Neuphorisiert

Erzählung zum Thema Geheimnis

von  Anifarap

Die Alpen kratzten in den blauen Himmel, hinter dem Flugzeug verschwand das Meer. Neben ihr saß ein Ehepaar, teuer gekleidet trotz Finanzkrise über den Kauf einer neuen Jacht spekulierend. Sich abwendend von dieser Realität blickte sie wieder aus dem Fenster, dachte an die Olivenernte, an das eiskalte Bad im Quellwasser zwischen den Felsen alter Berghänge. Zwei Wochen durchgeschüttelt von den inneren Geißeln, getrieben unruhig, bedauerte sie nun die Rückkehr.
Manchmal ruckelte der Flieger etwas, jedoch wurde es nie unruhig, das Gefühl zehntausend Meter über den Erdboden zu sein, ließ sie wach werden, wach wie sie selten war.
Früher, da hatte sie geschrieben. Bei dem Gedanken streifte ein bitteres Lächeln die leicht trockenen Lippen.
Als sie dem Spiegel begegnet war, vor einigen Monaten, da starb das Gewicht des Wortes in ihr. Das Schweigen wurde eine übermächtige Gewalt, die sie begann auszufühlen und noch so jeder Versuch etwas zu schreiben, scheiterte an der Bedeutungslosigkeit des Äußeren.
Sie zog einen  Zettel aus ihrem kleinen Rucksack, einen Filzstift und begann erneut:

Ein Hauch schneit in diese leere Welt.
Das Auge zuvor gefesselt an ein ausgeschnittenes Rechteck von Himmel, fällt erdwärts, schmiegt sich an eine Bewegung, zart und leicht, kaum wahrnehmbar. Ein leichtes Flattern der Lider, ein Flügelschlag vielleicht, fängt seine Aufmerksamkeit.

"Dein Blick eröffnet ein neues Licht, fremdvertraute Sonnensplitter segeln mir entgegen, lassen mich entzückend gelöst lächeln tief im Innern. Verloren sinke ich ein in dieses Licht, lasse mich blind schlagen und bin doch sehend, um uns rast die Welt, irr geworden umher. Zaghaft dieses Mal, eigentlich jedes Mal, selbst wenn ich einen wilden Impuls nicht unterdrücken kann, beinahe ängstlich sende ich meine Hände aus, lasse die Finger durch die Luft gleiten, magnetisch angezogen von der Energie, die deine Haut ausstrahlt, die dein ganzes Sein bestimmt. Schließlich berühren meine Fingerspitzen deine Wangen. Die Haut scheint sich mit meiner zu verweben. Meine Hülle schmiegt sich an dich, an deinen Geist, an deinen Atem. Die Wärme deines Körpers durchfließt jede meiner Zellen, breitet sich aus, umringt mich, hüllt mich ein. Dein Herz schlägt, ich lausche atemlos, zähle und schweige und schlage mit meinem Herzen in Takt, bleibe im Rhythmus und kann nicht mehr sagen, was Dir, was mir ist. Nicht mehr zuordnen, ob es meine Haut ist, die du berührst, oder deine, die ich berühre. Ist es mein Gedanke, der dich durchtränkt oder dein Gedanke, der mich erfüllt. Ich lausche dem Sein, verliere mich darin. Meine Lippen liebkosen deine Wangen, wandern zu deinem Munde, versiegeln ihn und alles verschwindet in hellen Lichtbahnen. Alles löst sich auf. In einem stillen Sturm. Und der Hauch schmilzt auf unserer Haut, die ineinander verwebt ist, zu einem Tuch aus dem ein neues Bewusstsein blickt seine Augen öffnet und mit deinem Blick mich gebannt hält, als hätte ich zuvor nicht existiert."


Leise knurrend legte sie den Filzstift fort und zerknüllte den Zettel, die Frau neben ihr sah kurz zu ihr herüber und sie lächelte nichtssagend zurück.
Die Worte trafen nicht anähernd das Gewicht dieses einen Momentes, der oft aufgetaucht war in den letzten Wochen. Sie trafen nicht mal knapp daneben, sie waren meilenweit entfernt.
Ein leiser Seufzer löste sich von den Lippen. Der Blick wanderte aus dem Fenster und  eine dicke Wolkendecke präsentierte sich über dem Landepunkt.
Als sie den Stift zurücksteckte fiel ihr Blick auf ihre Hand. Der Ring glänzte immer noch frisch, als wäre gerade erst geschmiedet worden.
Sie vergaß das Wort und ihr Kopf begann zu schweigen.

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Kommentare zu diesem Text

Baldachin (55)
(04.12.08)
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giftpreisträger (50) meinte dazu am 04.12.08:
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 Anifarap antwortete darauf am 05.12.08:
@ Baldachin: Hübscher Kommentar. Leider wenig hilfreich.

@ Giftpreisträger: Ja, das tue ich auch so. Dankeschön.
Baldachin (55) schrieb daraufhin am 07.12.08:
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giftpreisträger (50) äußerte darauf am 07.12.08:
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 Anifarap ergänzte dazu am 07.12.08:
So, schön, ich mache euch beiden nun ein Angebot, das ihr nicht ausschlagen könnt: Durchaus bin ich nach zweieinhalbjähriger Zugehörigkeit zu dieser Plattform in der Lage darüber zu urteilen, dass es hier ungruselige Personen gibt, die des Schreibens fähig erscheinen. Und auch wenn ich die Freude nicht verbergen kann, die mir dieser nette Schlagabtausch derzeit bringt, bitte ich doch darum, irgendwelchen gewollten, konstruierten Konkurrentenhickhack zu unterlassen, sonst sehe ich mich gezwungen die "Familie" einzuschalten. Trotz allem ein höfliches Dankeschön für die Aufschlüsselung des Kommentars, Baldachin. Und ebenso Dank für die Erweiterung meines Sprichwortschatzes geht an Herrn Giftpreisträger.
(Antwort korrigiert am 07.12.2008)
giftpreisträger (50) meinte dazu am 07.12.08:
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 Anifarap meinte dazu am 07.12.08:
XD

 Dieter Wal (15.12.09)
Den Schlussabsatz würde ich weglassen. Er schwächt den Text durch eine in meinen Augen unnötige Rahmenhandlung. Im Leser entsteht eh eigenes Kopfkino mit oder ohne tieferen Leseremotionen, die vom Text freigelegt werden. Bei mir enstehen sie. Ich verstehe dein inhaltliches Anliegen des letzten Abschnitts. Es schwächt wie gesagt den Text und ist für den Leser weniger entscheidend als möglicherweise für die Autorin. Faszinierende Bilder.

 Dieter_Rotmund (12.02.19)
anähernd -> annähernd
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