Arschwasser

Erzählung zum Thema Aggression

von  Mutter

Am nächsten Morgen holt mich der Wecker meines Handys um halb Sechs aus ungesunden Träumen von Zwilichtgestalten, die mich mit würgenden Fischhänden zu erdrosseln versuchen. Das Appartement ist noch leer und dunkel, aber als ich vom Klo komme, höre ich die Dusche laufen. Fuck, eine der beiden Kleinen ist genauso früh auf den Beinen wie ich.
Hastig hole ich meine Klamotten, ziehe mich an und stehle mich zur Tür hinaus. Der rechte Fuß fühlt sich merkwürdig an – der zweite Socken, den ich über den ersten gezogen habe, lässt den Fuß unförmig und verformt erscheinen.
Mit einem sanften Klick lässt das Schloss die Mädels zurück und ich eile die ersten paar Stockwerke die Treppe runter. Erst im 15. Stock lässt mich meine Ungeduld auf den Fahrstuhl warten.
Kurze Zeit später stehe ich in der feuchten Morgenluft. Letzte Schleier von Morgennebel treiben zerfressen vom Wasser her rüber und ich atme gierig die Feuchtigkeit ein. Setze mich in Bewegung, halte zwischendrin kurz an, um mir an einem Kiosk zu heißen Kaffee und ein warmes Croissant zu holen. Und jede Menge Wechselgeld. Der Pakistani sieht mich kurz verwundert an, während er mir die geforderten Münzen rüber reicht.

Ich bin fast eine halbe Stunde zu früh am vereinbarten Treffpunkt. Leere den Rest des Kaffees und schlage den Kragen meiner Jacke hoch.
Sehe mich in der Gegend um, mehr aus Langeweile als aus echter Vorsicht. Bis ich mich bei Metriç befinde, ist alles noch Vorspiel. Petting, da passiert nichts. Niemand bekommt auf die Fresse, niemand wird schwanger.
Kurz vor halb rollt der schwarze Mercedes die breite Straße an den Docks entlang. Schwenkt ruhig auf mich ein, hält neben mir. Das Fenster vom Beifahrer schnurrt herunter, Agent Smith Zwei verzieht keine Miene. Ich könnte ihn fragen, wo sein Partner ist. Ob der noch in Carndoragh Urlaub macht. Vielleicht findet er das witzig.
‚Einsteigen!‘, drückt er heraus und zeigt mit dem Daumen nach hinten.
Ich schlüpfe in den Fond des Wagens und sehe zu, wie wir viel zu schnell aus Belfasts Hafengebiet verschwinden.
Mit einem Mal ist mir nicht mehr entspannt zumute – ein nervöses Gefühl in der Magengegend breitet sich aus. Wenn ich Collie gesagt hätte, was ich vorhabe, hätte der einen Herzinfarkt bekommen.
Meine Miene verdüstert sich. Falls er mit der ganzen Sache tatsächlich nichts zu tun hat.
Wir fahren eine Viertelstunde Richtung Westen, raus aus dem Stadtzentrum.
‚Ist es noch weit?‘, maule ich, um mich zu amüsieren. Agent Smith würdigt mich keines Blickes. Sein fahrender Kumpel schaut zu ihm rüber und schnaubt.
Weitere fünf Minuten später halten wir kurz und warten darauf, dass sich ein automatisches Tor öffnet. Der Wagen passiert den Eingang und wir fahren um ein viktorianisches Rund auf das Haus zu. Halten.
Ungeduldig öffnet mir Smith die Tür. Hat Angst, ich könnte im Wagen hocken bleiben. Mit einem freundlichen Lächeln bedanke ich mich für den freundlichen Service.
Auf der breiten Treppe hoch  zu dem imposanten Herrenhaus bleibt der Fahrer, ein kompakter, kleiner Kerl, direkt hinter mir, während Smith vorangeht.
Er hält mir die Tür auf und wir betreten die kühle Eingangshalle. Der Boden ist in grauem Marmor gehalten, und während ich einen Blick in Smiths unsympathische Fresse werfe, denke ich, dass sein Blut bestimmt großartig auf dem Boden aussieht. Ich fürchte, ich leide an unterdrückten Aggressionen.
‚Arme auseinander!‘, befiehlt er humorlos.
Tastet mich routiniert nach Waffen ab, findet keine. Das Kleingeld klimpert in diversen Taschen.
‚Los, mitkommen‘, weist er mich an.
Zu meiner Überraschung gehen wir nicht auf die imposante Treppe nach oben zu, sondern auf eine kleinere an der rechten Stirnseite der Halle. Runter zum Keller, würde ich vermuten. Offenbar will Metriç seinen Teppich oben in den Wohnräumen nicht mit mir ruinieren, denke ich lakonisch. Schlucke trocken. Wessen brillante Idee war es gleich, hierher zu kommen und dem Albaner vor die Tür zu kacken?
Die Treppe schraubt sich in einem Halbkreis nach unten und einen Augenblick später gehen wir einen hell gefliesten Gang entlang, in dem ich mich unwillkürlich ducke. Es riecht nach Chlor.
‚Moment mal‘, sage ich und bleibe stehen. Der Kompakte stößt mich an. ‚Ich müsste nochmal wohin. Den Salamander auswringen.‘
Der Typ hinter mir lacht. ‚Nervös? Haste Arschwasser?‘
‚Dort vorne links‘, sagt Smith ohne Emotion und zeigt auf eine Tür.
Ich nicke und schiebe mich an ihm vorbei in den Raum. Keiner der beiden Wadenbeißer folgt mir. Drinnen schließe ich mich in der engen Kabine ein und schlüpfe aus dem rechten Schuh. Ziehe den zusätzlichen Socken aus, schnüre den Schuh wieder fest zu.
In den Socken kommt das gesammelte Kleingeld aus beiden Hosen- und mehreren Jackentaschen. Das ganze Paket wird mit einem Knoten zugezogen, an das andere Ende des Sockens kommt ein weiterer Knoten. Damit das Ding gut in der Hand liegt.
Ich lasse meinen improvisierten Totschläger, auf den jeder Knastinsasse stolz wäre, in die Tasche gleiten und betätige die Spülung. Trete raus ans Waschbecken und wasche mir kurz die Hände. Die sollen mich nicht für ein Ferkel halten.
Draußen erwarten mich die beiden ungeduldig. Es geht weiter den Gang entlang.

Am Ende des Flures öffnet mir Smith die Tür, hinter der ich das durchsichtige Blau des Pools schimmern sehe. Ich gehe an ihm vorbei und schaue mich um.
Olympische Ausmaße: Kein verschissener Fünfundzwanzig-Meter-Pool, sondern locker-flockige Fünfzig-Meter-Bahnen. Alles in großem Stil!
Statt Metriç zieht der Graubart dort im Wasser seine Runden – vom Big Boss keine Spur. Gerade macht der alte Mann eine Wende und kommt prustend hoch. Schwimmt weiter.
Ich nehme nicht an, dass der seine morgendliche Routine für mich unterbrechen wird. Der Penner will mich hier eine Weile in der überheizten Poolluft stehen lassen, bis ich schön durch bin. Ein Blick über die Schulter zeigt mir, dass der Kompakte sich ein einen Korbsessel an der Seite hat fallen lassen und in einer Zeitschrift blättert. Agent Smith steht direkt hinter mir und betrachtet mich ausdruckslos.
Ich seufze. Jungs, ich bin nicht euer Kasper.
Meine Rechte, die von Smith abgewandt steht, gleitet in die Tasche und greift nach dem Socken. Ich hätte keinen frischen nehmen sollen, extra für den Agent.
Mit einer flüssigen Bewegung gleitet meine Hand aus der Jacke, mein Arm schwingt in einem durch die Luft. Das pakistanische Kleingeld trifft krachend auf den Schädel von Agent Smith und er geht mit einem Grunzlaut zu Boden.
Während er noch auf den feuchten Fliesen zusammen bricht, bin ich auf dem Weg zu seinem Partner. Der schmeißt die Zeitschrift weg, in Richtung Pool, kommt allerdings nicht schnell genug aus dem Sessel raus.
‚Mach dir keine Mühe‘, rufe ich und trete ihm unters Kinn.
Verliere fast das Gleichgewicht, fange mich wieder. Knie mich auf den im Gesicht Blutenden und gebe ihm noch zwei, drei mit dem Socken mit.
Schwer atmend sitze ich auf seinem Schoß, während ihm das Blut aus Nase, Mund und einer Platzwunde an der Schläfe läuft.
‚Sorry, Kleiner‘, sage ich und hieve mich von ihm hoch. Drehe mich zum Graubart um.
Der paddelt mitten im Becken, starrt zu uns rüber. Dem ist offenbar aufgefallen, dass ich keine Lust mehr hatte, auf ihn zu warten.
Er macht eine Bewegung, will zum linken Ende schwimmen. Als ich ebenfalls einen Schritt in die Richtung mache, hält er inne.
Das Spiel können wir spielen, bis er mir absäuft. Falls er glaubt ich steige in den Pool, um ihn zu holen, hat er sich geschnitten.
Ungnädig verziehe ich das Gesicht und drehe mich zu Agent Smith um. Suche in seiner Jacke und werde fündig. Hole die kleine halbautomatische 9mm raus, lasse den Schlitten nach hinten gleiten und drücke damit eine Patrone in die Kammer.
Drehe mich um und zeige dem Graubart, was ich gefunden habe.
‚Zeit ist um, Kollege. Arschbomben-Battle fällt heute aus. Rauskommen!‘
Er nickt, spuckt Wasser und schwimmt dann mit gleichmäßigen Zügen auf mich zu.

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Kommentare zu diesem Text

Alegra (41)
(20.11.09)
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 Mutter meinte dazu am 23.11.09:
Das mit den Batterien hat sich in ein paar Jahren vermutlich erledigt im Knast - müssen sich die Jungs was andereres suchen. :D
Obwohl, Akkus können auch ganz schön heavy sein.

Danke.
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