Geranienblüten

Gedicht

von  Erebus

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Von einem Fenster fallen zart
Geranienblüten. Sieh, es fliegen
auch die ein Stück, die schwerer wiegen.
Bis sie der Wind zusammenschart.

Und wieder suchst du deinen Part.
Du denkst dich selbst in tiefen Zügen.
Doch wenig wird zuletzt genügen,
für dich und deine Eigenart.

Du siehst den Himmel, hoch und hart.
Und in den Strassen, stumm, verschwiegen,
fühlst du den Staub der Trauer siegen.
Nun ist dein Sommer aufgebahrt.

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Kommentare zu diesem Text


 Isaban (03.09.08)
Geranjen?
Hihi, ich habe das Problem auch immer, mit Liljen und Gladjolen.

Hm, hier bei uns blühen die Geranien eigentlich oft bis der erste Frost sie absterben lässt, wobei die leuchtenden Geranienblütenblätter ab Mai durchgehend von den Balkonen flattern - aber wo eine Blüte fällt, wächst meist - zumindest wenn sich die Sonne raus traut - auch wieder was nach.

Nicht schlecht, wie du hier mir nur zwei Reimen auskommst. Auch die umarmenden Reimform, bei der die kurzen, hart klingenden männlichen Kadenzen die weichen weiblichen umarmen ist gut gewählt, so wirkt es klanglich, wie eine natürliche Begrenzung der Strophen, was ja sehr gut zum Inhalt passt.

Der Part, eigentlich das einzige "Fremdwort" hinterlässt mich ambivalent, aber ich glaube, er soll ein bisschen fremd klingen und gleichzeitig vertraut, wie etwas, von dem man genau weiß, dass es vorhanden ist, nur nicht wo. Gelungen angewendet also.

S2 jedoch erschließt sich mir nicht vollkommen.


Und wieder suchst du deinen Part.
Du denkst dich selbst in tiefen Zügen.
Doch wenig wird zuletzt genügen,
für dich und deine Eigenart.


Klar steht da die Gone-with-the-wind- Assoziation im Raum, die in S1 aufgebaut wird - und dass auch die schwereren Teilchen dort fliegen. Doch wovon wird zuletzt wenig genügen und warum?

Und warum ist der Himmel in S3 hart? Von unten wirkt er doch eigentlich immer weich, wattig, manchmal wie ein Seidentuch oder offen, bei schlechtem Wetter schwer, bei Gewitter schwarz und zornig - aber immer noch eher im Bauschekleid. Oder liegen meine Assoziationen da so weit entfernt von deinen?
Ein Himmel wie Hartplastik, wie Sicherheitsglas, wie Fels, wie Stahl oder wie Beton o.ä. das passt so gar nicht zu den Geranien - und zu sehen ist es ja wohl auch eher selten.

Nicht dass das untergeht: Melodie und Stimmungsbild sprechen mich an, finde ich melancholisch schön.

Liebe Grüße,
Sabine

Edit: RS
(Kommentar korrigiert am 03.09.2008)

 Erebus meinte dazu am 03.09.08:
Liebe Sabine,

Ja, diese Blütenblätter fallen ständig herab, und gerade dieses Bild und das des Himmels regten mich zur ersten -jetzt hintanstehenden Strophe an.
31. August, Morgens der Himmel blass-türkis-bläulich, klar, hoch und -ja: hart. Ein wenig Herbst in der Luft.
Etwas später dann, in der sonntagsleeren Straße: Geranjenblütenblätter schwebten vereinzelt von Balkonkästen, trudelten und sammelten sich zum größten Teil in den Ritzen zwischen den Pflastersteinen: Geranjenbluten.
Aber das war nicht ausgeprägt genug, nicht exakt genug ins Pflaster geschrieben, um einen spektakulären Text zu schreiben. Ein faszinierendes geometrisches Aderwerk, wäre es nur deutlicher geworden. Nachhelfen wollte ich aber nicht.
Und im Hinterkopf schwirrte das Wort "Herbstbeginn". Es roch danach.

Es ist schön, das du den formalen Aspekten etwas abgewinnen kannst, wobei die mittlere Strophe reimatisch abweicht und auch inhaltlich nicht im Bild bleibt. Aber sie soll sich zwischen den anderen Verstecken. Das ist gut. Mimikri.

Wenn sie sich dir nicht ganz erschließt - hmm. Aber du liest es doch heraus. Warum das so ist, dass wenig genügen wird und warum - mein geliebter Herr Benn schreibt dazu: das ist eine Kinderfrage. Und genau darum geht es ja in diesem Gedicht, dass für sich selbst die Frage nicht stellt, auch wenn die darin umgeht. Zuletzt, denke ich, war's das wohl: alles. Mitunter wird es aber auch als wenig empfunden.

Das der Himmel hart sei, dass war mein eindeutiger Eindruck. Deshalb hat sich seine Höhe und Farbe ja auch bei mir eingeprägt. Und natürlich auch im Übertragenen gefiel mir seine Härte. Herbstbeginn.

Und es freut mich sehr, wenn dir das Gedicht gefallen kann. Herzlichen Dank!

Liebe Grüße
Uli

 Isaban antwortete darauf am 03.09.08:
Oh, den unreinen iegen/ügen-Reim habe ich als gelungenes Stilmittel betrachtet, als Ausdruck dessen, dass man sich eben nicht ganz rund ist, seinen Platz noch sucht.

Wovon wird wenig genügen? Von allem? Wofür genügen?
Vielleicht Kinderfragen, aber was wären wir ohne hinterfragen?
Ganz, ganz naive Kinder.

(Gedankenanregend ist es allemal.)

Liebe Grüße,
Sabine

 Erebus schrieb daraufhin am 08.09.08:
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Liebe Sabine,

nimm mir diese burschikos dahin geworfene Wort von der "Kinderfrage" nicht krumm. Es sollte als Verweis auf ein Gedicht gelten, das ich sehr schätze, "Nur zwei Dinge" von Benn, da suchte ich Übereinkunft im Verständnis.
Ich sehe und lese, was du meinst.
"Wovon wird wenig genügen? Von allem? Wofür genügen?" das sind drei Fragen, die ich nicht beantworten kann. Und gerade deshalb wird wohl wenig genügen müssen. Weder der Religion, noch einem erhofften Glauben, keiner Philosophie, keiner Wissenschaft gelingt es, mich mit einer Antwort zufrieden zu stellen.
Mag sein, ich kenne die richtige Kunde nicht, aber aus meinem ganzen Wissen kann ich nur sagen: mir muss anscheinend wenig genügen.
Auch wenn ich Fragen stelle. Keine Antwort vermag mich zu trösten. Alle Antworten öffnen sich wie Trichter zu den alten Fragen und zu neuen.
"Aber was wären wir ohne hinterfragen? Ganz, ganz naive Kinder." Ja, da stimme ich zu.
Ich schrieb aber auch nicht, das es keine Fragen mehr gibt.
Auch wenn sich alles gefühlt zu einer letzten großen Frage verdichtet, die noch nicht formuliert ist, die jedoch, so hofft man, wenn sich hinter der Grenze noch ein Bewusstsein erhält, beantwortet wird?
Jedoch, Fragen zu stellen, wenn man keine Antwort mehr erwartet, das erschiene mir - nein nicht naiv - aber irgendwie kümmerlich, mechanisch, getrieben und traurig. Außerdem glaube ich nicht, das der Umkehrschluss des Sesamstrassen-Songs richtig ist: wer viele Fragen stellt wird nicht automatisch schlau.
Ich wünsche dir einen schönen Tag!
Liebe Grüße
Uli

 tulpenrot (03.09.08)
Lieber Uli,

da ich keinerlei "Korrigierpflichtiges" an diesem zart-traurigen Text finde, gebe ich gerne zwei Sternchen. Der Inhalt und die Stimmung erschließen sich, die Form ist wieder einmal gut gewählt und konsequent durchdacht.
Anders als Isaban beobachte ich an den Geranien auch dieses Verflattern der Blüten - zurück bleiben oft die mageren Stängel (bei den Hängegeranien) oder bei den stehenden Sorten die dunkel vertrockneten Blütenstände, die absolut hässlich aussehen.

Da schwingt ein wenig Trostloses mit.

Der harte Himmel ist für mich auch kein Problem - er ist eben nicht nur "Firmament", sondern ein Synonym für "Gott" - er schweigt hart und unerbittlich. Da fließt kein Segen mehr, nur ein hartes "Nein" steht kalt und abweisend da.

Alles Fragen, alles Insichgehen bekommt keine Antwort. Verlorenheit. Die üppige Fülle des Lebens veflattert und verstummt, die Gassen des Lebens haben keinen Klang mehr. Es bleibt nur Weniges, Karges - und mit dem muss man sich bescheiden, zurecht kommen. Dieses Abschied nehmende Stimmungsbild, das vor dem eigentlichen Herbst kommt - wer kennt es nicht?
Weil mir alles an diesme Text gefällt, möchte ich ihn sehr gerne empfehlen und zu meinen Favoriten zählen.

Liebe Grüße
Angelika

 Isaban äußerte darauf am 03.09.08:
Anders als Isaban beobachte ich an den Geranien auch dieses Verflattern der Blüten

Isaban beobachtet das ausdrücklich auch. Etwa von Mai bis Oktober.

Es grüßt:
Isaban

 tulpenrot ergänzte dazu am 03.09.08:
Ohh, Mist - das ist von mir völlig missverständlich ausgedrückt!!! Entschuldige, Sabine! Der Satz, den du anmahnst, stimmt hinten und vorne nicht. Ich hab da was zusammengefasst, was anders rüberkam, als ich dachte ... da ich aber jetzt in Eile bin, komm ich später noch mal drauf zurück, um es zu korrigieren.
Angelika

 Erebus meinte dazu am 03.09.08:
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@Liebe Angelika,

weisst du, natürlich kenne ich das Fallen der Blütenblätter schon lange, aber noch niemals vorher habe ich es so "innerlich" gesehen. Interessanterweise war es auch weniger der Fall der Blätter als dieses Ansammeln in der Pflasterfugen, die roten Spuren. Dann der Blick nach oben, da schwebten zwei drei herab
Ein wenig trostlos, das darf sein, zu sehr ist der Text hoffentlich nicht geraten. Auch wenn der Himmel hart ist. Ja, oder wie du schreibst, abweisend und unerbittlich.
Ich danke dir ganz herzlich für deinen Kommentar, und dafür, das es dir zu den Favoriten zählen darf!

Liebe Grüße

Uli
janna (60) meinte dazu am 03.09.08:
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 tulpenrot meinte dazu am 03.09.08:
Jetzt kommt die Korrektur zu dem Satz:
Anders als Isaban beobachte ich an den Geranien auch dieses Verflattern der Blüten - zurück bleiben oft die mageren Stängel (bei den Hängegeranien) oder bei den stehenden Sorten die dunkel vertrockneten Blütenstände, die absolut hässlich aussehen.

Isaban betonte eher, dass sich nach dem Abblühen und Verflattern etwas Neues stattdessen bildet.
Ich hielt jedoch mein Augenmerk mehr darauf, dass diese leeren Stängel übrig bleiben, und die hässlichen vertrockneten Blütenstände - das Neuwerden bleibt langsam aus.

Kann man es jetzt verstehen?
Angelika

 Hans (03.09.08)
Ein gelungenes Gedicht über das Sommerende ! Bleibt nur die Hoffnung, dass es zwei Wochen zu früh erscheint. Bei mir blühen noch Geranien und jeder Tag ist kostbar, bevor die Melancholie uns einholt, die diese Verse so treffend beschreiben.

 Erebus meinte dazu am 03.09.08:
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Hallo Hans,

Mein Dank für deinen Kommentar, für dein Lob!
Ja, noch kommt der Herbst wohl nicht so richtig, aber dass der Sommer geht, dass ist schon spürbar. Vielleicht stecken wir grade dazwischen, so wie in der fünften Jahreszeit von Tucholsky, und was da aufgebahrt lag war doch nur ein altes Pferd

Liebe Grüße
Uli
chichi† (80)
(03.09.08)
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 Erebus meinte dazu am 03.09.08:
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Liebe Chichi,

ich bedanke mich!

Liebe Grüße
an dich

Uli
Caterina (46)
(03.09.08)
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 Erebus meinte dazu am 08.09.08:
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Liebe Caterina,
weißt du, eigentlich mag ich Geranien gar nicht, zumindest nicht die hier beschriebenen, die aus den Balkonkästen hängen, aus der Ferne plüschig rote Wolken, aus der Nähe eher strunkig (oder wie sagt man?)
Aber ihre Blütenblätter, die über den Weg gestreut sind, herumwirbeln, die mag ich.
Wie dumm aber, das sich der Rückzug des Sommers gleich am Tag darauf bewahrheitete und nun immer unappetitlichere Züge annimmt. Mein Garten ist übersät von fauligen Äpfeln, die im Minutentakt aus dem Baum fallen und mit hässlichem Geräusch zerpatschen. Es riecht nach Gärung, nass und faulig.
Ich hoffe auf Sonne.

Lieber Grüße
Uli
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