Der Mann ohne Lächeln

Erzählung zum Thema Schönheit/ Schönes

von  Erdbeerkeks

Eins, zwei, drei, vier, fünf.
Ich sitze hier schon eine Woche täglich und jedes Mal aufs Neue sehe ich diesen Mann. Er hat rabenschwarze Haare, sie glänzen hübsch in der heißen Nachmittagssonne. Seine blauen Augen strahlen einen an wie Scheinwerfer, wenn man seinem Blick zufällig begegnet.
Ziemlich groß ist er, vielleicht um ein oder zwei Köpfe überragt er mich.
Sechs, sieben, acht, neun.
Eigentlich tut er Garnichts, außer auf seiner Parkbank zu sitzen und zu warten. Er bekommt ziemlich viele Geschenke. Beinahe mit jedem neuen Menschen, der an ihm vorbeispaziert oder hastet, je nachdem wie eilig sie es haben, kommt ein weiteres dazu.
Er sammelt sie alle in einer kleinen Kiste. Ich als Einzige weiß es. Denn ich als Einzige habe ihn je genau beobachtet.
Zehn, elf, zwölf.
Ich habe ihn noch nie angelächelt. Ich hätte es gerne einmal getan, aber das würde bedeuten, ich würde Teil seiner Sammlung werden, wohl nur eine von vielen.
Wahrscheinlich hat er bemerkt, dass ich ihn jeden Tag aus der Ferne beobachte. Wenn er fragen würde warum, hätte ich keine Antwort. Ich weiß noch nicht einmal selbst den Grund. Aber er würde kaum auf die Idee kommen, mich anzusprechen.
Es ist wohl einfach faszinierend. Ein Mensch wie er.
Andere würden ihn vielleicht als töricht bezeichnen. Lächeln und Lachen in einer kleinen Box zu verwahren. Wie ein Sammelobjekt zu hüten und darauf aufzupassen. Das Kistchen ist ihm sehr wichtig, er lässt es niemals aus den Augen geschweige denn aus seinen Händen.
Aber ich mag ihn.
Dreizehn, vierzehn.
Wie lange er dieser Aufgabe wohl schon nachgeht?
Gedankenverloren lege ich den Kopf schief.
Da kommt eine Frau, die sich neben ihn setzt. Aha. Ich weiß was jetzt passiert. Ich habe das oft genug beobachtet.
Sie reden ein bisschen, die Frau hat ein künstliches Strahlen in ihrem eigentlich hübschen Gesicht. Ich hoffe, sie versucht nicht, ihn damit zu beeindrucken, denn wenn der Mann ohne Lächeln eines hasst, dann ist ein falsches Grinsen.
Ja, genau, der Mann ohne Lächeln. Ich habe ihn so genannt, denn ich habe noch nie gesehen, nicht in der ganzen Zeit, die ich hier auf etwas Spannendes gewartet habe, dass er auch nur einmal jemanden zurücklächelt. Vielleicht ist er sehr geizig mit so etwas. Ich weiß nicht genau.
Ich wende meinen Blick wieder der Dame zu.
Sie sieht ihn ein bisschen verwirrt an, erhebt sich dann mit einem entschuldigenden Hochziehen der Mundwinkel – anders kann man das nun wirklich nicht nennen – streift ihren Rock glatt.
Sie will wohl gehen, so wie die ganzen anderen vor ihr, die schon versucht hatten mit dem Mann ohne Lächeln anzubandeln. Ich hätte ohnehin nicht gedacht, dass sie so besonders wäre und es schaffen würde.
Und schon ist der Mann ohne Lächeln wieder alleine. Ich finde nicht, dass er traurig aussieht. Nur ein wenig ausdruckslos. Es ist schwer sich jemanden ohne Ausdruck vorzustellen, aber den Mann mit der ungewöhnlichen Sammlung beschreibt es perfekt.
Er ist nicht betrübt, nicht träge, nicht desinteressiert. Er starrt einfach nur apathisch vor sich her.
Mittlerweile sind wir schon beim Lächeln Nummer Neunzehn für diesen Tag angekommen.
Ich habe keine Ahnung, was mich dazu bewegt, aber plötzlich stehe ich auf und gehe auf ihn zu. Er ist wahrscheinlich genauso verwundert wie ich darüber und ich bemerke eine Spur wahrer Aufmerksamkeit in seinen Gesichtszügen.
Ich stehe also vor ihm, beuge mich zu ihm hinunter…
Und schenke ihm das schönste Lächeln, das ich wohl jemals zu Stande bringen kann.
Der Mann blickt mich direkt an, mit seinen wunderschönen Augen, die aus der Nähe noch viel blauer aussehen.
Und dann schenkt er mir tatsächlich eines von seinen.
Erst lächelt er nur, aber dann bricht er in ein herzhaftes Gelächter aus. Wunderbar leise und melodisch, bis er irgendwann verstummt.
„Ich habe zwar alle verbraucht, aber das war es mir wert. Ich habe nur deines mit etwas annähernd Gleichwertigem ausgetauscht. Deines gegen neunzehn andere. Und jetzt habe ich nur noch dieses eine hier.
Nummer Zwanzig ist mein schönstes.“

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Kommentare zu diesem Text

Herzwärmegefühl (53)
(11.05.09)
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Elvarryn (36)
(11.05.09)
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 Erdbeerkeks meinte dazu am 11.05.09:
Im Nachhinein wird die Frage ja gelöst (:
parkplatzbison (29)
(11.05.09)
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Nemoria (19)
(01.06.09)
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AnnaKarenina (31)
(11.06.09)
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kontext (32)
(11.06.09)
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Träumerveve95 (17)
(04.04.10)
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 princess (18.04.10)
Sein schönstes Lächeln zu sein...
was für eine Ehre.
Bezaubernde Geschichte!
Struckii (18)
(09.11.10)
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 Dieter_Rotmund (13.12.19)
Sehr um den heissen Brei herumgeredet, salbungsvoll formuliert und kommt nicht auf den Punkt.
P.S.:
Steht nun seit 10 Jahren hier falsch und keiner der Vorredner haben sich herabgelassen, Dich darauf hinzuweisen:

Garnichts - > gar nichts

Einzige -> einzige

 Dieter_Rotmund (17.05.20)
Weibliche Ich-Erzählerinnen, die aus der Ferne in langatmigen Hagiographien Männer anhimmeln (ja, auch am Schluss des Textes), es gibt kaum ein langweiligeres Topos, sorry.
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