Eine radikale Sau im Television; und immer wieder noch eine; und später nicht mal mehr nur im Television;

Glosse zum Thema Gesellschaftskritik

von  theatralisch

Ich mag es nicht, wenn im Television radikale Menschen vorgeführt werden, als wären sie saftige, erntereife Äpfel auf üppig behangenen Bäumen.

Irgendeine doofe Kuh, die oft in einer populären Fernsehsendung zu sehen war, war ein exzessiv transpirierender Mensch, den ich nicht leiden konnte. Ich schminkte mir den Mund bis weit über die Mundwinkel hinaus und malte mir sogar die Zähne ein wenig pinkfarben an, weil ich die Frau mit dem exzessiven, unsympathischen Lebensstil parodieren wollte. Meine Hände stemmte ich kräftig in die Hüften und die Oberlippe zog ich so weit nach oben, wie ich konnte. Also hatte ich ein merkwürdiges Gebiss, also konnte ich jetzt so richtig in die Offensive gehen. Mit der Hand strich ich mir oft und wutentbrannt im Ausdruck demonstrativ durch die Haare, als würde ich sagen wollen: „Puffi, du hasch ja keine Ahnung, keine Ahnung, was ich den ganzen Tag für Bananen fressen muss, dass ich satt bin und nicht so viel saufen muss! Puffi, Puffi.“ Und dabei sagte ich lediglich: „Dusslige Kuh, hast nen Hammer uffm Kopf! Ich habs doch glei gsagt. Ja ich haaaabs...“

Frau B. B. war eine blonde Hure, die mir bei jedem unserer, nach außen hin betrachtet, zivilisierten Treffen ihre nasskalte Flosse entgegenstreckte und mich auf irgendein koffeinhaltiges Getränk einlud, das ich nur deshalb trank, weil ich kein snobistisches Arschloch sein wollte. Meine Hände hatte ich auf den Armlehnen platziert und mein Lächeln strahlte frivol über den Tresen hinweg.

Warum war die Stimmung gut? Warum trat kein Zetern in den Vordergrund? Ich schätze, ich hatte die blonde Hure bei jedem Treffen so aus dem Konzept gebracht, dass Flair etwas war, das man nicht mehr kennen wollte. Man wusste, dass man Unbehagen fühlte, lächelte aber demungeachtet, weil man wusste, dass der andere sein Lächeln niemals ablegen würde. Ich bitte euch, nur für den Moment, nur für die emotionalen Empfindsamkeiten. Ja, dafür legt man doch kein Face-To-Face-Gebärdentum ab.

Meine Lungen schmerzen und der Television dudelt eine Beatlesmelodie. Ich singe mit, weil ich einerseits stets hingerissen bin von den pilzigen Hefeköpfen und andererseits bin ich zu ermattet, um zu kontern. Leider kann ich nur nachplappern, wie es die Weißköpfe tun, aber nicht weitererzählen, wie es die BundeskanzlerInnen tun.

Mein Frühstücksei esse ich gerne sehr lange gekocht. Ja, und warum ist das so? Weil es mir so besser schmeckt. Aber warum isst der Herbert Hering sein Ei nur kurz gekocht? Weil der Herbert Hering eine dünnere Haut hat als ich. Ach, ne, weil der H. H. einfach einen anderen Luxus gewohnt ist, also frühstückstechnisch. Man hat eine limitierte Zeit zur Verfügung und womöglich richtet man auch seinen Geschmack temporär aus. Zungen hat der Mensch ja nur die eine.

Dilettanten gibt es nicht nur am Strand, sondern auch im Supermarkt. Sie stehen uns gegenüber und flöten zu bekannten Melodien. Man will nichts mehr wissen, will nichts mehr stehlen, nicht mehr so viel sprechen müssen und auch kein neues Bier mehr zischen. Es ist ein Stundenmarathon zwischen zwei Seelen: die eine hat gar keinen Kopf und die andere nur einen dicken. Ich weiß nicht, warum ich mir die gegenwärtige Situation antue und nicht die Federbettenmeuterei favorisiere; aber ich weiß, warum ich gerne narzisstisch bin. Ja, das hatten wir noch nicht. Es ist wunderbar, stets ein Stückchen zu überragen. Dafür gibt es keine Statistik und auch kein Telegramm; nichts, was sich auf Dauer bewähren würde. Dafür gibt es nur ein bisschen Blut. Zwar nicht im Schuh, aber auch nicht auf der Brusttasche.


Anmerkung von theatralisch:

M's und P's Tochter war hier.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text

wupperzeit (58)
(18.08.08)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 theatralisch meinte dazu am 18.08.08:
Ja, wahrhaftig!
Hmhm, aus der Television. Ein Hint, den ich schon kannte;-).

So ist es richtig, so hat es Sinn, ur right.


Adiossi.
PerpetuumMobile (22)
(20.08.08)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 theatralisch antwortete darauf am 20.08.08:
Woa, ich bin ein schrecklicher Narzist.
Mein Opa war auch einer. Und zudem das Ebenbild von Hans-Joachim Kulenkampff. Kennst du den, also hast du seine Visage im Kopf? Scheiße, du, ich sag dir eines, mein Opa war das totale, absolute Ebenbild von Hans-Joachim Kulenkampff. Mimik, Gestik, Einstellung. Mein Opa hat sich auch lieber mit niedrigerem Volk (er als Bergwerksingenieur) abgegeben, weil er dann von den Angestellten bewundert wurde, was natürlich mit Gleichgestellten nicht möglich war. Aber immer wenn ich diesen Kuli im Fernsehen sehe, dann kommen mir die Tränen, weil mich dieser Mann einfach nur so wahnsinnig an meinen Opa erinnert.
Äh, ja, mein Opa war ein Narzist. Ich bin auch einer.
Ist doch nicht bad

Danke
und
adios.
(Antwort korrigiert am 20.08.2008)

 Bergmann (21.08.08)
Flott geschrieben!!!
Ich versuche jetzt, (in der Reihenfolge chronologisch rückwärts) in deine Texte und deine Schreibe reinzukriechen. Ich kommentiere dabei aber nur wenig oder nichts, dafür in der Kolumne dann umso ausführlicher.

 theatralisch schrieb daraufhin am 21.08.08:
Nun, darauf bin ich gespannt. Würde ich mal sagen.

 Bergmann äußerte darauf am 02.11.09:
So. Jetzt habe ich die Texte ausgewählt und schreibe die Kolumne - zum Freitag. Als nächster: mathis.- Ich krieg langsam wieder Lust zum KV-Analysieren...
Herzlichst: Uli

 theatralisch ergänzte dazu am 02.11.09:
Wenn du noch Texte brauchst oder dich an Texte erinnerst, die ich deaktiviert habe, sag einfach Bescheid; danke schön!

 Bergmann meinte dazu am 02.11.09:
Danke! Ich hab's schon fertig.
:-)
LostInWords (42)
(26.11.08)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 theatralisch meinte dazu am 26.11.08:
Ich finde es beachtlich (fand ich schon immer, auf jeden xbeliebigen Text bezogen), was sich für einen Außenstehenden aus so einem Text alles rausholen lässt, an Gedankengut. Wow, ernsthaft, weil ich immer keinen Sinn darin gesehen habe, überhaupt irgendeinen Text zu kommentieren, im Sinne von "Was hatn der Autor sich wohl dabei gedacht, mh mh.." weil ich ja selbst schreibe und weiß, dass man manchmal einfach irgendwas im Suff oder absent minded hinrotzt, das im Nachhinein wohl irgendeinen Sinn ergeben mag, weil ja alles im Grunde genommen irgendeinen Sinn ergibt. Jeder Satz hat Inhalt und wenn er gut klingt erst recht. Also, fand ich es immer etwas dahingestellt, warum jemand ein Symbol aus Borcherts "Brot"(hieß der so, glaub schon) rausfischen wollte, um sich dann darüber auszulassen.

Ja, merkwürdig, aber ich lege mich ja bekanntlich gerne mal selbst übers Ohr.

Salut,
I.
(Antwort korrigiert am 26.11.2008)

 Elén (06.06.09)
gern gelesen. zieht, das teil :)

lg dir.

 theatralisch meinte dazu am 06.06.09:
Oh, vielen Dank! :)
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram