36. Kaffee. Schwarz.[36]

Schundroman zum Thema Flucht/ Vertreibung

von  DIE7

"Kaffee. Schwarz."
"Schwarz?"
"Schwarz wie die Pest!", entfuhr es Unglaub einige Nuancen zu laut. Durch seine Eingeweide rumpelte plötzlich ein mit zornigen Maikäfern panierter Panzer, dem Enddarm entgegen, und knatterte in unregelmäßigen Abständen heuschreckende Schrotsalven aus; Pulverdampf kräuselte sich im Unterbauch zu einem Wort: Krampf. Die Schmerzen, so heftig sie auch waren, ließen sich nach dem ersten Schreck leicht ertragen, da ihre Ursache harmlos war - Thomas Unglaub war am Vorabend zwar mit Glück dem Gifttod entgangen, jedoch konnte dies nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass Montag war. An Montagen fühlte Unglaub sich grundsätzlich schlecht, da sie ihn unter anderem an seine Geburt erinnerten.
"Gute Wahl", entgegnete Marn gleichgültig. Irgendwo klingelte ein Telefon. "Der Automat steht ein Stockwerk tiefer. Aus Prinzip. Entschuldigen Sie mich." Dante Marn hastete aus dem Raum.

"Kaffee. Schwarz."
"Bit-te-äu-ßern-Sie-Ihr-en-Wunsch."
"Kaffee! Schwarz!"
"Re-ques-ted-I-tem-not-found."
"KAFFEE!!! Mistding."
"Bit-te-war-ten... er-ror-er-ror-er-ror..."
Unglaub versetzte dem futuristischen Automaten einen Tritt mitten auf den Lautsprecher und verfluchte nicht nur den Fortschritt an sich, sondern auch den Weihnachtsmarkt, das Polizeipräsidium, die unnahbare Kommissarin und Dante Marn, der ihn hier festhielt. Festhielt? Der Automat stand direkt gegenüber des Ausgangs. Marn telefonierte ein Stockwerk höher. Er würde Unglaub sagen können, ob es einen zweiten Kaffee-Automaten im Gebäude gab. 

"Kaffee!!!", flehten Dante Marns Augen, indem sie wieder und wieder zwischen Thomas Unglaub und der leeren Tasse hin und her wanderten, die in Marns linker Hand bedenklich zitterte, während dieser aufgeregt in einen Telefonhörer sprach, den er sich zwischen Schulter und Ohr geklemmt hatte, und gleichzeitig die Hand eines wichtig aussehenden Besuchers schüttelte, der wiederum noch wichtiger auf Marn einredete.
Mit ehrlichem Bedauern schüttelte Unglaub den Kopf. Seine Lippen formten ein nicht minder mitleidiges "Kaputt".
Marn verstand. Zu gut. Achtlos warf er den Hörer beiseite und die Tasse nach dem Besucher, der offenbar zu vornehm war, um sich zu rächen, und sich stattdessen stumm zurückzog.
"Irgendwann", stieß Hera Frodins Assistent hervor, "ist es genug." Pulsierendes Lila drohte, seine Schläfen zu sprengen. "ICH..." Er sprang auf. "HABE..." Er packte seinen Bürostuhl. "DIE SCHNAUZE VOLL!" Er stellte seinen Bürostuhl wieder hin und beruhigte sich zusehends. "Das tat gut", stellte er dann fest, bevor er sich an Unglaub wandte. "Wissen Sie was, Sie Zeitungsschmierer?" In Marns Augen trat ein listiges Funkeln, seine Stimme wurde sehr leise. "Wir gehen der Sache auf eigene Faust nach! Zum Teufel mit dieser roten Furie! Aber vorher..." Marn förderte eine Stofftasche zutage und entnahm ihr zwei Pappbecher und eine Thermoskanne. "...gehen wir in den Aufenthaltsraum und trinken einen schnellen Kaffee. Einen Malzkaffee, zwei Wochen alt. Er wird so furchtbar schmecken wie die Arbeit hier. Abschied muss sein, meinen Sie nicht?"
Thomas Unglaub war sprachlos, aber glücklich.

Plötzlich waren Schritte zu hören. Jemand näherte sich Marns Büro, kam näher, immer näher, verharrte vor der Tür. "Verstehen Sie, Lavken?", fragte eine wichtig klingende Stimme. "Dieser Mann ist nicht geeignet für seinen Beruf."
Der Angesprochene antwortete gelassen: "Ach was. Marn muss ab und an Dampf ablassen, das ist alles. Er ist ein verlässlicher Mann und darauf kommt es an. Darf ich Ihnen ein Heißgetränk anbieten?"
"Kaffee. Schwarz."
Die Schritte setzten wieder ein und wurden zunehmend leiser. Der Panzer rollte erneut an. Unglaub krümmte sich erleichtert. Es war immer noch Montag. Ein glücklicher Montag. Ein Paradoxon.
"Gehen wir!", sagte Marn.

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Kommentare zu diesem Text

KeinB (29)
(08.01.09)
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