Party

Kurzgeschichte zum Thema Freundschaft

von  Seelensprache

"Zeit ist eine Illusion"
"Ach ja?"
"Ja"
"Ohne Veränderung existiert keine Zeit"
"Subjektiv vielleicht"
"Nein, der Standpunkt ist dann egal"
"Mal ehrlich. Kannst du dir das vorstellen?"
"Schwerlich"
Ich gehe auf Toilette. In der Wanne liegt Bier. Ich lausche Worten, die durch den Türspalt dringen. Es geht um kackende Puppen. Das richtige Thema für einen Toilettenbesuch. Ich hoffe nicht scheißen zu müssen, denn bei mir duftet es nicht nach Blumenwiese. Die Lüftung ist schlecht; keine Klima. Ich bilde mir ein, es sei mir egal. Britta erzählt von ihrer Puppenphobie. Ich denke mir: "Die sind doch alle hacke". Dann lache ich. Britta fragt warum. Ich antworte: "Das willst du nicht wissen" und lache wieder. Ich scheiße nun doch. Ich wische, spüle, schrubbe, spüle, seife und stell mir vor ich sei auf einer Blumenwiese. Ich schaue in den Spiegel und zwinkere mir selbst zu. Ich fahre durch das Haar und lege es über die wuchtigen Geheimratsecken. Ich gehe Richtung Tür und kurz bevor ich sie öffne, schaue ich noch einmal in den Spiegel. Ich bin Zentrum.
Ich öffne die Tür einen Spalt, schlüpfe hindurch und bekomme von Schwarti etwas "zum Vernichten" in die Hand gedrückt. Ich schnuppere daran und rieche das Gift das allen Willen brechen wird. Ich verziehe das Gesicht. Ebenso Britta, die nun fragt ob dies notwendig gewesen sei. Ich verstehe. Ich werde rot, doch es ist dunkel genug, um es zu übersehen. Ich ziehe die Tür zu.
Die letzten fünf sind übrig geblieben. Es gibt immer eine letzte Gruppe; die Verbliebenen, die sich nicht gehen lassen wollen, die sagen "Trink. Friss. Bleib Liegen" Niveau ist hier nur noch eine Handcreme und das ist gut so.
"Wirst du gerne von hinten gefickt?"
Die Frage ist ihr unangenehm, doch es ist spät und ein Bier in der Hand zu halten, macht es erträglicher. "Ja", sagt sie und lacht und hofft, alle mögen es vergessen.
Es ist früh am morgen. Wir sind müde und ein Ende ist in Sicht. Dauer ist Qualität und so sitzen wir und Zeit zieht vorüber und lächelt und bleibt stehen und manchmal da möchte ich sie halten und zu Boden werden damit sie den Moment nicht nimmt und ein anderes mal da möchte ich sie schubsen und stoßen, damit ein Ende mich erlöst.
Flecken zieren den Boden und es klebt und es fühlt sich richtig an. Und wir sitzen darauf, nicht auf den Stühlen und nicht am Tisch, sondern lehnen an der Tür, liegen auf dem Boden und wir sind frei. Wir nippen an unseren Gläsern und heben die Flaschen an unsere Lippen und trinken. Wir schweigen und sagen nichts. Dann wieder kommt ein Wort, ein Laut oder ein ganzer Satz und wir lachen. Und dazwischen, wenn wir realisieren, dass wir nicht ficken und wir wieder einsam nach Hause gehen werden, da sind wir einen Moment traurig und nachdenklich. Doch nur kurz, denn schon bald lachen wir wieder, denn es ist schöner als traurig zu sein.
Schwarti hebt das Glas am Mund vorbei und verschüttet es auf seinem Shirt.
"Das kostbare Gut!", grinst Britta.
"Tschuldigung, hab vergessen zu schlucken". Wir lachen.
"Ich find schlucken toll", wirft Melle in den Raum. Das war klar. Das ist typisch für sie.
"Wie soll ich das jetzt verstehen?", fragt Manu.
Sie zuckt mit den Schultern. "Na ja, einfach so halt"
"Ja, ja, schon klar"
Wir alle grinsen und trinken. Es ist schön. Es ist locker. Es ist unkompliziert. Wir sind Menschen. Hier dürfen wir es sein.
"Life sucks"
"Wie kommst denn jetzt da drauf?"
"Ach mann Alter ist doch so"
"Hä, wie jetzt?"
"Ihr seid korrekt". Ja, ja, so ist das. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen an dem wir uns alle lieb haben und uns gegenseitig versichern, wie toll wir uns finden.
"Vergiss sie Alter! Komm schon man, schau nach vorne!", versucht Schwarti ihn aufzumuntern.
"Eben, andere Mütter haben auch schöne Töchter". Es ist Zeit um nachdenklich zu werden. Gut gemeinte Ratschläge, die jedes Glückskecks konkurrenzlos hinter sich lassen, werden großzügig verteilt.
"Ey man Alter du hast was besseres verdient. Sie ist 'ne Schlampe"
"Ach halt doch dein Maul Manu. Glaubst du, das ist das, was er hören will?"
"Ich sag halt was ich denke. Ist doch besser ich bin ehrlich oder nicht?"
"Du raffst halt mal gar nichts! Ist nicht immer alles so simpel wie bei dir!"
"Was weißt du denn über mich?"
"Das was du laberst reicht mir schon!"
Die Stimmung droht zu kippen. Ich halte mich raus. Ich höre zu, doch mische mich nicht ein. Solche Probleme löst man nicht an einem solchen Abend und nicht zu einer solchen Zeit. Vielleicht löst man sie auch gar nicht. Vielleicht sollte man die Zeit schubbsen und stoßen damit sie all dies Übel mit sich nimmt.
Alle steigen ein. Es werden Wahrheiten gesagt. Es ist Luft und Stimmung entlädt sich. Es ist heilsam, wenn auch verletzend. Manu geht und schlägt die Tür hinter sich zu. Melle weint. Ich nehme sie in den Arm und tröste sie. Wir versichern, es sei nicht ihre Schuld und die Party sei toll gewesen. Dann beschließen wir, dass es Zeit sei, sich auf den Nachhauseweg zu machen. Wir verabschieden uns. Melle kann nun nicht mehr aufhören sich zu entschuldigen. Wir alle sind müde und kaputt. Die Tür schließt sich.
Innen wird das Licht gelöscht. Wir schwingen uns auf unsere Räder und fahren nach Hause.
Wir realisieren, dass wir einsam sind und fahren schneller und schneller. Wir kommen an, steigen ab, öffnen die Tür, schmeißen unsere Klamotten auf den Boden und fallen in unser Bett.
Es war eine gute Party.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (19.10.19)
Du bemühst Dich hier um einen Bret-Easton-Ellis-Touch. Das ist aller Ehren wert, aber inzwischen kalter Kaffee.
Das gilt übrigens auch, wenn Du noch nie was von Bret Easton Ellis gelesen hast, was ja offensichtlich sehr wahrscheinlich ist, stimmt's?

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 08.11.19:
Habe mir mal mehrere kein-Belag-Sachen hintereinander angesehen, dieses scheint trotz der Mängel die beste Arbeit zu sein.
Nichts für ungut.
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