Zwischenfall

Text

von  beneelim

Es ist Zeit für die klaren Worte, für das Streichholz nahe der letzten paar Klafter Lebenszeit; Aschenbecher quellen über, Mülltonnen, Tränensäcke. Das lässt sich erledigen, ohne die Zunge aus ihrem Bett zu heben – ich teile kein Handtuch mit jenem Arsch, der sich mir vor Minuten noch hingehalten hat, ich finde kein Wort des Abschieds oder des wiederholbaren Verlangens, wechsle die Bettwäsche, bevor er noch seine Schuhe angezogen hat und kippe das Fenster, während ich höre „Bis zum nächsten Mal“. Wer Glück im Spiel hat. Wer die Faust nicht erhebt. Der Alltag ist kleinlich geworden, wenn er denn jemals etwas anderes versprochen hat, er kostet weniger als befürchtet und schließt den Gedanken ans Überleben sicher im Bildschirm ein. Mein Schwanz ist anästhesiert, meine Augen leuchten, wenn ich sie zum Mond führe. Innerhalb der Tage. Während all der Jahre. Bin ich offenkundig geworden, wurzellos und das Zittern überall unter dem Schlüsselbein wurde zur Legende. Beschreibbar ist mir alles geworden, hier, hinter dem Lebensrand; der schlechte Sex, der den Mönch erzieht, der gute Sex, der die Gelübde bricht, das Sterben in den Familien, die Behauptung gegenüber der anbrechenden Metamorphosen. Mein Tempo lässt nach, meine Stimme versiegt im Erzählen.
Post coitum omne animal triste.

„Du musst dir vorstellen: Mein bester Freund hat einen Ex, der jetzt mit seinem Freund zusammen ist. Sie hatten vorher eine Dreiecksgeschichte, und, naja, so spielt das Leben“
„So spielt das Leben.“
Bin ich ein Tänzer oder einer von jenen, die die Musik nicht hören können?

Wie er seine Hände übers zerknitterte T Shirt führt. Wie er den Zeigefinger an die Schläfe führt, und weiter, die innere Ohrmuschel entlang. Ich werde ungeduldig. Ich habe ein pelziges Gefühl im Schritt. Eben noch haben wir uns die Hand gereicht, haben uns einen guten Morgen gewünscht und uns gegenseitig einen geblasen. Eben noch hat er begonnen, mit stumpfer Unterhaltung um ein Gesicht zu betteln, dass hinter den läuternden Schlaf reichen kann. Und wieder, anderntags: „Guten Morgen.“ Frei flottierende Libido.

Gehört es zu jenen Zeitpunkten, die auffordern, über seine Affären nachzudenken, wenn man hinter jeden Ausdruck des Gegenübers ein Fragezeichen stellen möchte? Ich meine, nicht einfach nur etwas zwischen den Zeilen hören, oder in sie hinein hören, in diese gähnend breiten biografischen Dissonanzspalten von ich und du, nein – jede Bewegung, jeder Blick wird zum vorsichtig blinkenden Signal eines Abschiedswillens, der sich noch schlafend stellt, weil jeder zuerst sicher gehen will, wie sich die Schuld zu verteilen hat. Aber das Ende, das keiner je verleugnen wollte, streift sich schon mal die Schuhe vor der Schwelle ab und hebt den knacksenden Finger zur Klingel. Martin Buber hat sicher unter Engelstrompeten geschlafen.

Aber noch bleibe ich: Anerkennend, abwartend, sachlich. Und doch schmiere ich noch etwas auf die Zunge, das die Kanten der Worte eincremt und man kann sich, je nach Laune und Qualität des Kaffees, entscheiden, ob das sich dann an den Kumpel oder den Liebhaber richtet; allein diese Idee, dieses Glück, beide Möglichkeiten durchspielen zu dürfen, bringt unter Zugzwang. Ja, das ist gut.

Er ist dran.


Anmerkung von beneelim:

finally

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text

ungesagt (34)
(28.01.09)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
minze (21)
(28.01.09)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 beneelim meinte dazu am 30.01.09:
ich und du. hübsche fabel für ein kommendes zeitalter.
minze (21) antwortete darauf am 31.01.09:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Data-LAB (37)
(03.02.09)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram