Kopfgeld

Roman zum Thema Flucht/ Vertreibung

von  Mutter

Am nächsten Morgen saß Savena bei einem lustlosen Frühstück, bei dem ihre Mutter ihr Gesellschaft leistete, als ihr Vater das Zimmer betrat.
Er begrüßte sie beide und setzte sich. Savena sah nicht auf, sondern blickte starr auf die Überreste des Essens.
‚Bragos hat mir gestern Abend noch alles erzählt. Ich komme gerade vom Konzil. Mantenera sagt, er wird dich anklagen.‘
‚Wer?‘ fragte Savena verwirrt.
‚Mantenera. Der Vater des Jungen, den du getötet hast.‘
‚Ich habe ihn nicht getötet‘, erwiderte Savena zornig.
‚Wer war es dann?‘ fragte ihre Mutter.
‚Ingiano. Mein Vertrauter.‘
Savena konnte sich vorstellen, welche Gedanken jetzt zwischen ihnen hin und her wechselten. Sie sah nicht auf.
‚Nach dem, was Bragos erzählt hat, spielt das kaum eine Rolle. Es war jedenfalls nicht deine Schuld, auch wenn es vielleicht eine unangemessene Reaktion war. Mantenera ist ohnehin nur ein Sack heißer Luft. Aber ich mache mir Sorgen um seinen ältesten Sohn. Ein Bekannter hat mir zugetragen, dass er angeblich einen Kontrakt abgeschlossen hat.‘
‚Was?‘ fragte ihre Mutter entsetzt.
Savena brauchte einen Augenblick länger, um die Tragweite des Gesagten zu begreifen. ‚Er hat einen Kontrakt auf meinen Kopf ausgesetzt?‘
Ihr Vater versuchte, zu beschwichtigen. ‚Ich bin sicher, dass ich genug Druck auf Mantenera ausüben kann, um den Kontrakt rückgängig zu machen. Sein Sohn ist ein unverbesserlicher Hitzkopf, der sich den Tod seines Bruders sehr zu Herzen genommen hat. Ich werde nicht zulassen, dass er damit durchkommt.‘
Savena fühlte eine taube Kälte in ihrem Inneren aufsteigen. Die Gilde der Assassinen war dafür bezahlt worden, sie umzubringen. Genau in diesem Moment zogen Männer und Frauen durch die Stadt, die es sich zum Ziel gesetzt hatten, sie auszulöschen. Die die unsinnige Fehde, die der Blonde begonnen hatte, noch nach seinem Tod fortführten.
Sie kannte immer noch nicht seinen Namen.
Mit einem Ruck setzte sie sich auf. ‚Morgen sollte mein Schiff gehen. Selbst wenn die Konflikte mit der Republik noch vor den Stürmen beendet sind, ist es für mich vielleicht zu spät. Vater, alles, was du im Konzil erreichen kannst, könnte zu spät sein. Der Kalte Mann wartet nicht.‘
Ihr Vater hatte bei der Erwähnung des Mottos der Assassinen-Gilde das Gesicht verzogen.
‚Es gibt nichts, was ihr im Moment tun könntet. Selbst wenn ihr Manteneras Sohn beseitigen lasst, ändert das nichts am Kontrakt. Ich muss weg‘, fuhr Savena fort.
‚Wie willst du das machen?‘ fragte ihr Vater .
‚Über den Großen Rücken. Es gibt Pässe, die so spät im Jahr noch offen sind‘, sagte ihre Mutter, die die Gedanken ihrer Tochter erraten hatte.
Savena nickte. Sie hatte schon einmal über die Route nachgedacht, aber das war im Sommer gewesen, und selbst dann war dieser Weg nicht ungefährlich.
‚Es ist tiefster Winter dort oben. Das wäre zu gefährlich, so spät noch über den Pass zu gehen.‘
‚Sie kann unmöglich hier bleiben‘, entgegnete ihre Mutter resolut. ‚Bis du im Konzil etwas erreichst, ist es vielleicht zu spät.‘
Ihr Vater schien einen Moment lang zu zögern, und gab dann nach. ‚Unter der Bedingung, dass wir einen vertrauenswürdigen Führer finden.‘
‚Stell‘ nur sicher, dass niemand etwas davon erfährt. Das würde mir kaum nützen‘, ermahnte ihn Savena.

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