Nachtmilch

Legende

von  beneelim

Mond, immer wieder, Mond; er steht wie ein mürrischer Silbertaler über unseren Gesichtern. Der letzte Schnee verfängt sich in meinem Atem. Sie hat sich einen buschigköpfigen Grashalm zwischen die Zähne gesteckt und fragt:
„Was meinst du, wie viele Hufeisen lassen sich aufspannen zwischen Hier und dem Mond?“
Ich fasse mit Zeige-, und Ringfinger nach ihrer Frage und sie ist lustiger Pollenstaub von den Wäldern im Osten, ich will ihr seit Jahren schon von ihnen erzählen. Ein winziger Funken spinnt sich in meine Gedanken: So viele, als du aus Blüten Häuser bauen kannst, doch ich sage nichts, während ein Lied sich auf meiner Zunge in farblosen Schlaf wiegt. Engelstrompeten flirren im Unlicht, das sich vor Stunden zum Fluge erhoben hat, und es setzt schwerbehängte Beerensträucher in alle Winkel des Landes. Wir haben lange nicht mehr gesungen, und ich lege meine Hand ins warme, dunkle Gras bis unsere Fingerspitzen sich berühren; Eisblüten gehen knisternd auf meiner Haut spazieren.
„Du weißt, ich kann nicht lange bleiben.“
Sie hat sich aufgesetzt, ihre Augen an den Orion geheftet, dessen Schwert den Himmel zerschneidet, und sie wird ganz still, still, bis sie beinahe verschwunden ist. Ihr Schatten knickt Grashalm um Grashalm. Ich beginne zu sprechen, ich streue kraftlos meine Bitte aus, doch nichts ist zu hören in diesem wortlauen Zwielicht. Ich bleibe stumm, ertrinkend im endlosen Satz, der gegen die Einsicht kämpft. Da geht sie, die Gräser neigen sich unter ihrem Schritt, der nur der Wind ist, und verklingende Zeit und zitternd  schicke ich ihr meinen Blick hinterher, eine müde Eskorte.

So muss es sein; auf dem schlafenden Körper der Zeit richte ich meinen Platz, mein Heim in den Wiesen, und ich will nicht erlauben, dass diese Nacht je vergeht.
Und weit, weit drüben erzählt man:
Der Löwenzahn hat sich schweigend zum Fluss hin verstreut.


Anmerkung von beneelim:

once upon a time...

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Kommentare zu diesem Text


 mondenkind (29.07.08)
ja, ich mag diese orte jenseits der zeit. dort kann man die vergänglichkeit in den händen wiegen.
der erste text, den ich heute morgen lese. und die perfekte stimmung. danke!
lg, nici

 mondenkind meinte dazu am 16.10.08:
nochmal. diesmal mit ein wenig mehr wehmut. und auch da passt es.
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