Sonic Boom

Erzählung zum Thema Schutz

von  Mutter

Endlich ist es soweit. Als würde Gefühl zurück in taube Glieder kommen, kann ich mich nach und nach wieder bewegen. Wie eine Schnecke erst, dann schneller - wie eine Raupe.
Stöhnend richte ich mich auf, auf den Ellenbogen, versuche, die Füße unter den Körper zu bekommen.
Bin auf allen Vieren, beiße die Zähne zusammen, richte mich auf. Die Drähte folgen mir – ich bin ihr Moby Dick.
Mit wölfischer Miene reiße ich mir den Draht aus der Jacke, entledige mich der perversen Quälgeister.
Beuge mich mit einem Stöhnen über den Anzugmann, ziehe den Taser aus seinen starren Fingern. Er badet noch im Schmerz, genießt das Feuerwerk der Sinne.
Würde ich ihm gerne ebenfalls einen Schuss verpassen, ein paar Mal auf dem Trigger rumdrücken – aber ich kann nicht erkennen, wie man die Nadeln auswechselt oder erneuert.
Egal, denke ich, stütze mich mit einem Arm auf seiner Schulter ab und lasse die Rechte mit dem Taser mehrfach auf seinen Kopf herabfahren. Der Knauf erwischt ihn an Kinn, Wange und Schläfe, bis er vom Schmerz nichts mehr merkt, bewusstlos ist.
Richte mich am rauen Putz auf und schlingere durch einen zukünftigen Türeingang.
Ich habe keine Ahnung, wie lange die ganze Aktion gedauert hat, wie lange ich raus war, und ich weiß nicht, wie es Molly geht.
Haben die anderen sie längst erledigt?

Als Antwort erschüttert ein Schlag meinen ganzen Körper – Nieder-Frequenz-Bereich, wie ein zu heftiger Bass. Für Sekunden-Bruchteile verstehe ich nicht, was das ist, dann wird es mir klar.
Ich weiß jetzt, wie eine Arctic Warfare klingt. Ohne Schalldämpfer.
Einen Augenblick später schiebe ich mich hinter einer Ecke vor und sehe einen der drei Bouncer da liegen, seitlich auf dem Rücken.
In einer Pfütze aus schwarzem Blut, die Augen weit aufgerissen, hat ihn der Schuss halb herum gerissen, nachdem er ihm einen Teil des Brustkorbes zerfetzt hat.
Von den anderen beiden ist nichts zu sehen.
Dicht an die Wand gedrückt, arbeite ich mich langsam vorwärts. Der Mörtel reißt an meiner Jacke.
Dann sehe ich den zweiten – er kniet ein Stück weiter vorne, hat eine Knarre in der Hand. Sieht aus wie eine Desert Eagle.
Sein Kopf zuckt hin und her, nervös schiebt er sich in der Hocke hierhin und dorthin.
Ich nehme an, er hat keine Ahnung, wo Molly sitzt. Hat seinen Kumpel gefunden, und das, was die Warfare von ihm übrig gelassen hat.
Bis zu ihm hin sind es locker, zehn bis zwölf Meter. Gemessen in Desert Eagles ist mir das deutlich zu weit.
Vom Dritten keine Spur.
Mich kurz umsehend, checke ich, ob es irgendwas zum Werfen gibt. Um ihn abzulenken. Müsste darauf spekulieren, dass Molly mir den Arsch rettet. Weiß, wo der Kerl hockt, und im richtigen Moment abdrückt. Kann ich das, will ich das?
Von links ertönt ein leises ‚Pssst.’
Der Kopf meines Bouncers ruckt herum, sucht seinen Partner. Findet er ihn, signalisiert mit erhobenem Daumen.
Erscheint mir übertrieben optimistisch, diese Geste, in ihrer momentanen Situation. Ich bin nicht in einer Position, ihn darüber aufzuklären.
Mein Bouncer bewegt sich auf mich zu, weg von der Mauer, hinter der er hockt. Dreht mir weiter den Rücken zu und hat die Eagle im Anschlag, hält sie in Mollys generelle Richtung.
Ich mache einen Schritt nach vorne, ramme ihm den Fuß ins Kreuz, will, dass er auf die Schnauze fällt. Am Liebsten mit der Fresse in den Estrich.
Der Kerl ist gut –überrascht, schafft er es, sich über die Schulter abzurollen und auf die Knie zu kommen.
Schwingt die Riesen-Knarre rum, direkt auf mich zu. Ich stehe da, das eine Bein noch dämlich nach vorne versetzt.
Scheiß-Position, um der Kugel einer Eagle auszuweichen.
Dann gibt’s nach mal diesen Schlag, tief unten im Bauch, und mein Bouncer wird von den Füßen gerissen. Wie ein Crash-Test-Dummie kommt er zwei Meter weiter zum Liegen. Seine halbe Schulter fehlt.
Wie aus dem Off tritt der letzte Bouncer aus dem Schatten einer mit Ytong-Steinen gemauerten Öffnung, feuert zwei, drei Mal in Mollys Richtung.
Dann herrscht für einen kleinen Augenblick Stille, in der die Schüsse in meinen Ohren nachsummen. Eine Desert Eagle ist nicht gerade leise, und hier hat es eine hervorragende Akustik.
Zum letzten Mal ertönt der Bass, wie ein finaler Gong, und den dritten Mann fetzt es erbarmungslos von den Beinen.
Halb verdreht kommt er vor einer Trockenmauer zum Liegen, die Eagle liegt ein paar Handbreit entfernt von seinen ausgestreckten Fingern.

Ich bin mir sicher, dass es nur drei waren, außer meinem Taser-Mann. Trotzdem schnappe ich mir eine Eagle und checke kurz die Umgebung.
Von Molly höre und sehe ich nichts.
Dann brülle ich: ‚All clear, Miss Molly Malone.’
Eine Minute später höre ich sie kommen, sie steht da, die schwere Arctic noch in den Händen. Ein Bild wie aus einem Manga-Comic – eine scharfe Braut mit einer noch schärferen Waffe. Mit einem Blick auf die drei Körper sage ich: ‚Sieht nicht aus, als ob du meine Hilfe gebraucht hättest.’
Sie zuckt mit den Schultern und sagt: ‚Du offenbar schon.’
Ich sehe auf den Bouncer, den ich nicht erledigen konnte und nicke langsam. Schätze, sie hat Recht. Die Desert Eagle hätte mir ein unschönes Loch ins Hemd gestanzt.
‚Warum hat das Scheiß-Ding keinen Schalldämpfer?’ will ich wissen.
Sie antwortet nicht sofort, während sie neue Patronen in das Monster schiebt.
‚Normalerweise brauche ich einen Schuss. Da ist ziemlich egal, wie laut er ist.’ Sie sieht mich mit zusammen gezogenen Augenbrauen an. ‚Wenn mein Passmann seine Arbeit macht.’
Ich weiß, dass sie Recht hat.
Die Scheiße hier ist meine Verantwortung.
‚Für einen Schalldämpfer braucht es einen eigenen Lauf. Kann man auswechseln. Collie meinte, bei den Gegebenheiten hier wäre das nicht nötig. Schätze, das hat er anders geplant.’
‚Und jetzt?’
Schulterzucken. ‚Wir liegen noch gut in der Zeit. Sorg’ dafür, dass wir noch zehn Minuten ungestört bleiben. Schaffst du das?’
Ich habe keine Ahnung. Weiß nicht, ob die Jungs alleine waren, eine Begleitung im Erdgeschoß haben. Ob hier am Westhafen jemand den Schuss gehört hat.
Ich nicke. Kann’s bloß versuchen.
Wortlos dreht sie sich um und verschwindet.
Ich ziehe die drei Leichen zur Seite, in einen der leeren Räume. Das Blut, das reichlich den Beton tränkt, kann ich nicht mitnehmen. Spuren verwischen wird schwer.
Ich gehe zurück zum Fahrstuhl und sehe nach dem Taser-Mann. Der ist noch komplett weggetreten. Kurz überlege ich, ob ich ihn über eine der nicht komplett ummauerten Wände entsorge. Bei den drei Opfern der Warfare kann ich auf verzichten eine eindeutige Identifikation meines Gesichtes. Da ich keine Ahnung habe, ob da unten noch jemand ist, ob ich ein Riesen-Spektakel veranstalte, mit seinem Aufschlag, breche ich ihm stattdessen das Genick. Tut mir kurz leid um ihn.
Ich denke an die sieben Jahre auf dem Ofen, und plötzlich fällt es mir nicht mehr so schwer, ihn zu erledigen.


Anmerkung von Mutter:

*edit: So, schmeisst den Kerl jetzt nich mehr runter. Ganz zärtlich, quasi ... :)

**edit: Die Sache mit dem Silencer iss auch noch mal näher erklärt. Die hatte ich komplett vergessen.

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Kommentare zu diesem Text

Kitten (36)
(17.04.09)
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 Mutter meinte dazu am 17.04.09:
Mmmh ...

Mmmmh ...

Also, zum Flow kann ich wohl nicht wirklich was machen. Kann ich nur hoffen, dass das im Zusammenhang mit den anderen Sachen aufgefangen wird.

Zum Schalldämpfer: Die Wumme ist zu fett. Da geht kein Schalldämpfer, soweit ich weiß. Ansonsten muss ich das Molly halt sagen lassen - das bekomme ich schon hin.

Zum Runterschmeißen: Mmmmh, mal schauen. Muss ja vielleicht auch nicht sein. Dann sollte der Corker halt gute Gründe haben. Ich denke mal drüber nach ... :)
Kitten (36) antwortete darauf am 17.04.09:
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 Mutter schrieb daraufhin am 17.04.09:
Das mit dem Auffangen iss auch ganz gut, weil das ja alles im vierzehnten oder so Stock spielt ... O.o

:)

Ja, kann ihm ganz zärtlich das Genick brechen. Da sieht man: Der Corker kann auch sanft ...
Kitten (36) äußerte darauf am 17.04.09:
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Leyla (29)
(18.04.09)
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Kitten (36)
(22.04.09)
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 RainerMScholz (02.07.09)
Arctic Warfare - hört sich an wie Black Metal. Wummert wahrscheinlich auch so wie die Jungs der Northern Darkness.
Grüße,
R.
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