Der Spiegelsee

Erzählung zum Thema Selbsterkenntnis

von  Abhorsen

Gerne möchte ich es so weit bringen den Leuten den Spiegel vor zuhalten, ihnen ihr allzu menschliches Gesicht zu zeigen, wenn sie in mein Gesicht Blicken.
Ich möchte der Abgrund sein der ihnen entgegenlacht wenn sie in meine Augen blicken.
Aber wie kann man solch ein Mensch sein, ohne dabei sein Gesicht zu verlieren, weil man seine eigenen Unzulänglichkeiten nicht im Spiegel ertragen kann?
Ich will also nicht Spiegel der anderen sein, denn ein Spiegel täuscht nur Tiefe vor und ist in Wahrheit flach und silbrig-glänzend, abweisend.
Man kann ihn nicht verändern ohne ihn zu zerstören und ihn seiner Funktionalität zu berauben.
Setz die richtigen Hebel in Bewegung und  der Spiegel wird zerspringen und alles nur noch bruchstückhaft und unzulänglich reflektieren.
Nein ich will der versteckte Weiher im hintersten Winkel des Grundstücks sein, dass man Bewusstsein nennt.
Man stolpert so durch seinen Garten und erreicht diesen Ort, wo die Bäume dicht stehen, im Rund ums Wasser und das Licht durch grünes Laubwerk flutet, dort ist alles ruhig und friedlich und doch ist das Wasser des Weihers so schwarz als würde es kein Licht reflektieren.
Beugt man  sich über die Oberfläche, so wird nichts gespiegelt, nur man selbst.
Umso länger man hinein blickt, desto schneller und intensiver verändert es sich auch - entweder zum Guten, oder -was viel öfter vorkommt- zum Schlechten.
Erträgt der Zuschauer sein Abbild nicht mehr, entweder vor übersteigerter Schönheit oder abgrundtiefer Hässlichkeit, so wird er aus der menschlichen Regung Ekel heraus, erbost auf die Wasseroberfläche einschlagen und das Bildnis seiner selbst läuft auseinander und wird unkenntlich, wie der Zuschauer es sich wohl auch gewünscht hat.
Aber während er triumphiert, den unheimlichen Ort ausgetrixt zu haben, kehren nur die Wasserteilchen in ihre ruhende Ausgangsposition zurück und bilden erneut eine Spiegelfläche.
Schon der erste Blick zurück in den Weiher zeigt wieder die vor Siegessicherheit trunkene Grimasse des Unvorsichtigen - nur dass er in dieser Sekunde auch noch erkennen muss, dass er vor sich selbst davon läuft.
Bevor man aber selbst zum Weiher werden kann, muss man Stunden um Stunden dort sitzen und sein Spiegelbild im Wandel beobachten.
Erst wenn man auch die grässlichste  und schönste Darstellung seiner selbst gesehen hat und das Gesicht trotzdem nicht abgewandt hat oder dem Narzissmus verfallen ist , kann man sein reines, wahres Sein erkennen.
Dann erst ist man bereit selbst zu Wasser zu werden und sein Erscheinungsbild, seine Oberfläche zu verändern, so das sie immer jene Anteile des Gegenübers zeigt, die er sich selbst nicht eingesteht.

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Kommentare zu diesem Text

Lady_Harmony (43)
(13.08.08)
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 Abhorsen meinte dazu am 14.08.08:
Ich habe dir zu danken, denn dieser Kommentar ist mir einiges wert.
er zeigt mir dass ich die richtigen worte gefunden habe zu beschreiben was in mir vorgeht, dass ich es geschafft habe mich jemandem mitzuteilen der eigendlich nichts über die hintergründe weis, das ist ein sehr schönes gefühl.
auch deinen hinweis, dass es in jedem leben den moment geben kann, indem man spiegelsee wird, oder sich dabei ertappt, wie man sich angeekelt abwendet, finde ich wichtig.
er hält mich davon ab zu.......arrogant zu werden.
nachdenkliche Grüße
Abhorsen
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