Schwanensang auf ein Schlachthaus

Ballade zum Thema Untergang

von  DerHerrSchädel

Schwanensang auf ein Schlachthaus


O du schöne weiße Wolke
Bitte komm zu mir herbei,
Da ich schreibe meinem Volke
Diese düstre Litanei.

Komm und streichle meine Seele
Hüll mich rasch ein in dein Tuch.
Trag mich fort von dieser Hölle,
Dies allein ist mein Gesuch.

Schlachterei war mein Gewerbe,
Mein mich nährender Beruf.
Meines Vaters stolzes Erbe,
Damit Wohlstand er uns schuf.

Schon von kleinsten Kindesbeinen
Hab das Beil ich angepackt,
Ohne Zaudern oder Weinen
Auf die Tiere eingehackt.

Ob nun Schweine oder Rinder,
Alle kamen in mein Haus.
Männlich, weiblich, Alte, Kinder.
Allen macht’ den Gar ich aus.

Mit des scharfen Messers Schneide
Habe ich sie umgebracht.
Rausgeschnitten Eingeweide,
Bauch und Schädel aufgemacht.

Noch viel Schönes könnt ich sagen,
Da ich schreibe diesen Sang.
Doch ich habe Grund zu klagen
Für ein ganzes Leben lang.

Eines Morgens in der Frühe
Vor nicht all zu langer Zeit
Brüllten furchtbar laut die Kühe,
Dass es scholl im Dorfe weit.

Und die Schweine in den Boxen
Tobten hasserfüllt zur Tür.
Ebenso auch alle Ochsen,
Angeführt von einem Stier.

Meine Burschen mit der Forke
Stürmten in den Stall hinein
Und ich sann schon voller Sorge
Ob Gewehre nötig sei’n.

Doch bald hört’ ich ihre Schreie,
Während ich noch nachgedacht
Hat das Vieh denn ohne Reue
Meine Burschen umgebracht.

Und ich sah mit starrem Blicke
Wie die Horde es genoss,
Zu zerreißen sie in Stücke
Bis das Blut in Strömen floss.

Ihre Wut war nicht zu halten,
Kaum zu bändigen ihr Haß.
Mein Herz fühlte ich erkalten,
Da ich jeden Mut vergaß.

Denn sie stürmten in mein Haus,
So das rasch ich eingesperrt.
Bald erkannte ich voll Graus,
Das mir jede Flucht verwehrt.

Draußen hör ich ihr Gepolter
Wenn ich dieses niederschreibe.
Voller Furcht vor Mord von Folter,
Denn sie rücken mir zu Leibe.

Mit dem Tand, den ich gefunden,
Habe ich die Tür versperrt.
Dieses Bollwerk Tag und Stunden
Hat den Mob mir abgewehrt.

Sann voll Hoffnung auf die Wende,
Dass sie kommt mit aller Kraft.
Die dem Aufstand macht ein Ende,
Und die Ordnung wieder schafft.

Doch wohin mein Blick auch gleitet
Aus dem Fenster in die Welt;
Kein Signal, das mir bedeutet:
Ordnung wird bald hergestellt.

Denn ich sehe mit Entsetzen
Flammen lohen allerort
Und die wilden Herden hetzen
Zu den Nachbarsdörfern fort.

Kann nur schauen, kaum begreifen
Was vor meiner Tür geschieht,
Wo die Tiere wütend schweifen,
Daher schreib ich dieses Lied.

Was an Menschen sie vorfinden
Reißen sie in tausend Stücke,
Doch mir bleibt nur zu verkünden
Was geschieht, wohin ich blicke.

Der Bekannte gegenüber
Ward von ihnen totgebissen,
Haben ihm in ihrem Fieber
Alles Fleisch vom Leib gerissen.

Und der Tag er geht zu Neige,
Niemand lindert meine Not
Ist denn alle Welt zu feige
Mich zu retten vor dem Tod?

Oder ist die Welt bedroht,
Draußen scheint die Nacht so hell,
Ist es Feuer das dort loht,
Sind die Städte denn ihr Quell?

Doch ganz gleich was kommen mag
Das ich sterbe ist gewiss.
Schwächer wird ich Tag zu Tag
Meine Nacht erscheint mir süß.

Wozu immer weiter kämpfen
Ohne Zukunft, ohne Trost
Kann den Wahnsinn doch nicht dämpfen,
Der fortwährend mich umtost.

Alles was mir lieb und gut,
Alles woran ich geglaubt
Haben sie in ihrer Wut
Ewiglich mir fortgeraubt.

War ein Metzger, war ein Schreiber,
Hab gedichtet, hab genossen.
Hatte Muße, Geld und Weiber.
Nichts, das mir all das verdrossen.

So gedenk ich schöner Tage
Die nun endgültig vorbei.
Die Erinnerung ich trage;
Nicht mehr lang, dann bin ich frei.

(April 2008)

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Kommentare zu diesem Text


 souldeep (01.09.09)
Obwohl das Thema mir nicht zusagt, möchte
ich sagen, dass die Idee, in welcher Tiere sich
(auf so grausame Weise) am Menschen rächen,
doch etwas für sich hat.

Es beeindruckt mich.

Gruselfreie Grüsse,
Kirsten

 DerHerrSchädel meinte dazu am 04.09.09:
Die Idee ist ja nicht neu, aber mir gefiel der Gedanke, einen solchen Text aus der Sicht des verbitterten Metzgers zu schreiben!

Vielen Dank!

Grüße

Schädel
Reggy (23)
(02.09.09)
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 DerHerrSchädel antwortete darauf am 04.09.09:
Ich glaube es war Adorne, der meinte, dass im Verhalten der Menschen mit den Tieren auch das Verhalten von Menschen miteinander wiederspiegele. Mit der Industrialisierung begann die anonyme bürokratisierte Massenschlachtung von Tieren am Fließband - und einige Jahrzehnte später kam der industrialisierte Massen- und Völkermord.

Viele Grüße

Schädel
D_Epperlein (57)
(03.09.09)
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 DerHerrSchädel schrieb daraufhin am 04.09.09:
Aber ich hoffe doch, es ist nicht zu didaktisch geschrieben. Möchte nicht als moralisierender Lehrmeister wie weiland Berti Brecht auftreten.

Viele Grüße und vielen Dank!

Schädel

 AZU20 (04.09.09)
Das hat was. LG

 DerHerrSchädel äußerte darauf am 04.09.09:
Soll es auch;-)
eleutheros (26)
(12.09.09)
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 DerHerrSchädel ergänzte dazu am 13.09.09:
Tand meint eigentlich hübsche, aber wertlos gewordene Dinge. Ich denke, das passt schon. Das Schweigen der Lämmer spielte keine Rolle, jedenfalls nicht bewußt. Ich mag diesen Film nicht besonders.

 HarryStraight (27.02.11)
Wie gut ich deine Gedichte finde, würde ich niemals zugeben.
P. Rofan (44)
(11.04.14)
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 DerHerrSchädel meinte dazu am 11.04.14:
Ja, das war mal so ein Spleen von mir. Je länger, desto besser.

Ich habe den Text kürzlich vollständig überarbeitet. Jetzt ist er eine Strophe länger.
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