An alle, an alle

Alltagsgedicht zum Thema Allzu Menschliches

von  Andalp

Immer schon aufhörn, wenn das Ende fast in Sicht ist,
schafft einen Haufen fast brauchbarer Sachen,
und weil stets Neues anzufangen lockt, vergisst
man froh und leichten Herzens ganz komplett zu machen
die Unzahl fast vollkommner Stücke.

Die beinah brauchbar beigebrachten Teile
füllen anfangs manche unbewohnte Lücke
im Raum von Kellern, Böden, Geist und Langeweile,
bevor der Zeitenlauf in der ihm immanenten Tücke
den Eigner in die Kniee zwingt,

und dieser schweren Herzens sich zum Schluss entschlösse
und zaghaft erst, dann immer wilder werkend, welke Werkfragmente schwingt
und selbe mit dem Tempramente aller irren Sprösse
ehrbarer Eltern – zu früh hinaus zu ihrer letzten Grube bringt,
um derer dort sich zu erleichtern.

Die Grube fasst die. Ohne Frage. Alle.
Wie auch von vielen Andern schon zuvor im Schweiß gezogne Früchte,
die doch nicht reiften. Und jedes einzeln, halbgar grün, nah an der Ruhmeshalle
vorbei im letzten Gange zum, mit jedem dieser Gänge immer seichtern,
Anger im Arme seines unbeholfnen Schöpfers ärmlich flüchte.

Was bleibt zu tun in diesem jammervollen Strudel von Versagen?
Was machen mit den angefangnen ungebornen Leichen, welche
durch Vollenden mit dem Hauch des Zeichens eingetragen
ins Buch der Werke füllen könnten der Genießer Kelche,
doch vorm Vollenden zu weit vorgerückter Stunde ganz verzagen?

Wie nur, in diesem einen ersten kleinen Beispielsfalle –
obschon schon ist durch Anfänge ein kleines Glück auf Erden –
soll dieses selbe hiermit offenbarte Werkfragment
angemessen abgerundet und vollendet werden?
Diese Frage geht an alle ... alle ...

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Kommentare zu diesem Text


 FrankReich (10.05.19)
Wieso hat diesen Text noch niemand kommentiert? Der steht seit 10 Jahren auf dieser Seite.
Er ist nicht zu lang und recht flüssig geschrieben, hätte zwar auf Reime verzichten können, aber sie schmücken ihn, und sie sorgen nicht zuletzt für die Pointe, die dieses gar nicht alltägliche Alltagsgedicht abrundet.
Absolut lesenswert, und irgendwie eine Hommage an Eich, Enzensberger und Grünbein.
Einen besseres Gedicht habe ich auf KV noch nicht gelesen.

Ciao, Ralf

Kommentar geändert am 10.05.2019 um 15:25 Uhr

 Andalp meinte dazu am 17.05.19:
Na he!
Das ist aber eine gute Überraschung!
Endlich mal ein Urteil zu dieser Sache. Und ein Zeichen.

Dankeschön!

 FrankReich antwortete darauf am 02.02.22 um 21:54:
Passt doch, Dir zu Deinem Geburtstag noch eine Leseempfehlung reinzuwürgen. 
👋😂

Ciao, Frank

 FrankReich (30.10.20)
Für mich ist dieses immer noch eines der besten Gedichte, die ich bisher auf kV gelesen habe, also an der Zeit, das mal wieder zu würdigen.

Ciao, Frank

 Andalp schrieb daraufhin am 03.11.20:
Einwandfrei!
Danekschön, Ralf_Renkking!

Es müsste eine Möglichkeit geben, diese Sachen weiteren Leserkreisen vorzustellen.

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