Ich bin nicht dick, na und...

Text

von  Cassandra

Ich bin nicht dick, na und?

Nein, bin ich wahrhaftig nicht. Doch nichtsdestotrotz sind Bemerkungen aller Art, meine Figur betreffend, mitunter sehr direkt und teilweise  unter die Gürtellinie gehend.

Würde man zu einem Mensch gewordenen Riesenklops jemals sagen „ mein Gott, bist du fett geworden?“ Trifft Mann/Frau hingegen, nicht gerade übergewichtig, nach längerer Zeit einen Bekannten, heißt es, „Jesses, bist du magersüchtig?“ Ich fühle mich bis zu diesem Moment eigentlich noch ganz wohl und auch satt, aber jetzt? „Nein, nein“, stottere ich und versuche vergeblich, meine etwas zu dünn geratenen Oberarme zu verstecken. Mit T-Shirt ziemlich schwierig, und mein Gegenüber scheint meine Verlegenheit bemerkt zu haben, „bist auch ganz blass, irgendwie bleich. Und untenrum bist du auch weniger geworden.“  Ich schlucke nur kurz „ja, momentan stehe ich ziemlich unter Stress, Haushalt und Kinder, das Enkelkind, die Tochter studiert ja, na du verstehst.“ Mein Gegenüber atmet erleichtert auf. „Na", er klopft mir verständnisvoll auf die Schulter, „musst einfach mal abschalten und nur für dich da sein.“ Ich bin jetzt stinksauer. Verdammt noch mal, ich muss mich dafür rechtfertigen, meine Familie als ausbeuterische Meute verleugnen, dass ich essen kann was ich will, Süßigkeiten in mich hineinstopfe, ich sogar nächtens aufstehen kann und meinen Magen erschrecke – ich werde eben nicht dick. Nehme kaum zu. Aber mein Arzt hat mich gründlich untersucht und mich beglückwünscht.

Es gibt auch einige, sehr liebe Freundinnen, die bei meinem Anblick, nach längerer Abwesenheit, bis ins Mark erschrecken.

Vor nicht allzu langer Zeit im Schwimmbad. Ich habe es mir tatsächlich nicht nehmen lassen, einen Bikini zu tragen und dann kam sie! „Nein, bist du es wirklich? Mein Gott, bist du dünn geworden.“  Mir steigt die Schamröte ins Gesicht und ich versuche vergeblich meine dünnen Beine zu verstecken. Natürlich vergeblich. Sie hat sie entdeckt, „nein, steh doch mal auf, dass muss ich sehen.“ Ich stehe auf und schaue entsetzt an mir runter. Wie ein Storch im Bikini stakse ich da. Gott sei Dank hat mich zumindest mein gut entwickelter Busen nicht verlassen. „Du bist aber auch nicht gerade schlanker geworden“, würde ich jetzt gerne sagen. Mein Gegenüber sieht in dem engen Bikini aus, wie eine in der Mitte gegürtelte Leberwurst. Ich trau mich aber nicht.

Im Sommer ist es besonders schlimm. Im Winter kann ich Mogelpackungen anziehen, aber im Sommer leide ich unter altersbedingten Hitzewallungen. In der Stadt ist es dann besonders lustig. Teenager, die noch Fruchtwasser zwischen den Zähnen haben, mustern mich von oben bis unten. Sie sehen aus wie kleine Walrösser die in zu enge Jeans gequetscht wurden, welche zudem noch falsch geschnitten sind.

Die Hosen walken Fett über den Bund. Dicke Fleischrollen machen es sich auf dem Gürtel gemütlich und das Dämchen grinst mich verächtlich an. Ich halte ihrem Blick stand und würde mich doch am liebsten ihrem Hals widmen. Sie schaut jetzt zu ihrer Freundin und diese grinst nur herablassend. Sie hat ein sehr, sehr ausladendes Becken und sehr, sehr kräftige Oberschenkel. Ihre Brüste quellen aus dem T-Shirt mit der Aufschrift „ich bin blond, na und?“ Jawoll, kann ich da nur sagen. Da hast du Recht. Sie ist wirklich sehr blond und ihr Gesicht hat einige kräftige, interessante Farbtupfer verabreicht bekommen. Ich würde so nicht auf die Straße gehen.

Ich ernte natürlich nicht nur mitleidige oder herablassende Blicke. Es sind meist nur diejenigen, die ihr Fettfleisch, falls das möglich wäre, ohne weiteres mit enormem Gewinn verkaufen könnten. Die mögen Dünne einfach nicht. Weiß der Geier warum!

Unzufrieden bin ich mit meinem Gewicht nicht. Habe aber auch nicht vor, als Rechtfertigung dafür, bei sommerlichen Temperaturen, nur noch T-Shirts mit der Aufschrift „Ich bin dünn, aber nicht krank“ zu tragen. Ich bin auch nicht gewillt, mich künstlich aufplustern zu lassen. Es ist diskriminierend, Übergewichtige durch den Kakao zu ziehen. Uns darf man reinschubsen.

Ich weiß, irgendwann kommt der Tag der Rache. Spätestens bei meiner Wiedergeburt. Als übergewichtiges Kind und Erwachsener mit voluminösen Ausmaßen, werde ich mich über Normal- und Untergewichtige hermachen. Dann Gnade euch Gott…

Anmerkung von Cassandra:

es ist wirklich erstaunlich, wie gerade "fette Menschen" (ich meine nicht die normalen Übergewichtigen) ihr Mitleid bei zu wenig Fleisch auf den Rippen bekunden

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Kommentare zu diesem Text

janna (60)
(13.10.09)
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 Cassandra meinte dazu am 13.10.09:
Nene, da hast du aber etwas falsch interpretiert. Ich habe einige, sehr übergewichtige Freunde - die würden, hätten sie an meiner Figur etwas auszusetzen, andere Worte wählen. Alleine schon aus Besorgnis. Es geht um wirklich dicke Menschen, die, ich weiß nicht warum, ironische und beleidigende Bemerkungen gegen Dünne loswerden. Das gibt es, glaub es mir.

LG
Cassandra
BBA (43) antwortete darauf am 13.10.09:
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janna (60) schrieb daraufhin am 13.10.09:
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BBA (43) äußerte darauf am 13.10.09:
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BBA (43)
(13.10.09)
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 Cassandra ergänzte dazu am 13.10.09:
Danke dir. De story war auch nicht im Geringsten diskiminierend gemeint.

LG
Cassandra

 Cassandra meinte dazu am 13.10.09:
Ich möchte aber wirklich niemanden auf die Füße treten. Ich denke, ich werde diesen Satz entweder löschen oder abändern.. ;)

Übrigens, danke für die Kritik - ist immer willkommen. Aus Fehlern lernt man/frau...

GLG
Cassandra
BBA (43) meinte dazu am 13.10.09:
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Klopfstock (60)
(13.10.09)
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 Cassandra meinte dazu am 13.10.09:
Hallochen Klopfstock. Ich bin ein sogenannter "leptosamer Typ". Ein Bekannter, welchem ich dies mitteilte fragte mich dann, ob ich in Behandlung sei und wie oft ich schon geklaut hätte......... :))

LG
Cassandra

P.S. Ich habe vorwiegend übergewichtige Freunde, die sind einfach knuddelig und lieb...
Klopfstock (60) meinte dazu am 14.10.09:
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Armepoet (68)
(12.08.10)
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 Cassandra meinte dazu am 27.08.10:
Echt??? :) Ich mach gerade die Schrumpfphase durch :( Von 1,75 auf 1,72m
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