Aufgabe

Roman zum Thema Schwäche

von  Mutter

Es wurde schwerer und gefährlicher, sich auf dem Pfad zu bewegen. Mehrmals rutschte sie aus, konnte sich aber jedes Mal fangen, bevor sie weiter unten auf den spitzen Steinen landete. Bragos ging vor ihr, um die zum Teil sehr hohen Schneewehen weiter herunterzutreten. Mehr als einmal sah er sich um, offenbar unglücklich darüber, dass er nicht gleichzeitig hinter ihr gehen konnte, um sie im Falle eines Sturzes aufzufangen.
Der pappige Schnee klebte an den Stiefeln und schien trotzig ihren weiteren Aufstieg verhindern zu wollen. Sie kamen nur sehr mühsam voran.
Als es gegen Mittag immer noch nicht aufgehört hatte zu schneien, hieß sie Turan anhalten und hockte sich in den Schnee.
‚Das war’s mit dem schönen Wetter. Ab jetzt wird es nur noch rauer.‘
Als hätte Turans Ankündigung ihm die letzte Kraft geraubt, ließ sich der Vater in den Schnee fallen. Kaum noch in der Lage, sich aufrecht zu halten, war klar, dass er den weiteren Aufstieg nicht schaffen würde. Einer der Söldner sagte etwas Verächtliches in seiner Sprache und der andere lachte. Turan warf ihnen einen harten Blick zu und wandte sich dann wieder Vater und Sohn zu. Der Junge blickte besorgt erst auf seinen Vater und dann auf Turan.
‚Ich kann Euch noch etwas Dörrfleisch dalassen, aber den Weg zurück müsst Ihr alleine schaffen.‘
Der Junge nickte stumm.
Savenas erste Reaktion war, zu protestieren, darauf zu bestehen, die beiden zurückzubringen. Zumindest bis sie sicher sein konnten, die Berge wieder zu verlassen. Aber ein Blick auf die anderen versprach, dass sie und Bragos die einzigen waren, die das versuchen würden. Dabei ließ ihre eigene Lage diesen Luxus kaum zu. Jetzt nicht weiterzugehen würde heißen, den Winter in Erinikia zu verbringen.
Selbst wenn sie nicht in Avuto bleiben würde, waren die Chancen, dem Kalten Mann zu entgehen, eher gering. So verbiss sie sich ihren Protest und beobachtete nur stumm, wie Turan die beiden aus der Gruppe entließ.
Er übergab den beiden einen Wasserschlauch und etwas von dem Kaninchenfleisch, das sie vor ein paar Tagen über dem Feuer geräuchert hatten. Während er versuchte, dem Jungen zu erklären, wie sie den Weg zurück finden würden, warf das Kind immer wieder abgelenkte Blicke auf seinen Vater.
Dann verließen sie die beiden.

Savena drehte sich noch einmal um, nur um zu sehen, wie der Junge sich vergeblich abmühte, seinen erschöpften Vater auf die Füße zu helfen.
Sie fing an zu weinen und wollte wieder umdrehen, als Bragos sie sanft am Arm fasste und mit sich mitzog. ‚Er kommt wieder auf die Beine. Er braucht nur ein wenig Ruhe und sie haben genug zu essen und zu trinken. Weiter unten finden sie auch wieder Brennholz, um ein Feuer zu machen.‘
Savena fühlte, wie die Tränen auf ihren Wangen erkalteten und fragte sich abwesend, wie lange sie wohl brauchen würden, um auf ihrer Haut zu gefrieren.
‚Ich hätte seine Knochen heilen können, Schnitte, alles. Nur gegen seine Erschöpfung kann ich nichts machen...‘
Bragos war kurz stehengeblieben, um sie in den Arm zu nehmen. ‚Es ist nicht nur die körperliche Erschöpfung. Das hier war noch nicht der härteste Teil. Wenn er hier nicht weiterkommt, dann hat er oben am Pass erst recht keine Chance.‘
Savena schüttelte den Kopf, wehrte sich gegen seine Beschwichtigungen, aber der enge Kontakt beruhigte sie etwas.
Als Bragos sich davon überzeugt hatte, dass es ihr besser ging, ließ er sie los. Sie fragte sich, was den Mann so verändert hatte. In Avuto hätte er es niemals gewagt, so vertraulich mit ihr umzugehen, sie gar anzufassen. Vielleicht hatte er das Gefühl, seine Verantwortung sei gewachsen, seit sie alleine waren und umfasste jetzt auch sozialen Kontakt.
Dankbar für seine Fürsorge lächelte sie ihm beruhigend zu. Dann beeilten sie sich, die anderen, die in den Schneewirbeln kaum noch auszumachen waren, einzuholen.

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Kommentare zu diesem Text

Elvarryn (36)
(23.05.09)
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 Mutter meinte dazu am 23.05.09:
:)

Danke ...
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