Gestochen (2006)

Text

von  Anifarap

"Sie haben ihm ein Auge ausgestochen."

Der Ekel verfingerte sich zwischen ihren Beinen und aus ihren Augen trat Schleim.

Sie selbst hat sich Gewalt angetan. Wunderbare, prächtige Gewalt und ihre Augen geöffnet. Sie hasste diese Kiste, hasste dieses verdammte, plärrende Ding.

Plasmabildschirm...,dachte sie verächtlich. Sie starb an den Bildern und der inneren Stille um sie herum. Manchmal verfluchte sie sich auch dafür, dass sie scheinbar in ihren letzten Leben zu lahm gewesen war, sonst wäre sie nicht in dieser beschissenen Medienzeit geboren worden.

Sie fuhr mit den Fingerkuppen über ihre nackten Knie, doch sie fühlte nichts.

Sie fühlte nicht.

Vielleicht lag es daran, dass sie schon lange kein Blick gestochen hatte.

Dann sah sie im Bildschirm das Gesicht eines hungrigen Mannes. Sie purzelte vom Bett, grabschte mit der feuchten Hand an die Mattscheibe und fieberte in den Blick, der sie nicht wahrnahm.

Dann knallte sie den Fernseher um. Ein Splitter stach ihr in die Hand.

Sie fühlte nichts.

Ihr Herz hing schon längst im Kopf.


Anmerkung von Anifarap:

Veröffentlicht am 30.08.2006, 1 mal überarbeitet (letzte Änderung am 30.08.2006).

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Kommentare zu diesem Text


 ZornDerFinsternis (03.01.10)
Wirklich unglaublich. Dein Schreibstil ist so greifbar und erschreckend und doch so einfühlsam...ich bin wirklich angetan.
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