Sinisterliebe

Kurzgeschichte zum Thema Horror

von  RainerMScholz

Endlos weite, dunkle Korridore führen hinab in die unauslotbare Tiefe. Stacheldraht reißt meine Haut in Fetzen; Blut rinnt von meinen Schläfen, überströmt mein Gesicht.      
Es riecht durchdringend nach blühenden Rosensträuchern, die ich in der Finsternis nicht zu sehen vermag. Es könnte genauso gut eine Täuschung sein, oder eine Falle, die mir ein unbekannter Gott stellt.
Blind taste ich umher auf der Suche nach dem Ausgang, nach einem Licht, einer vertrauten Person, dem Ende des Tunnels. Doch ich muss alleine sein. Mein Rufen verhallt ungehört und ohne Echo, aufgesogen von unsichtbaren schweigenden Mauern. Also gehe ich weiter in den schwarzen Schlund hinab.
Die Schmerzen sind unerträglich. Mein Körper ist eine eiternde Wunde. Ich schreie in unaufhörliche Nacht, bitte meinen Schöpfer um Erlösung und verfluche ihn im selben Atemzug. Die schreckliche Einsamkeit lastet wie ein Bleigewicht auf meiner Seele.
Vielleicht ist das der Tod, das Ende. Und ich werde bis in alle Ewigkeit die schwarzen Korridore beschreiten auf der Suche nach einer Erlösung, die niemals eintreten wird. Verdammt zu einer Suche, die nicht enden wird, nicht enden kann, da ein Ausweg nicht vorgesehen ist, durch den ich den Schmerzen entrinnen könnte. Ewiges Leben in einer kalten, schwarzen, undurchdringlichen Tiefsee, deren Rätsel nicht gelöst werden können. Und der peitschende, reißende Stacheldraht eiserner Rosensträucher. Die Schmerzen.
Ich bin froh über die Existenz des Schmerzes. Dass mein Fleisch in Stücke geschnitten wird. Das Blut ist mein Blut, die Tränen sind meine Tränen. Der Puls, der durch meinen Körper pocht, beweist, dass ich noch lebe. Ich habe noch nicht aufgegeben. Ich bin noch nicht tot. Ich lebe - der Schmerz ist Leben. Es existiert ein Teil von mir, der noch nicht aufgegeben hat, der noch blutet, sich wehrt und gegen das Grauen einer ewigen Nacht ankämpft mit aller Kraft und Leidenschaft. Wenn ich auch aufgehört habe zu schreien, so gehe ich doch immer weiter und weiter.
Es muss Liebe sein, die mich in der Dunkelheit des Abgrunds durchhalten, verharren lässt. Liebe die mich wahnsinnig machen wird, die mich verdirbt an Leib und Seele, mich ausblutet und vernichtet, um mich dann abermals vorwärts zu treiben auf zerrissenen Knien. Die mich antreibt zu immer neuem Leid, zu noch bitterer Trauer und Hoffnungslosigkeit. Liebe in den Grüften meiner grausamsten Träume. Phantasmagorie einer lichtlosen Schwere.
Ich bin verliebt in die Hölle.

© Rainer M. Scholz

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram