Zuflucht

Roman zum Thema Schutz

von  Mutter

Sie bewegte sich immer weiter in nördlicher Richtung und endlich konnte sie die anderen sehen. Die kleine Gruppe hatte sich auf ihrem kleinen Plateau dicht an die Wand gedrängt. Turan erhob sich immer wieder aus der Deckung, um mit seinem Bogen auf die kleinen Gestalten zu schießen. Es war schwierig zu erkennen, aber Savena bekam das Gefühl, dass einige der Pfeile ihr Ziel getroffen hatten. Einige Schritt weiter unten hing ein dunkles Bündel in den Felsen, das vermutlich einen der abgestürzten Bergbewohner darstellte.
Plötzlich erhob sich einer der Söldner und hielt seine Schulter seltsam gekrümmt. Als er sich langsam zur Seite drehte, konnte sie sehen, dass ein kurzer Pfeil in seinem Oberkörper steckte. Unbemerkt von den anderen machte er einen unbeholfenen Schritt zur Seite, weg von der Wand und einen Moment später stak ein weiterer Schaft in seinem Brustkorb. Mit einem letzten Schritt taumelte er in den Abgrund. Noch während Bragos aufsprang, um ihn zurückzuziehen, kippte der Söldner langsam in die Tiefe.
Als weitere der kurzen Pfeile um ihn herum aufschlugen, beeilte sich Bragos, wieder in Deckung zu springen. Savena fragte sich, ob Lerik den Schrecken überleben würde, den Söldner an sich vorbeistürzen zu sehen.
Feine Schneeflocken legten sich auf ihre Jacke, und mit einem Blick nach oben stellte sie fest, dass sich der Himmel wieder verdüstert hatte.
Sie versuchte, weiter an die anderen heranzukommen, aber die letzten zwanzig Schritt waren ohne Hilfsmittel nicht zu überwinden. Sie überlegte kurz, ob sie durch Rufe auf sich aufmerksam machen sollte, aber die Gefahr, dass sich Bragos oder Turan den Pfeilen aussetzen würden, war zu groß.

Weiter nach einem Aufstieg suchend, nahm sie in Kauf, dass sie vorerst immer weiter nach Norden abdriftete. Da sie dabei immer mehr an Höhe gewann, hoffte sie, irgendwann wieder zu ihnen heruntersteigen zu können.
Nach etwa einer halben Stunde, in der das Schneetreiben immer dichter geworden war, und sie Mühe hatte, sich zu orientieren, erreichte sie einen kleinen Pfad, den sie nach einer Weile wiedererkannte. Hier waren sie vormittags vorbeigekommen.
Froh, einen Ausgangspunkt gefunden zu haben, machte sie sich wieder auf den Weg nach unten. Dabei hielt sie vorsichtig Ausschau nach den Bergbewohnern, aber der Gedanke, vielleicht in ihren Rücken zu gelangen, erfüllte sie mit Unbehagen. Sie mochte in der Lage sein, die Belagerung der anderen aufzubrechen, aber wenn sie nicht vorsichtig war, würde sie gleichfalls von ihnen abgeschnitten sein.
Unvermittelt stolperte sie fast über einen leblosen Körper. Nach einem Moment des Schreckens erkannte sie einen der Bergbewohner. Einer von Turans Pfeilen hatte ihn niedergestreckt, und obwohl in weiches Leder und ein schwarzes Fell, vermutlich Ziege, gehüllt, war sein Körper bereits starr vor Kälte, als sie ihn umdrehte. Sein Gesicht wurde komplett von einer Ledermaske bedeckt, die nur die Augen, die Nase und den Mund freiließen, und ihm tatsächlich ein dämonisches Aussehen verlieh.
Für einen Moment war sie versucht, die Maske abzunehmen, und das Gesicht darunter freizulegen, aber etwas hielt sie davon ab. Sie dachte daran, was Turan über die Kung’Sah gesagt hatte, und konnte verstehen, dass man sie für magische Wesen halten konnte.
Sie streckte den Kopf über den Vorsprung und obwohl sie durch den dichten Schneefall kaum etwas erkennen konnte, war sie sich ziemlich sicher, genau über der Stelle zu stehen, an der die anderen sich zuletzt befunden hatten. Vorsichtig ließ sie sich mit den Beinen voran über den Rand gleiten und blind nach Halt für Hand und Fuß tastend, bewegte sie sich nach unten. Sie kam nur langsam voran, und nach einer Weile begannen ihre Muskeln von der Anstrengung zu brennen. Ohne Möglichkeit, ihr Vorankommen einzuschätzen, verfluchte sie ihre eigene Überheblichkeit. Sie biss die Zähne zusammen, um sich weiter nach unten zu kämpfen.

Etwas überrascht brauchte sie einen Moment, um zu erkennen, dass sie festen Boden unter den Füßen hatte. Sie löste den Griff ihrer Hände und schaute sich um. Das war der Vorsprung, auf dem die anderen in Deckung gegangen waren, aber es war niemand zu sehen. Enttäuscht ging sie ein paar Schritte nach vorne, um in den Abgrund zu spähen, aber sie konnte keine Spur von ihnen entdecken. Dann sah sie einen schmalen Fußpfad, der auf der selben Höhe nach Süden führte, und als sie an einem der Felsen eine kleine Blutspur erspähte, war sie sich sicher, welchen Weg sie nehmen musste. Die Schneeflocken fielen inzwischen immer schneller, dichter und schwerer, und so hatte sie Mühe, den Pfad vor sich zu erkennen.
Sich vorsichtig direkt an der Wand entlang hangelnd, bewegte sie sich weiter vorwärts, bis sich der Pfad erweiterte. Kurz darauf erreichte sie einen tiefen Einschnitt im Felsen, in dem Turan unvermittelt vor ihr auftauchte, den Bogen in der Hand.
Offenbar erleichtert, sie zu sehen, führte er sie in die Felsspalte, in der der zweite Söldner und Lerik an der Wand gelehnt saßen. Der Söldner hatte sich eine Fleischwunde am Arm zugezogen, sie aber bereits notdürftig verbunden.
‚Wo ist Bragos?‘ fragte sie besorgt.
Turan hatte wieder seinen Posten am Eingang bezogen. ‚Nachdem wir Lerik hoch geholt haben und er uns erzählte, dass Ihr versucht habt, nach oben zu kommen, ist Bragos los, um nach Euch zu suchen. Ich habe ihn nicht davon abhalten können‘, sagte er entschuldigend.

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Kommentare zu diesem Text

Elvarryn (36)
(26.05.09)
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 Mutter meinte dazu am 26.05.09:
Hehe, stimmt ... :)

Danke.
eklisabuk (50)
(03.06.09)
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 Mutter antwortete darauf am 03.06.09:
Warte mal ab, bis die Mädels richtig zur Hochform auflaufen ... O.o
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