Paster of Muppets

Erzählung zum Thema Einsicht

von  Mutter

Nachdem uns Anne einen Haufen unkomplizierte Nudeln gemacht hat und wir das Essen schweigend zu einer Flasche australischen Rotweins gegessen haben, sitzen wir vor den inzwischen nachtschwarzen großen Fenstern. Ich nippe an meinem Glas und starre auf die Bay hinaus, wo sich mehrere beleuchtete Frachter bewegen – ob auf den Hafen zu oder weg, kann ich aus der Entfernung nicht erkennen.
Die Vivid-Girls warten. Auf eine Erklärung, einen Plan – ein Manifest. Irgendwas. Mein Hit, meine Regeln, mein Plan.
Nachdenklich fahre ich mir mit der Zunge über die Zähne und setze an. Räuspere mich. Neuer Versuch.
‚Ich habe keinen Bock mehr auf’s Voltigieren. Keine Lust mehr auf die Leine.‘
Molly will mir ins Wort fallen, vermutlich, um mir zu sagen, ich muss mich nicht entschuldigen. Meine erhobene Hand stoppt sie. ‚Hier passt alles hinten und vorne nicht zusammen. Und ich werde mich nicht weiter zum Hampelmann machen lassen. Bin doch kein Kasper.‘
Molly nickt, Anne trinkt mit gesenkten Augen ihren Wein. Jede Wette, der Australier würde von ihren Lippen doppelt gut schmecken.
‚Ob Metriç tatsächlich damit zu tun hat, weißt du nicht? ‘, fragt Anne nach einem Moment. Sie redet derart selten, dass ich vergessen habe, wie ihre Stimme klingt.
‚Nein, ich habe keine Ahnung. Vielleicht sollte mir das egal sein.‘ Mit einem bedeutungsschwangeren Lächeln sehe ich sie beide an und proste ihnen zu.
Molly lässt sich so leicht nicht einwickeln. Sie verzieht das Gesicht und schwenkt den Rest Roten in ihrem Glas. Sieht mir dann direkt in die Augen. ‚Was passiert als nächstes?‘
‚Ich prügel dem Albaner die Scheiße aus dem Leib. Schaue mal, was dabei rauskommt.‘ Lache als einziger über meinen eigenen Witz.
Die beiden warten auf mehr. Das ist noch kein Plan, das ist dämlicher Machismo.
Ich seufze. ‚Gebt mir bis morgen früh, in Ordnung? Eine Nacht, und ich habe einen Killer-Plan. Einen echten Kicker. Wie ist das?‘
‚Super!‘ Mollys Lächeln mildert den Sarkasmus kaum ab. ‚Bis dahin – mache ich noch eine Flasche von dem Australischen Roten auf. Wie ist das?‘
‚Super!‘

Zwei Stunden später sitze ich alleine am Küchentisch und starre auf mein Handy. Die beiden Girls haben sich ins Bett verzogen. Ich überlege, ob ich Collie anrufe. Was ich ihm sage, wenn ich ihn anrufe.
Als würde mir meine Entscheidung abgenommen, meldet sich das Display blinkend mit fahlem Licht. Unbekannte Nummer. Metriç? Eher der Graubart, der mir ankündigen will, dass er demnächst mal vorbeischaut.
Niemand zu Hause!
Mit einem Seufzer drücke ich den grünen Knopf und führe den Apparat zum Ohr.
‚Was?‘
‚Corker?‘, fragt eine tiefe Stimme, die locker mit dem Stouts Bass konkurrieren könnte. Aber die hier gehört keinem Schwarzen, hat das falsche Timbre.
‚Meistens schon.‘
Er geht nicht auf den schwachen Spruch ein. ‚Auch wenn Sie mich nicht kennen – wir sind uns bereits begegnet.‘
Plötzliche Körperspannung erfasst mich und ich erwarte seine nächsten Worte.
‚ Carndonagh‘, sagt er, während genau dieses Wort mir durch das Hirn schießt. Meine Nackenhaare stellen sich auf.
‚Sie haben die Brüder umgelegt, oder? Die Bentos und die Albaner?‘
Am anderen Ende bilde ich mir seinen ruhigen Atem ein.
‚Warum haben Sie mich am Leben gelassen? Mich nicht auch umgelegt?‘ Mit aller Macht versuche, ich gelassen und entspannt zu klingen. Als ginge mir seine Antwort auf diese Frage völlig am Arsch vorbei. Vermutlich misslingt der Versuch.
‚Es gab eine spezifische Weisung, Sie betreffend.‘
Mein Puppenspieler, klar. Jedes Zucken eines Fadens ein hilfloses Strampeln meinerseits.
‚Hatte Metriç damit zu tun? Werden Sie von Metriç bezahlt?‘
Er antwortet nicht sofort.
Nach einem Moment ertönt seine Stimme erneut. ‚Sie fragen sich sicher, warum ich Sie anrufe. Ein gemeinsamer Freund hat mich gebeten, das für ihn zu tun. Zu Ihrer Frage: Metriç hatte ein großes Interesse daran, dass Ihnen nichts passiert.‘
‚Wofür bekomme ich diese Info? Um mir zu helfen?‘ Oder um mich in noch weitere Fäden zu verwickeln? Meine Gedanken versuchen sich an der Rasterfahndung, sortieren, vergleichen. Versuchen zu evaluieren, wo dieser geheimnisvolle Fremde mit der dunklen Stimme steht. Zwecklos. Mir fehlen zu viele Variablen in der Gleichung.
Mein Gefühl, dass ich seit Anfang an verarscht werde, wird nicht kleiner.
‚Wer ist dieser Freund? Jemand, den ich kenne?‘
‚Mister Corker, es tut mir leid, dass ich ihnen nicht mehr sagen kann. Um den Rest müssen Sie sich selber kümmern.‘
Bevor ich ihn aufhalten kann, ihn zum Weiterreden ermuntern kann, verkündet ein unhöfliches ‚Klick‘ das Ende unserer Unterhaltung. Kurz, für den Bruchteil einer Sekunde, muss ich den Wunsch unterdrücken, das Handy an der Wand zu zerschmeißen.
Keinen Bock mehr auf die Scheiße!

Ich treffe eine Entscheidung. Treffe sie nochmal – das erste Mal habe ich sie oben auf dem Dach von Herberts gepanzerter Limousine liegend getroffen. Es wird Zeit, ein paar von den Schnüren durchzuschneiden. Mich zu wehren, zu befreien.
Den Muppets aufs Maul zu hauen. Und mit Metriç fange ich an – gleich morgen früh!
Froh darüber, eine echte Entscheidung getroffen zu haben, leere ich den letzten Rest Rotwein aus der Flasche und schlendere rüber zur Schlafzimmertür der beiden Girls. Kann durch die Tür nichts hören. Kein Stöhnen, keine Geräusche von Sex. Wie enttäuschend!
Aus der Jacke fische ich mir mein Handy und trete hinaus auf den Balkon, der neben der Küche hängt. Der Wind zerrt an mir und mit einem Grinsen lasse ich die aufgewühlte Nacht auf mich wirken.
Endlich wähle ich die Nummer des Albaners und warte, lausche dem Freizeichen. Drinnen würde ich besser verstehen, hätte kein Rauschen im Hörer. Dafür fühle ich mich hier draußen ungezähmter, wilder. Aufmüpfig.
Der Graubart geht ran. ‚Corker? Es ist spät.‘
‚Ich nehme an, Sie haben von Herbert gehört. Ich muss mit Metriç reden. Gleich morgen früh.‘
Er antwortet nicht sofort.
‚Was ist?‘, frage ich unwirsch.
‚Passt Ihnen Neun?‘
‚Zu spät. Machen Sie halb Sieben draus. Ich bin Frühaufsteher.‘
‚In Ordnung. Wo sollen wir Sie abholen?‘
Ich überlege kurz. Will einen Treffpunkt, der weit genug von den Vivid-Girls entfernt ist, um sie nicht mit drinhängen zu haben. Und dicht genug, dass ich dort morgens um kurz nach Sechs hinkommen kann. Nenne ihm eine Ecke in der Nähe des Containerhafens, nicht weit von hier. Zu Fuß gut zu erreichen.
‚Also gut. Bis morgen, Corker!‘ Er lässt es wie eine Drohung klingen, obwohl ich um das Treffen gebeten habe. 
Zurück im Condo gehe ich noch mal zur Tür der beiden, es bleibt still.
Ich bereite mir mein Lager auf der Couch, hole mir gepflegt einen runter und schlafe kurz darauf ein.

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Kommentare zu diesem Text

Kitten (36)
(02.10.09)
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 Mutter meinte dazu am 02.10.09:
DICH hätten die mit reingenommen ... ;)
Kitten (36) antwortete darauf am 02.10.09:
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Alegra (41)
(19.11.09)
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 Mutter schrieb daraufhin am 23.11.09:
:)

Danke.
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