Warfare

Erzählung zum Thema Vorurteile

von  Mutter

Kurz darauf sitzen wir wieder in meinem geliebten Seat, und ich beeile mich, Kreuzberg und Treptow hinter uns zu lassen. Sie hat einen großen Koffer hinten reingewuchtet und mein Gehirn arbeitet mit ähnlich hoher Drehzahl wie der Wagen.
‚Barrett?’ versuche ich, stochere im Dunklen rum.
Sie schnaubt. Schüttelt den Kopf.
Schweigend fahren wir weiter, sie geht nicht darauf ein.
‚Was dann?’ will ich wissen, gebe auf. Ist ohnehin egal - sie führt nach Punkten, da kommt es auf den einen Satzball nicht an.
Sie lässt sich Zeit mit der Antwort, sieht aus dem Fenster. Sagt gedehnt: ‚AW50.’
‚Scheiße, was!? Echt?’ entfährt es mir.
‚Echt!’ äfft sie mich nach. ‚Wieso? Weil ich das Scheiß-Ding nicht tragen kann? Weil mir meine Titten im Weg sind? Was bist du für ein chauvinistisches Arschloch, Corker. Echt.’
Ich sag nichts. Nie im Leben wäre ich darauf gekommen, dass sie eine Arctic Warfare benutzt. Noch dazu eine 50er, das Ding ist ein absoluter Vorschlaghammer. Wird eher gegen leicht gepanzerte Fahrzeuge eingesetzt, und nicht als Scharfschützen- oder Präzisionswaffe.
Sie sagt nichts, starrt raus in die Nacht. Wir fahren unter der Jannowitzbrücke durch, sind gleich da. Zurück im Hotel, um einen überaus erquicklichen Abend gemeinsam zu verbringen. Schweigend, wie’s aussieht.

Unten in der Tiefgarage halte ich, lasse den Motor laufen und sehe sie an. Warte, bis sie die Geduld verliert, sich umdreht und mich anherrscht: ‚Was? Was willst du, Corker?’
Ich überlege, will keine Schwierigkeiten mit meinem Hitman - das Ding sauber und entspannt, und vor allem zügig über die Bühne bringen. So viel Professionalität bin ich Collie schuldig.
Kupplung langsam kommen lassen.
‚Es tut mir leid, okay? Das hat nichts mit Dir zu tun. Hätte ich bei jedem anderen auch gefragt. Ist das Naheliegendste. Die dämliche Barett benutzt echt jeder.’ Scheiße, höre ich mich aufgeblasen an. Als würde ich mittwochs und freitags mit den örtlichen Auftragskillern zu McDonald‘s gehen, und die haben ihre Geigenkoffer dabei. Sie springt nicht sofort drauf an, rastet zumindest aber auch nicht sofort aus.
Ein bisschen fühle ich mich wie in einem Bild von M. C. Escher. Habe diese Dinger immer gehasst, davon Kopfschmerzen bekommen. Jetzt weiß ich nicht, ob ich Betrachter des Bildes bin oder ob ich mir in ihm gerade die Hacken blutig laufe, auf der Suche nach einem Ausgang.
Das hier ist mir zu anstrengend. Ich habe das Bedürfnis, auszusteigen, die Braut stur weiter schweigen zu lassen. Mir doch egal, ob wir uns unterhalten - ich bin nur der Fahrer, ihr Kuli.
Meine Loyalität zu Collie lässt mich nicht, sorgt dafür, dass ich den Konflikt beenden will.
Ich muss aus dem Bild raus.
‚Okay?’ frage ich, mache weiter gute Miene zum bösen Spiel. An mir ist ein echter Zen-Meister verloren gegangen.
Nach einem weiteren Moment atmet sie hörbar auf und nickt dann. Sieht mich an und verzieht das Gesicht. Hält mich immer noch für ein Arschloch, ist aber bereit, weiter mit mir zu reden. Wie ich muss sie sich arrangieren, wenn sie ihren Job erledigen will.
‚Los’, sagt sie und öffnet die Tür, um auszusteigen.
Ich nicke und lasse den Wagen langsam in die Parkbucht rollen, nachdem sie die Tür mit sattem Klick geschlossen hat.
Draußen lasse ich den Kofferraum aufspringen und gehe nach hinten. Sie kommt mir zuvor, wuchtet die AW raus und will sich als nächstes die Sporttasche mit dem anderen Kram greifen. Ich halte sie auf, und nach einem Moment des Zögerns überlässt sie mir die Nylonträger.
Langsam frage ich mich, ob ihr Machismo nicht tatsächlich größer ist als meiner. Aber bei Frauen zählt das wohl nicht - die nennen das Emanzipation, und dann ist es eine Tugend.
Wir gehen zum Fahrstuhl und fahren schweigend nach oben.

Wenig später sind wir oben auf dem Zimmer und sie trägt den Koffer in den hinteren Raum. Ich will ihr folgen - sie fängt mich an der Tür ab, lässt sich von mir die Tasche aushändigen. Mit hochgezogenen Augenbrauen gebe ich sie ihr, sehe zu, wie sie die Zimmertür hinter sich schließt. Will wahrscheinlich das Zeug checken, Muni zählen - sicherstellen, dass alles da ist, was sie braucht.
Ich lasse mich genervt auf das Sofa fallen und schalte reflexartig den Fernseher an. Denke darüber nach, was wir da gerade rein getragen haben. Die Arctic Warfare ist ein echtes Monster, damit kann man richtig große Löcher machen. In was genau will sie diese Löcher machen?
Frage mich, wer sie angeheuert hat. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Collie direkt mit der Sache zu tun hat – vermutlich ist er bloßer Mittelsmann, für einen reibungslosen Ablauf verantwortlich.
Eigentlich kann mir die ganze Kacke egal sein - habe genug eigene Probleme, Importware aus Wales.
Kurz entschlossen drehe ich den Ton vom Fernseher weg und fische mein Handy aus der Hose - wähle eine Nummer über das Adressbuch. Es klingelt.
‚Corker?’
‚Yep.’
‚Zurück an der Spree?’, will Stout wissen. Sein tiefer Bass dröhnt mir im Ohr, und ich denke daran, dass Collie mal die Theorie aufgestellt hatte, dass Stout damit Frauen zum Orgasmus bringen kann. Bringst du mich jetzt zum Orgasmus, Stout?
‚Hör zu, ich brauche deine Hilfe.’
‚Was liegt an, Bruder?’
Ich überlege kurz. Denke darüber nach, wie weit ich ihm vertrauen kann. Überhaupt jemandem vertrauen darf. Die Wahrheit ist: Ich kann es mir nicht leisten, ihm nicht zu vertrauen. Alleine würde ich diese Rätsel nicht lösen.
‚Hast du was von Welsh gehört?’
‚Eine Weile nicht mehr. Warum - was ist mit ihm?’
Mehr Zweifel, die Frage, ob ich bei Stout alle Karten auf den Tisch legen kann. Ihm erzählen darf, dass Welsh mich vor die Wand gefahren hat.
‚Können wir uns treffen?’ Ich muss ihn sehen. Ihm in die Augen schauen, um zu entscheiden, für welches Team er spielt. Ob für Irland oder für Wales.
Wir vereinbaren lose ein Treffen für den nächsten Abend - ich hoffe, dass Molly bis dahin ihr Ding durchgezogen hat, oder ich zumindest Ausgang bekomme. Ich muss mich um die Scheiße kümmern, darf das nicht zu lange liegen lassen. Welshie weiß, dass ich zurück bin, dass ich nicht an der Wand kleben geblieben bin, die er mitten auf meiner Autobahn aufgebaut hat.

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Kommentare zu diesem Text

Kitten (36)
(09.04.09)
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 Mutter meinte dazu am 09.04.09:
Die Frage iss doch: Kann man Kitten kitten?

Danke, Kitten ... :)
Leyla (29)
(18.04.09)
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 Mutter antwortete darauf am 18.04.09:
- Schnitzer ... *mitdenzähnenknirsch*
:D
Manchmal finde ich hinterher ganze Absätze, die plötzlich in der Vergangenheit sind. Ich bin mir jedesmal sicher: Jetzt sitzt der Elvarryn gerade in Bremen und probiert Jedi-Gedankentricks.

- Olly Molly ... :D

Ahem ...
'Tschuldigung. Iss mir so rausgerutscht.

- Für die Hörbuch-Version versuche ich dann, D-Flame als Sprecher für Stout zu bekommen ... :)
Leyla (29) schrieb daraufhin am 18.04.09:
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 Mutter äußerte darauf am 19.04.09:
D-Flame iss diss:  Ignorieren wir mal die gemeine näselnde Stimme vom Eißfeldt, okay? :D

Mmmh, der Diesel-Mann - hab' ich grad nix im Ohr. Muss ich mal schauen, der läuft bestimmt bald wieder in 'nem B-Movie auf RTL ... :)
Leyla (29) ergänzte dazu am 19.04.09:
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 Mutter meinte dazu am 19.04.09:
Yoh, summt schon ganz gut.
Der Hammer wäre aber der Synchronsprecher von dem Kerl mit der Stahlplatte aus'm Film 'Jugger - Kampf der Besten'.

Glaubste, ich kann rausfinden, wer den gesprochen hat?
My Search-Fu is weak, Master Yoda ... :(
Leyla (29) meinte dazu am 19.04.09:
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