Das Dazwischen

Kurzgeschichte zum Thema Abschied

von  AnastasiaCeléste

Inspiriert durch den Roman "in meinem Himmel" von Alice Sebolt.
Entstanden im Jahr 2003.


Das Dazwischen

Es ist lange her, als ich den Himmel das letzte Mal sah, so wie ihn die meisten sehen. Der Himmel, die unendliche Weite und mein zu Hause, seit drei Jahren.
Als ich die Welt verließ, war der Himmel dunkelgrau, die Luft war feucht und es regnete. Und ich erinnere mich daran, als ich auf dem schlammigen, endlosen Feld lag, mein Mörder neben mir hockend, was ich sah, als ich zum letzten mal meine Augen aufschlug, nachdem ich einen tiefen Schmerz mitten im Herzen gespürt hatte. 
Es war die feine, dunkle Linie, die die Erde vom Himmel trennte – ein Dazwischen, wo der Horizont des Himmels auf den der Erde traf.
Und dann kam das Ende.
Es wurde Dunkel, doch es war nur das was in meinem Körper war, die Dunkelheit, die sich ausbreitete, das Verlassen des Körpers, der sterblichen Hülle. Und es wurde wieder hell, es war das, was mit unserer Seele passiert, wenn wir sterben.
Man findet sich in einer Welt wieder, in der alles so ist wie man es will.
Ich sitze oft hier am Rande dieser Welt, meiner Welt und denke über mein letztes Bild auf der Erde nach. Ich habe hier gelernt, dass das was man zuletzt sieht, sich am meisten einprägt.
Es war dieses Dazwischen. Diese dünne, feine Linie. Was war es? Ich gelang zu der Überzeugung, dass jene dunkle Linie ein realer Ort war. Ein Dazwischen, zwischen dem Leben und dem Tod. Kommen wir dorthin, wenn wir sterben? An die Grenze der Erde und des Himmels ? Eine Frage die mir bis vor kurzem noch offen stand. Denn es passierte etwas, was die Antwort preisgab.
Eines Tages wurde mir endlich bewusst, das mich irgendetwas festhielt, denn ich fühlte mich nie wirklich angekommen. Ich wusste zwar nicht, wo ich jemals hinsollte, aber ich wusste dass meine Reise, weg vom Leben, noch nicht abgeschlossen war.
Und ich begann nach dem Grund zu suchen. Es dauerte Tage eher ich ihn erkannte.
Als ich mal wieder auf die Erde schaute und meine Eltern dabei beobachtete, wie sie durch ihr Leben gehen, mit dem Wissen ihre einzige Tochter verloren zu haben, wurde mir klar, dass sie es waren, die mich hielten.
Ich hatte jahrelang Angst davor, entgültig zu gehen. Angst davor, sie könnten mich vergessen. Doch meine Angst war unbegründet gewesen. Sie lebten ihr Leben weiter, sodass ein Fremder nie etwas von ihrem Schmerz erahnen könnte. Doch das hieß nicht, dass sie vergaßen. Ich lebte weiter - in ihnen, in ihren Gedanken, Erinnerungen, ihrer Seele.
So lange man Angst hat zu gehen, völlig loszulassen, lebt man zwischen Himmel und Erde. Genau, in dem Dazwischen, der feinen Linie, über die keiner weiß was sie ist, wo sie anfängt und endet. Das hatte ich nun erkannt.
Als ich begriff, spürte ich diese Bewegung meiner Seele, die plötzliche
Entfernung der Erde. Diese wahnsinnige Lücke, zwischen dem Leben und mir...und ich wusste dass ich angekommen war!

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Kommentare zu diesem Text


 HarryStraight (30.09.08)
Was wirklich nach dem Tode kommt - ich muss mir eingestehen, dass ich es wirklich nicht sagen kann. Doch gerade deshalb fasziniert dieses Thema auch so und regt ungemein die Gedanken an.
langolier (25)
(13.02.09)
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