Was hätte ich denn tun sollen?

Kurzprosa zum Thema Gewalt

von  NormanM.

„Wieso hast du nichts dagegen unternommen?“, warfen sie mir vor, als ich erzählte, dass ich hatte mit ansehen müssen, wie ein Jugendlicher von drei anderen Jugendlichen zusammengeschlagen wurde.
„Ich hatte mein Handy vergessen, und es befand sich keine Telefonzelle in der Nähe“, erklärte ich. „Kein Mensch war auf der Straße, ich bin ja auch zum nächsten Haus gerannt, von dort aus jemand die Polizei rufen konnte, aber ich brauchte fünf Minuten bis dahin.“
Als die Polizei endlich eingetroffen war, hatten die Rowdys den Jungen bereits übelst zugerichtet. Nun befand er sich im Krankenhaus auf der Intensivstation.
„Warum bist du nicht einfach dazwischen gegangen?“, fragten sie mich dann.
„Wie sollte ich denn gegen die ankommen? Das waren Schlägertypen und zu dritt. Da hätte ich nichts machen können.“
„Du bist eine echt feige Sau. Wie kann man nur so feige sein und zulassen, dass einer halb totgeschlagen wird“, beschimpften sie mich darauf.
Ja, ich war feige. Ich hätte nichts lieber getan als es verhindert. Ich hatte mehr als ein schlechtes Gewissen. Aber was hätte ich tun sollen? Konnte niemand verstehen, dass ich Angst um mein eigenes Leben hatte?
Aber vielleicht hätte ich es ja doch wenigstens versuchen sollen, mich einfach mal der Sache stellen als immer nur davon zu laufen. Wahrscheinlich hatten sie Recht. Wenn noch einmal so eine Situation auftreten würde, dann würde ich etwas unternehmen, nahm ich mir vor.

Ein paar Wochen später bemerkte ich ein Paar auf der Straße, das mir entgegen kam, es war etwa 50 Meter von mir entfernt. Der Typ, der wie ein Skinhead aussah, schrie ziemlich laut und aggressiv auf seine Freundin ein. Seine Freundin schrie zurück, nicht ganz so laut und aggressiv wie er. Er wurde immer lauter und aggressiver. Ich hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Jetzt schubste er sie.
„EY, spinnst du? Was soll das?“, schrie sie und schubste ihn zurück. Jetzt verpasste er ihr eine heftige Ohrfeige. Ich begriff, dass es nun Zeit war zu handeln, diesmal musste ich was tun. Damit nicht wieder jemand in ein Krankenhaus gebracht werden muss. Schreiend hielt sie sich eine Hand als Schutz vors Gesicht, doch er begann schon weiter auf sie einzuschlagen.
Ich rannte auf sie zu.
„Hören Sie sofort auf damit!“, rief ich ihm zu.
„Ey, was willst du denn?“, ertönte er ganz verdutzt und ließ ab von ihr.
„Keine Gewalt hier, ich ruf sonst die Polizei“, drohte ich. Er kam auf mich zu.
„Verpiss dich, Alter, sonst hau ich dir gleich ein paar auf die Fresse.“
„Ok, ich ruf jetzt die Polizei.“ Diesmal hatte ich mein Handy dabei und holte es hervor. Doch, bevor ich die Nummer wählen konnte, trat er es mir aus der Hand. Bevor ich reagieren konnte, schlug er mir brutal auf die Nase und sofort danach in den Magen. Ich krümmte mich vor Schmerz. Darauf hin trat er mich zu Boden, während ich dort lag, trat er noch ein paar Mal heftig zu.
„So, das nächste Mal weißt du bescheid, wenn du wieder große Fresse hast“, hörte ich ihn dann noch sagen. Und zum Abschied trat er mir noch gegen den Kopf, so dass mir schwarz vor Augen wurde und ich nichts mehr mitbekam.
Als ich zu mir kam, befand ich mich selbst in einem Krankenhaus.
„Wie kann man auch nur so blöd sein, sich mit einem Rechten anzulegen. Da hättest du doch wissen müssen, dass du da den Kürzeren ziehst“, warfen sie mir hinterher vor.

Das hatte man davon. Was man auch machte, war falsch. Wenn ich noch nicht mal gegen einen einzelnen ankam, wie hätte ich gegen die anderen drei Schlägertypen ankommen sollen, die zusammen dreimal so stark waren? Aber hätte ich nichts getan, hätte man mir wieder vorgeworfen, dass ich ein Feigling und egoistisch sei.
Ich weiß nur, nie wieder werde ich den Helden spielen, wenn ich keine Chance habe, auch wenn man mich dafür verurteilt, sondern dafür immer darauf achten, dass ich mein Handy dabei habe und rechtzeitig Hilfe holen kann.

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Kommentare zu diesem Text

janna (60)
(31.08.09)
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 Omnahmashivaya meinte dazu am 04.09.09:
Da stimme ich Janna zu- besonders beim letzten Satz.
Harter Tobak dein Text, Norman. Werde noch einen ausführlichen Kommi dazu schreiben. LG und ein schönes We an Alle. Sabine

 NormanM. antwortete darauf am 10.09.09:
Hallo,

danke euch beiden. Ich hatte diesmal keine benachrichtigung bekommen und den kommentar erst später gesehen.

Lg Norman

 Omnahmashivaya (09.09.09)
Mutig, dass sich der Prot. eingesetzt hat. Obwohl es die Braut ja selbst schuld ist, wenn sie sich auf so einen Mann einlässt ...

Es ist immer schwierig, solch' eine Situation abzuwägen, deswegen ist ein Anruf das Beste. Oder eben Pfefferspray :)

Lg Sabine

 NormanM. schrieb daraufhin am 10.09.09:
Klar, schuld hat sie vielleicht selbst, aber deswegen darf man ja nicht weg sehen. Anruf ist zwar das beste, aber der prot hatte angst, dass die polizei zu spät kommt und er dann wieder vorwürfe bekommt.
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