Weshalb behelligen mich diese Leute mit ihrer hinterfotzigen Angst?

Aufruf zum Thema Fremdenfeindlichkeit

von  RainerMScholz

„Ich hab´ nichts gegen Ausländer: Jeder sollte einen haben.“
Bis eben war er noch ein ganz normaler Mensch, der mir an einem x-beliebigen Tisch gegenüber sitzt, im nächsten Moment wird er zum hirnlosen Herrenmenschenmonster, das mich mit seiner beharrlichen Penetranz Würgen macht. Wieso erzählt der mir das? Weshalb dieser Satz? Zu mir gesprochen, an mich gerichtet, als würde ich allen Ernstes etwas Vernünftiges erwidern wollen. Habe ich das vielleicht durch eine ungeschickte Bewegung provoziert, durch einen unbedachten Nebensatz, durch ein Handzeichen? Zuvor an einer falschen Stelle larmoyant gelächelt, genickt, irgendwas?
Das Gespräch, wenn es denn ein solches gewesen sein sollte, ist jetzt schnell vorüber. Jeder geht wieder seiner Wege. Immerhin hat dieser Mensch es bis in mein Schwarzes Büchlein geschafft, in dem alle Arschlöcher stehen, die mir bislang begegnet sind. Viele leere Seiten hat es nicht mehr. Ich muss mir bald ein neues zulegen. Ein größeres.
Jeder geht wieder seiner Wege dann. Jedem das Seine. In Buchenwald ließ Lagerkommandant Koch Schrumpfköpfe als persönliche Trophäe anfertigen. Dort, wo Goethe seine Gedichte verfertigte. Wahrscheinlich hat er sie zu vergleichbaren Anlässen hervorgeholt: Ich habe nichts gegen Juden, aber in diesem Format sind sie mir am liebsten.
Die Grenzen zum Faschistoiden als Äußerung menschlicher Regungen sind fließend. Xenophobie ist nur ein Wort, bis es mit Leben gefüllt wird. Und das, nachdem wir Nordamerika entvölkert und überrannt, Südamerika okkupiert, Australien uns einverleibt und Afrika dem Vergessen überantwortet haben, nachdem wir es entvölkerten. White Europe rules the world. Was noch? Was noch? Und immer noch seid ihr besessen von dieser Angst? Verpisst euch mit eurer Scheiß-Angst wo ihr hergekommen seid! Geht zurück in den Leib, der fruchtbar ist noch, aus dem das kroch. Nehmt den neoliberalen Dreck mit, der das nur denkt, was ihr längst sagt in eurer Mann-von-der-Straße-Einfachheit, in eurer Stammtischblödheit.
Xenophobie ist nur ein Wort. Und dann war der noch zu blöd, den Satz richtig wiederzugeben. Jeder sollte einen Nigger haben, Nigger, nicht Ausländer, du Vollspast.


© Rainer M. Scholz

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text

MarieM (55)
(24.06.09)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 RainerMScholz meinte dazu am 25.06.09:
Danke für den positiven Kommentar und das das. Der andere Satz muss so stehenbleiben, finde ich, da er eigentlich ein (Brecht?) Zitat ist: Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch. Vielleicht hab´ ich ihn ein wenig verkorkst. Zur ausgebliebenen Diskussion, vielleicht passiert da ja noch etwas: Als Gutmensch - und dann wäre der Text ja viel zu einfach - würde mich nervös machen, dass der Protagonist selbst über Schwarze Listen zu verfügen scheint, und dass ihm die rassistischen Sprüche und Attitüden durchaus nicht fremd zu sein scheinen, im übrigen schließt der Text politisch eher unkorrekt: Der kleine Westentaschenfaschist in uns allen, ohne tiefer gehen zu wollen.
Der Bär macht wieder in den Wald und grüßt,
R.
MarieM (55) antwortete darauf am 25.06.09:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 RainerMScholz schrieb daraufhin am 27.06.09:
Das mit den Schrumpfköpfen für Lagerkommandant Koch ist übrigens authentisch.
Grüße ins Wochenende,
R.
MarieM (55) äußerte darauf am 01.07.09:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Lala (24.06.09)
Hallo RainerMScholz,

nett ausgekotzt und nachvollziehbar ausgekotzt – wenigstens für mich. Solche Spackos wie der, der hier die Vorlage abgab, sind natürlich auch leicht vorzuführen. Wobei die Vehemenz Deines Aufrufrs erfrischend ist.

Du solltest bei denen, die Moslem nicht automatisch mit Ausländer gleichsetzen, Zustimmung zu Deinem Aufruf bekommen. So auch von mir.

Das was mir Sorge macht, ist, dass die, die auf uns und unsere Festung Europa starren, wahrscheinlich keine Unterschiede machen werden, zwischen einem unreflektierten und einem reflektierten Arschloch. Ich mach mir da jedenfalls keine Hoffnung.

Wie Du sehr richtig geschrieben hast, haben die feinen Gutmenschen aus Mitteleuropa alles unterjocht, ausgelutscht und weggeworfen, was sie in die Finger bekamen; jahrhundertelang bis heute – nur heute subtiler.

Die Achse des Bösen? Das sind wir – wir sind die Kims und Adolfinidschads. Will sagen: bei den Anderen stehen wir allesamt in so einem schwarzen Buch der Arschgeigen, wie Du eines führst.

Jeder Einzelne von uns, jeder der mal in den Urlaub fliegt, begeistert mit der Technik geht, Apple, Linux, Microsoft, Auto fährt, sich preiswert kleidet und gerne heizt, und mit einem Spendchen hier und da, einen Dispens erkauft oder mit der richtigen Baumwolle oder Kaffee ein gutes Gewissen, wir alle sind das riesen Luxusproblem für den Rest der Welt.

Europas Länder, Häuser oder Wohnungen, wirken wie betreutes Wohnen im Banlieu. Wahrscheinlich wollen wir es nicht wahrhaben, aber jeder von uns, hat wohl mindestens drei „Nigger“ im Ausland, die für ihn das Leben lebenswert machen.

Gruß lala

 RainerMScholz ergänzte dazu am 25.06.09:
Dass wir bereits alles im Sack haben, scheint die Situation jedoch nur zu verschlimmern. Statt uns satt zurück zu lehnen, weil wir schon alles einkassiert haben, scheißen wir uns in der Festung in die Hose. Und die, die in der Festung die Lakaien machen, weinen jeden Abend in ihr Strohkissen, weil sie sich haben korrumpieren lassen und darum wissen. Und das Wissen darum führt auch gerne `mal zur Gegenreaktion: Ich bin ja gerne ein Arschloch und lasse mich gerne einkaufen, weil ich werde ja eingekauft, weil ich so gut, und nicht weil ich so billig bin.
Danke für den Kommentar,
Grüße,
R
miltaSvartvis (29) meinte dazu am 19.09.12:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram