sinnvoll genutzte leseminuten.
und im übrigen: streng genommen beweist du mit texten wie diesem ja auch das gegenteil. ("wovon?" "tut mir leid, helfen darf ich nicht...")

dreifaltig geworfene grüße,

-roemaen tuekkaer

 Judas äußerte darauf am 10.06.08:
Verflixt! Dann müsste ich den Text ja sofort löschen und alles, was auf ihn hinweist, verbrennen, weil er sich ja selbst wieder spricht und wah... hilfe, ich sitze in einer Gedankenschleife fest.

das Ju

 RomanTikker ergänzte dazu am 11.06.08:
das kenne ich kenne das kenne ich kenne das kenne ich kenne das ke....

 Judas meinte dazu am 26.06.08:
Mir ist grad ein Licht aufgefangen zu deinem Kommentar "Erst Antwort finden, dann Frage suchen":

42!
Galorette (30) meinte dazu am 21.08.08:
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shooter (63)
(26.07.08)
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