Die Ergonomie einer Liebe

Kurzgeschichte zum Thema Leben

von  Secretgardener

(…einer Liebe, die vielleicht nicht einmal eine war)
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Es fing an, wie es immer anfängt. Er trifft sie, sie trifft ihn; vielleicht flogen sie auch ein Stück nebeneinander her, und einer sah kurz zur Seite. Sie redeten miteinander, er wollte sie, sie wollte ihn, keiner bekam, was er wollte. Sie lebten eine Weile nebeneinander. Er verstand es sein Leben zu ordnen und wegzuschließen, genau, wie seine Gedanken und Gefühle. Sie wusste nicht, daß so etwas möglich ist, und hätte es für ausgemachten Humbug gehalten; nie gedacht, daß jemand so etwas machen würde. Sie lebte in den Morgen, in den Tag, in ihr Leben hinein. Zusammen waren sie wie Plastik- und Sprengstoff; eine kleine Spannung genügte. Er versteckte sich hinter seinem Intellekt und seinen Sprüchen, mit denen er ihr das Spielzimmer, das ihr Innerstes darstellte, nur noch chaotischer machte. Auch dann, wenn sie etwas mehr Ordnung darin brauchte. Manchmal hätte sie den Fels in der Brandung gebraucht, doch bekam nur den tasmanischen Teufel in der Süßigkeitenabteilung von Karstadt.
Ihre Wege trennten sich, so wie es ihre Leben schon vorher taten.

Sie wusste nicht, was sie wollte, doch fühlte, was sie brauchte. Er versuchte möglichst viel Besitz und Reichtum anzuhäufen, um zu schauen, ob er damit die Löcher, die sich in ihm auftaten, schließen könne.
Sie sahen sich für Jahre nicht. Jahre, in denen er Karriere machte bei seiner Bank, und der Höhepunkt aus 13 Plastikbuchstaben bestand, die auf seiner Türe klebten, und VIZEPRÄSIDENT ergaben. Sie reiste umher, arbeitete und half, wo sie gebraucht wurde, fand ihre beste Freundin und eine verspielte Liebelei in einer Erdbeerpflückerin mit schönen, leicht roten Händen.
Sie trafen sich eher zufällig wieder, hatten einander viel zu sagen und schwiegen sich für Stunden an. Es gab Martini beidseits, Liebesschwüre seiner- und ungläubige Blicke ihrerseits. Sein Leben verlief wie die EKG-Kurve eines 70jährigen Schweizers, der auf der Alm dem Gras beim Wachsen zuschaute, und ihres verlief wie das einer Achterbahn mit einem Bremser auf Speed.
Sie hatte Höhen, die sie fliegen ließen, und Tiefen, in der sie sich in der Nacht versteckte. Er besuchte einmal mit seiner Bank den Stephansdom, wo er sich den Zeh verstauchte, als er – wegen der Ergonomie – die Stufen hochrennen wollte. Sie suchte einen Freund und bekam auf einer Burg eine kostbare Replik einer Statue von Michelangelo. Er suchte einen verlässlichen Begleiter, und holte sich einen Wandsafe, der hinter einem Bild steckte, das das Magdeburgisieren thematisierte. Er überschüttete sie mit Liebesschwüren wie 480 vor Christi Xerxes Leonidas mit Soldaten. Sagte ihr, daß er für sie da sein will, ihr bei allem helfen, das sie manchmal schwer werden lässt. Sie traute dem Frieden nicht und stolperte über das Loch, in dem das Kriegsbeil steckte, wie er über seine Versprechen. Er zählte alles auf, was sie ausmachte, dem ein „was mich an dir nervt“ folgte. Sie ignorierte es, mit der Überraschung, die ein Berufsweihnachtsmann mit 30 Dienstjahren beim Öffnen der Türe verspürt, und sang wie immer in solchen Situationen Chris Reas „Josephine“; mehr laut als korrekt. Sie tat es Tina gleich und ließ Ike mit offenem Mund und leerem Blick stehen.
Er schickte ihr viele falsche Worte und echte Diamanten – sie meldete sich bei eBay an. Er wollte sie in eine Schublade stecken, und bei Bedarf rausholen und vorzeigen, doch sie verklemmte in jedem der Fächer. Sie wollte eine Liebe, die einem die Luft nimmt und umkippen lässt. Er wollte alles in seine Massivholzschubladen stecken, doch die waren zu klein für große Gefühle.

Er investierte in Immobilien in Südfrankreich, sie rettete ein unwilliges Dressurpferd, das nie über den Graben springen wollte, vor dem Metzger und eröffnete eine Reitschule für misshandelte Kinder. So lebten beide ihre Leben. Der eine wusste, was er in 20 Tagen zu Mittag essen würde, und warum Sonnenuntergänge aussehen, wie sie aussehen – der andere gab es auf 2 passende Socken tragen zu wollen. Als dann die Zeit für sie und ihn gekommen war, hatte der eine schon alles vorbereitet und Geld beiseite gelegt und der andere hatte das, als Scherz aufgesetzte, Testament als Lesezeichen benutzt.
Bei ihm kamen 3 Leute zur Beerdigung, inklusive dem Pfarrer und der Frau vom Beerdigungsunternehmen, bei ihr wurden keine Einladungen verschickt. Der Termin wurde herausposaunt und man hatte Probleme all die Leute auf den Friedhof zu bekommen; der Pfarrer war heiser danach. All ihre Kinder, Enkelkinder und deren Kinder, Freunde und sogar all ihre Liebschaften waren auf dem Fest, erzählten sich Geschichten von ihr, zeigten Photos herum, lachten und weinten.
Und zwischen den vielen großen Menschen sprangen dutzende Kinder fröhlich herum, denen sie wieder ein Lachen aufs Gesicht malte.
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Anmerkung von Secretgardener:

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Für Lizzy geschrieben.
Eher lustig, wenn man die Hintergründe kennt...
Dank an "Unbegabt" für die Erdbeerpflückerin
und Amy MacDonald für "This is the life" (inspirierend)

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Kommentare zu diesem Text


 m.o.bryé (31.12.08)
interessanter kontrast zwischen schwarz-weiß und farbenbild. ich mag, wie du mit zwei klischees eine originelle geschichte erzählst.
lg,
lena
HvidLiljer (35) meinte dazu am 31.12.08:
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 Secretgardener antwortete darauf am 31.12.08:
Danke, für das Lob und die Empfehlung.
Ja, ich habe versucht hier und da etwas neben dem Klischee zu schreiben (die Löcher und die Tiefen), aber für solche Kontraste braucht man wohl viel Schwarz und Weiß.
Ich mag hier das er macht-sie macht, und wenn man die realen Personen und Hintergründe kennt, ist es noch viel lustiger, außer man ist "er". ^^
Liebe Grüße zurück, Angelo.

 m.o.bryé schrieb daraufhin am 01.01.09:
^^ naya zum glück sind wir ja nicht er. also, ich zumindest nicht ;)
lg,
lena

 Secretgardener äußerte darauf am 02.01.09:
Nee, zum Glück nicht. ^^

 Mutter (31.12.08)
Schöne Gedanken und Bilder da drin - gut. :)

Hätte mir nur zum Schluß noch einen klitzekleinen Bogen zu den beiden zusammen gewünscht, und wenn es (wieder) misslungen wäre - immerhin geht es ja immer um das (fast) zusammen der beiden.

Vielleicht ein kleines Detail, was bei beiden gleich ist, aber völlig unterschiedliche Wirkung hervorruft? Oder ein weitere Versuch seinerseits, auf ihr Begräbnis Einfluß zu nehmen? Irgend sowas würde das Ganze für mich abrunden ...

Gruß, M.

 Secretgardener ergänzte dazu am 01.01.09:
Erstmal danke für das Lob und die Empfehlung.
Ja, vielleicht wäre noch eine kleine Gemeinsamkeit nett gewesen, aber die gibt es im realen Leben schon kaum, und dann bei der Parodie noch weniger. ^^
Es geht eher um etwas anderes, das fast Zusammen eher etwas nebenbei, man müßte eben die Personen kennen...
Die Begräbnisse wollte ich völlig getrennt haben, nachdem die unterschiedlichen Leben schon deutlich ihre jeweilige Wirkung hinterließen.
Viele Grüße zurück, A..

 Unbegabt (01.01.09)
der mittlere teil gefällt mir am besten - der rest auch, aber der mittlere eben am besten !

und diese anmerkung, naja. hatten wir ja schon.
(Kommentar korrigiert am 01.01.2009)

 Secretgardener meinte dazu am 01.01.09:
Ja, die Mitte gefällt mir auch. Ich schrieb es am Stück bis zum eBay-Satz, dann musste ich aus dem Zug aussteigen. ^^
Hab´ dank für das Lob und die Empfehlungen.
Die Anmerkung ist in Ordnung so. ;)
Alexa (18)
(10.02.09)
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 Secretgardener meinte dazu am 10.02.09:
Danke für´s Kompliment und Lesen.
Liebe Grüße.
Hardrock-Joe (27) meinte dazu am 31.01.10:
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 Secretgardener meinte dazu am 31.01.10:
Danke Jö.
=)
Hardrock-Joe (27) meinte dazu am 04.02.10:
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 Secretgardener meinte dazu am 04.02.10:
Öh, joa. ^^
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