Llorando

Text

von  beneelim

Es wird heller werden, ganz sicher, und dann wechsle ich den Atem, so will ich hoffen. Manche sagen, das Alter vertreibe gute Gewohnheiten aus den Menschen und setze alberne Sturheit an ihrer statt. Ich habe nie danach verlangt, darüber Gewissheit zu erlangen, und so kommt eines zum andern. Ich sehe dich:
Du sitzt nun irgendwo beisammen mit all den übrigen, mit denen, die sich wundern und die trauern und ich bin ihnen nicht näher gewesen, als die Wolken dem Wasser, auf dem sie sich spiegeln. Ich habe den Wind an seinem Saum gefasst, und ich bin mit ihm gereist. Ich weiß, du wirst mit ihnen nicht sprechen, und ihnen ist noch nie der Sinn danach gestanden, zu verstehen. Sie lieben die Worte, die zu Boden stürzen und ihn vernarben, die sich breitbäuchig zwischen die Ereignisse schieben, sie schleifen, bis selbst ein taubfüßiges Kind sich daran nicht mehr stoßen könnte. Du aber wirst schweigen. Schweigst bereits. Lächelst vielleicht bei diesen Zeilen und suchst dir eine Erinnerung, in der kein Schmerz deiner habhaft werden kann. Schutz suchend, Schutz erbittend. So kamst du mir immer vor, als es noch etwas gab, aus dem eine Vorstellung entstehen konnte: Ein Gemeinsames, und wenn nur das verschwiegene Sitzen im Zug, nebeneinander, einander gegenüber.
Deine Augen, die sich einen Punkt in der Ferne suchten, weil ringsum Wiesen, Häuser und Felder im Schleier vorüberzogen. Erdfarben eines Sommers, der beinah leibhaftig war. Mit Gerüchen, Sanftmut und den warmen Regenschauern, die in Reisereklamen den Abendspaziergang von Liebespaaren zu einem wohltemperierten Ende führen.

Da Capo: Du hast mich verlassen, und ich gehe, und mit jedem unserer Schritte wächst die Naht, die verbindet und heilt. Wir ziehen Spur, einer im anderen, darum bleiben deine Züge glatt, dein Auge traumtrunken und dein Atem trägt Ton um Ton lippenwärts. Luftblüten. Warum Dinge so geschahen, wie sie geschahen, warum eine Wahl stets in ein Schicksal führt, wo sie doch jeden Augenblick erneuert und unzählbar verschieden zur Verfügung steht. Wie wir gelebt hätten in einer jungen, einer wilden Welt, mit weniger Ordnung und viel mehr von uns selbst. Und dann, zuletzt, woran wir uns halten: Nichts weiter als wir beide, über die wenigen Jahre hinweg und unser Angebot an eine verschuldete Zeit; unsere Träume über diese Fragen, und darüber haben wir etwas verschlafen. Etwas. Du meintest, es wäre aus dem Norden gekommen, und du hast manchmal einen Finger danach gestreckt, und ich wollte meinen Finger darauf verwetten, dass du niemals gewusst hast, in welche Richtung du deutest.

Da hast du gelächelt, und ich hatte gar nichts gesagt.


Anmerkung von beneelim:

post coitum omne animal triste

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Kommentare zu diesem Text

minze (21)
(28.10.08)
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