Treff.Punkt.Herz

Kurzgeschichte zum Thema Begegnung

von  Martina

Da hatte Jens nicht mit gerechnet. Sie stand vorne am Tresen und unterhielt sich angeregt mit dem Wirt.
Kein Wunder, denn sie hatte eine Art an sich, die jeden um den Finger wickeln konnte.
Ja, sie hatte das gewisse Etwas. Er wußte nicht, dass sie auch hier war...
So ganz nebenbei hatte er es mal in einer Email erwähnt, dass er heute Abend hier mit Kumpels sein würde.
Obwohl er sie noch nie in real gesehen hatte, wußte er instinktiv, dass SIE es war.

Ganz und gar irritiert stand er jetzt im Raum, vergaß mit wem und weshalb er hierher kam.
Die Freunde gingen schon vor zum Stammtisch und bestellten die erste Runde. Alle waren gut gelaunt, hatten sie doch heute Männerabend. Mal alleine raus, ohne Frauen. Darauf freuten sie sich den ganzen Monat.
Erst als einer der Freunde seinen Namen dreimal rief, gesellte er sich zu ihnen an den Tisch.
Er gab dem Wirt ein Zeichen, der ihm dann unverzüglich sein Bier brachte.
Jens saß seitlich vom Tresen und hatte somit einen guten Blick auf die Frau. Es war ein komisches Gefühl, sie nun hier vor sich zu haben. Er hatte ihr soviel von sich erzählt, von den Sorgen die ihn plagten, und überhaupt von seinem Leben allgemein. Eigentlich war sie doch eine Fremde und doch war sie ihm in den Mails so vertraut wie keine andere.
Aus der Jukebox sang in seiner einzigartigen Stimme Leonhard Cohen ein langsames, tief gehendes Lied.
Er mochte seine Musik. Sie passte jetzt genau ins Bild.
Nervös griffen seine Finger zur Zigarettenschachtel von einem seiner Kumpels. Eigentlich hatte er schon vor Monaten aufgehört mit dem Rauchen. Doch jetzt brauchte er einfach einen tiefen Zug.

Sie saß immer noch, die Beine locker übereinander geschlagen auf dem Barhocker. Der Wirt erzählte ihr lachend irgendetwas und sie hörte ihm einfach zu.
Die schwarze, enge Hose stand ihr verdammt gut. Dazu ein weißer Rollkragenpulli und eine schwarze Wildlederjacke. Die dunkelbraunen Haare fielen ihr weich über die Schultern.

Jetzt hatte sie ihr Kinn auf der Hand abgestützt und schaute versonnen in ihr Glas Wein.
Eine Weile saß sie einfach nur schweigend da und als sie den Blick -plötzlich und unerwartet für ihn- hob,
schaute sie ihm direkt in die Augen.
Jens hatte das Gefühl verschlungen zu werden, von einem Untier namens Begierde.
Seit er verheiratet war, hatte er so etwas nicht mehr erlebt. Glühende Kohlen polterten durch seine Adern und sein ganzer Körper schien in Flammen zu stehen.

Sie lächelte ihn an...
Jens musste erst mal weg. Am besten auf die Toilette und sich mit Wasser sein Gesicht kühlen.
Hastig erhob er sich vom Stuhl und kam 5 Minuten später etwas gefasster zurück. Sie saß immer noch da, aber mittlerweile hatte sich ein anderer Gast zu ihr gesellt. Am liebsten hätte er mit ihm den Platz getauscht. Aber das gab er nicht zu. Irgendwie war ihm komisch zumute.
Sie übte eine seltsame Anziehungskraft auf ihn auf und es kostete ihn größte Überwindung, nicht zu ihr zu gehen. Natürlich könnte er sie begrüßen, es war ja nichts dabei.
Aber er hatte Angst...er hatte Angst vor diesem unerklärlich starken Gefühl, welches sie in ihm auslöste.
In ihrer Gegenwart schien er nicht mehr Herr seiner Sinne zu sein.

Er bekam wieder keine Luft und verließ kurz die Kneipe um frische Luft zu schnappen. Seine Freunde würden sich wundern, aber das war ihm jetzt reichlich egal. Er trat vor die Tür und zog kalte Winterluft tief in die Lunge.
Hier fühlte er sich etwas sicherer...hier wo sie NICHT war.

Der Vollmond stand am Himmel und tauchte alles in mystisches, silbriges Licht.
Er sah die bizarren Äste der Kastanie, die sich sanft im Abendwind wiegten.
Die dunklen Wolken schienen Fratzen zu schneiden und ihn auszulachen.
Seine Fantasie ging wohl langsam mit ihm durch...

Jens lehnte sich an den Baum und roch den Duft der alten Rinde.
Seine Hand gleitete fast zärtlich darüber und er erschrak, als eine Frauenhand sich über seine legte.
Jens war so vertieft gewesen, dass er die Frau nicht hatte kommen hören. Er spürte, wie sie ganz nah hinter ihm trat und ihm war, als könnte er ihr warmes Blut rauschen hören.

Heißer Atem traf seinen Hals, als sie sich fest an seinen Rücken drückte. Warme Lippen berührten fast hauchgleich seine Halsschlagader. Ein Zittern durchfuhr seinen Körper. Ausweglosigkeit machte sich breit. Doch ehe er sich versah, hatte sie sich von ihm weggedreht und verschwand mit schnellen Schritten zum Parkplatz.
Was zurückblieb, war ihr sündiges Parfum und eine Nacht, von der er sich fragte, ob sie überhaupt stattgefunden hatte. Ausserdem begleitete ihn seitdem eine Sehnsucht, die er sich nicht erklären wollte.

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Kommentare zu diesem Text

Wildhüter (51)
(23.12.08)
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 Martina meinte dazu am 23.12.08:
Das hast du wirklich gute beschrieben...genau so war es gemeint. Fröhliche Weihnachten wünscht dir Tina.
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