Mick-Mack-Motherfuck

Erzählung zum Thema Freundschaft

von  Mutter

Gabi sagt, er hat Mick beim Blocken gesehen. Ich habe schon eine Weile nicht mehr mit ihm geredet, aber offensichtlich arbeitet er noch. Gut zu wissen. Gabi kann Mick nicht ausstehen – nennt ihn Mick-Mack-Motherfuck. Ist so eine ganz alte Geschichte, angeblich hat ihm Mick mal die Freundin ausgespannt. Es war aber, glaube ich, eher so, dass Mick der Sarah ein paar Dinge über Gabi gesagt hat, die sie noch nicht wusste. Sie hat dann Schluss gemacht, aber mit Mick hatte sie nie was.

Der ist auch nicht so der Typ, der bei Frauen Schnitt hat. Arbeitet, wenn er kann, siebzig, achtzig Stunden die Woche, und hat trotzdem keine Kohle. Der einzige Mensch, den ich kenne, der seit fast vier Jahren keine Krankenversicherung hat. Wahrscheinlich gibt’s davon ziemlich viele Leute, nur kennen tu‘ ich die nicht. Deswegen hat er auch so ein kleines Problem mit dem Mundgeruch. Zahnarzt kann er sich nicht leisten, und hat fast nur noch so braune Stummel im Mund. Die Schmerzen gehen, meint er. Ist nur immer ein paar Tage lang krass, dann verschwinden sie wieder. Wurzel stirbt ab, nehm‘ ich an.
Ich habe mal eine Weile zusammen mit Mick geblockt. Der Job war okay, wenn auch ein bisschen langweilig. Passiert halt nicht viel, wenn man nicht gerade wütenden Anwohnern erklären muss, dass sie nicht durch können. Zweimal haben sie mir Prügel angedroht, aber gemacht haben sie nichts. Mick meint, dass sind die „Cowboys“, auf die steht er ganz besonders. Einer von denen ist ihm mal mit dem Auto über den rechten Fuß gefahren, war aber nur eine Prellung. 
Im Winter hab‘ ich dann aufgehört, ist einfach zu kalt geworden. Zehn, zwölf Stunden stehst du da, die Kälte kriecht dir durch die Schuhe hoch, und wenn du richtig Glück hast, fängt es noch an zu regnen.

Ich sei zu weich, hat Gabi gesagt. Natürlich. Mick hat nichts gesagt, aber gedacht hat er wahrscheinlich dasselbe. Er hofft immer noch, irgendwann Beleuchter zu werden. Viel besser bezahlt, und mit richtig viel Zeug am Gürtel. Als Beleuchter gehört man schon zu den wirklich Coolen beim Film.
Das ganze Geld, das Mick beim Blocken verdient, geht für die Miete drauf – und für’s Abbezahlen seiner Schulden. Er hat früher mal eine Weile für Leute gearbeitet, die man besser nicht kennen will, sagt Juri. Dann ist ein Ding richtig blöd gelaufen, Mick hat’s verbockt, und sitzt seitdem auf einem Riesen Haufen Schulden. Die er seit Jahren abbezahlt. Essen tut er nur beim Film, Catering. Problem ist, wenn er mal ein paar Tage nicht blockt, isst er halt nichts. Weigert sich, Geld dafür auszugeben.
Irgendwann habe ich ihn mal besucht, er war eine Woche krank gewesen. Haben ihn nach Hause geschickt, vom Dreh weg. Er ist natürlich Null gesund geworden, wo er nichts gegessen hat. Ich habe dann für ihn eingekauft, und Juri verdonnert, die nächsten paar Tage nach ihm zu sehen.
Wenig später hatte ich ihn auf dem AB, hat sich kurz bedankt, und dem Lärm nach war er wieder auf der Straße, am Set.

Julia mochte Juri. Vielleicht als einzigen von meinen Freunden mochte sie Juri wirklich. Das Problem war nur, mit Juri konnte man nichts anfangen. Nicht einmal wir konnten das, und Julia noch weniger. Es war einfach so, dass er nichts sagte. Sich nicht äußerte, keine Meinung hatte. Oder sie jedenfalls nicht kundtat. Juri war einfach immer nur dabei – wie so’n stummer Diener, Alfred von Bruce Wayne vielleicht, oder der Diener von Zorro.
Gabi kennt Juri schon am Längsten, und er schwört, dass Juri früher in der Grundschule eine Quasselstrippe gewesen sei, die Fresse nicht mehr zu bekommen hatte. Aber irgendwann sei er auf das Klischee vom schweigsamen Russen gestoßen, Red Heat, Drago und Klitschko und so, und hätte beschlossen, sich zu ändern.
Ist natürlich Müll, aber es ist ein merkwürdiger Gedanke, sich Juri laut und albern vorzustellen. Außerdem bricht sich das Bild normalerweise, wenn die schweigsamen Russen trinken: Dann werden sie laut und albern, und abwechselnd melancholisch. Juri wird dann nur melancholisch. Sitzt in einer Ecke und weint, und sieht dabei so hilflos aus, dass man Mitleid mit ihm haben muss. Und sich beherrschen muss, nicht laut loszuprusten, so unmöglich sieht er aus.
Aber irgendwer hat ihn immer im Arm, und die Frauen lieben es, wenn er so auseinanderfällt. Nützt ihm aber nichts, er ist zu fertig, um mit ihnen ins Bett zu gehen. Gabi hat schon öfter gesagt, er würde Juri seine Seele verkaufen, wenn er ihm den Trick beibringen könnte. Juri sieht ihn dann immer nur ruhig an, so lange, bis Gabi weggucken und einen Witz machen muss.
Überhaupt ist Juri der einzige, der Gabi so etwas wie Respekt abnötigt, und ihn zumindest zeitweise in die Schranken weisen kann. Bei jedem anderen führt der Versuch, sich zu wehren, ihn zurückzudrängen, nur dazu, dass Gabi umso heftiger weitermacht. Es ist so eine Art Wettstreit, und wer lauter, dramatischer, witziger und gemeiner ist, der hat gewonnen. Wir haben alle gelernt, uns nicht auf diese Auseinandersetzungen einzulassen – niemand kann gemeiner, lauter und vor allem witziger als Gabi sein.

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Kommentare zu diesem Text

Kitten (36)
(29.11.08)
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 Mutter meinte dazu am 30.11.08:
Du hast Recht - der Titel ist etwas irreführend. Kommt so ein wneig daher, dass die einzelnen Abschnitte natürlich überhaupt keine Überschriften/Titel haben, sondern aufeinander folgen.

Und für KV musste ich mir also Titel überlegen - und obwohl ein Titel wie 'Juri & Mick' vermutlich akkurater gewesen wäre, habe ich mich den verkaufstechnisch vermutlich erfolgreicheren Titel 'Mich-Mack-Motherfuck' entschieden - so ganz unbewusst.

So richtig Schuld bin ich also nicht. Weißte ja.

Den Tadel zu Mick, zu zu viel Mick und zum Blocken (ist übrigens das 'Absperren' und so beim Film) nehme ich an - mal schauen, ob ich Micks Rolle hier schon klarer abgegrenzt bekomme. Ansonsten bekommt er halt später seinen Auftritt.
Vielen Dank fürs Auseinandersetzen, und für das Lob - 'lässig' jefällt ma'. ;)
thammü (22)
(03.02.09)
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 Mutter antwortete darauf am 09.02.09:
Würde mich freuen ... :)
Danke und danke.

Gruß, M.
Martha.Himbeere (32)
(05.11.09)
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 Mutter schrieb daraufhin am 07.11.09:
Oh, danke schön ... :)

*knickst*
Alegra (41)
(02.03.10)
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 Mutter äußerte darauf am 02.03.10:
:)
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