Rollback

Erzählung zum Thema Kommunikation/ Dialog

von  Mutter

Unten auf dem Parkplatz mache ich den Anruf, sage den Bullen, wo sie Brewster finden. Schmeiße sein Handy auf den Sitz vom Pick-Up, setze mich in den Lamborghini. Steuere meinen Panzer rückwärts auf die Straße und fahre zügig zurück Richtung Derry.
Was jetzt?
‚Was willst du wirklich, Corker? Was ist deine Queste?‘, hat mich der dämliche Kobold gefragt.
Fassen wir zusammen: Bowman will an Kohle, die ich nicht habe. Will mich verarzten, hat aber so einen unglaublichen Schiss vor mir, dass er eine Million Lemminge losschickt, um sich mit mir anzulegen. Wie die Klebe, zum Beispiel.
Kurzentschlossen fische ich das Handy aus der Jackentasche, wähle die Nummer eines guten Freundes.
‚Was gibt es, Corker?‘, knurrt mich der Graubart an.
‚Halt die Fresse, du Arschkrampe, und gib mir den alten Mann.‘
Er flucht auf Albanisch, trägt mich rüber. Ich fahre am River Foyle entlang, die Sonne glitzert auf dem ruhigen Wasser.
‚Ich habe gedacht, wir hören nie wieder voneinander‘, sagt Metriç ohne Begrüßung.
‚Das dachte ich auch. Bis ich erfahren habe, dass Ihre Finger nach mir riechen. Die waren in meiner Möse.‘
Er sagt nichts, wartet ab.
‚Ich weiß inzwischen alles über die Bowman-Geschichte. Und es macht mich nicht gerade zufrieden, dass ihr Ärsche das ganze Ding mit aufgezogen habt. Das verstehen Sie, oder?‘
‚Was haben Sie jetzt vor, Corker?‘
‚Das weiß ich noch nicht. Soll ich vorbeikommen, und euch den Hintern versohlen? Euch zeigen, wie begeistert ich über die neu-gefundene albanisch-schottische Freundschaft bin?‘
‚Es war ein Geschäft, Corker, das ist alles. Business.‘
‚Schon klar. Aber im Gegensatz zu Ihnen war ich nie ein guter Geschäftsmann, konnte noch nie mit Geld umgehen. Ich lege auch Leute um, wenn es mir keinen Profit bringt.‘
Er schnaubt - keine Ahnung, ob er beeindruckt ist oder sich lustig macht.
‚Wie wär’s, wenn ich Ihnen ein Geschäft anbiete? Eine Information, die Sie weiterbringt.‘
‚Und dafür lasse ich Ihren faltigen Arsch in Ruhe?‘
‚Wenn Sie es so ausdrücken wollen – ja.‘
‚Schießen Sie los. Ich sage Ihnen hinterher, ob ich auf den Deal eingehe.‘
Ganz kurz nur zögert er, schmeckt ihm nicht. Aber ich habe gerade so viel gefühltes Oberwasser – ich würde ihn eh abblitzen lassen, wenn er mir dumm kommt.
‚Also gut – Bowman ist auf dem Weg zurück nach Berlin.‘
‚Niemals!‘ Warum sollte er das tun? Der dämliche Albaner will mich loswerden, will den nervigen Scheiß-Iren, der nicht sterben will, zurück auf den Kontinent schicken.
‚Ich kann Ihnen die Daten der Fluggesellschaft faxen. Das Geschäft zwischen Mister Bowman und mir ist beendet – ich habe keinerlei Interesse mehr daran, ihn zu decken. Sie, im Gegenzug, würde ich dagegen gerne loswerden.‘ Er sagt das sogar mit einer Spur Humor in der Stimme. Hätte ich ihm nicht zugetraut – bisher ist er mir wie ein absolut humorloses Arschloch erschienen.
‚In Ordnung – ich schicke Ihnen eine Faxnummer per SMS. Wenn mich die Infos überzeugen, sitze ich ohnehin im nächsten Flieger.‘
‚Davon bin ich ausgegangen‘, sagt er mit einem heiseren Lachen. ‚Es war mir eine Freude, mit Ihnen Geschäfte zu machen.‘
‚Leck mich‘, sage ich und lege auf. Allein für seine Überheblichkeit sollte ich beidrehen und den Lamborghini durch  die Front seines Bookie-Shops jagen. Ich kann Arroganz nicht leiden, denke ich mit einem fetten Grinsen. Unbegründete Arroganz.

Den Wagen lasse ich in einem Vorort von Belfast stehen, nehme den Bus in die City. Sollen sie doch versuchen, von Mister Adams eine Erklärung dafür zu bekommen, warum das Ding derart mitgenommen aussieht.
Als nächstes steht mir ein Gang nach Canossa bevor. Ich würde gerne darauf verzichten, aber das lässt mein Stolz nicht zu. Also beiße ich die Zähne zusammen und mache den Telefonanruf. Klingele wenig später am Appartement der beiden. Anne macht mir auf.
‚Wie geht’s ihr?‘, will ich mit gedämpfter Stimme wissen.
Anne antwortet genauso leide. ‚Sie schläft. Soweit so gut. Blass sieht sie aus.‘
Ich nicke und folge Anne nach drinnen. Wir durchqueren das Wohnzimmer und sie öffnet vorsichtig die Tür zum Schlafzimmer. Ohne einzutreten, werfe ich einen Blick in das verdunkelte Zimmer.
Molly liegt im Bett, die weißen Verbände um ihren Torso und den Bauch leuchten im Dunklen. Meine Kehle ist wie zugeschnürt, und das wird nicht besser, als mir Anne sanft die Hand auf die Schulter legt. Um mich zurückzuhalten oder mir Mut zu machen – ich weiß es nicht.
Mit einem Nicken ziehe ich mich zurück, lasse die die Tür wieder schließen. Wortlos gehen wir rüber in die Küche, wo Anne einen Kessel mit Wasser aufsetzt.
In Irland, wenn großes Unglück geschieht – mach Tee. Passiert großes Glück, mach Tee. Stirbt jemand, gibt es Tee. Die goldbraune Flüssigkeit ist das Allheilmittel der irischen Seele - glauben die Iren.
Ohne ein Wort warten wir beide, bis Anne uns dampfende Flüssigkeit in die Becher gießt. Ich verneine, als sie mir Milch anbietet.
‚Es tut mir leid‘, sage ich endlich, nachdem ich den ersten heißen Schluck genommen habe.
Sie sieht mich mit weichem Blick an, schüttelt leicht den Kopf. Antwortet: ‚Es ist nicht deine Schuld. Sie wusste, was sie tat.‘
Irgendwie bezweifel ich das. Sie wäre bestimmt nicht mitgekommen, wenn sie gewusst hätte, wie das alles endet.
Ich ziehe die Augenbrauen zusammen, betrachte die junge Frau mir gegenüber. ‚Warum hat mir Molly geholfen?‘
Sie sieht mir direkt in die Augen. ‚Was meinst du?‘
‚Ach komm, Anne, ihr müsst darüber gesprochen haben. Was hat sie erzählt, warum sie ihren Arsch zusammen mit meinem in die Schlinge gepackt hat?‘
‚Sie hat dir in Berlin ihre Hilfe angeboten.‘
Ja, nachdem wir zusammen in der Kiste waren. Ich bin gut im Bett – aber nicht so gut. Verkneife mir ein Augenrollen. ‚Okay, das war ein generelles Angebot. Reine irische Höflichkeit. Bin ich möglicherweise nach so vielen Jahren unter Deutschen nicht mehr gewohnt. Das meine ich nicht.‘ Mustere sie aufmerksam. ‚In Belfast hat sie mir sofort unter die Arme gegriffen, dich auf die Datensuche angesetzt.‘
Anne nickt, rührt mit dem Löffel in ihrer Teetasse.
Ich fahre fort: ‚Das erscheint bereits etwas merkwürdig. Und dann kommt ihr beide mit, um mir bei einem Hit zu helfen?‘ Ich schnaube. ‚Komm schon, für wie naiv hältst du mich?‘
Sie hebt den Kopf, sieht mich an. Überlegt.
‚Anne, ich habe keine Ahnung, was ihre Agenda war, warum sie mir geholfen hat – aber ich habe das Gefühl, ich muss das wissen, bevor ich von hier verschwinde. Wenn ich könnte, würde ich sie selber fragen.‘
Falls Metriç die Wahrheit gesagt und Bowman seine Zelte abgebrochen hatte.
Endlich antwortet sie: ‚Du erinnerst dich an die Sache mit dem Equipment? In Berlin?‘
‚Auf dem Hausboot? Sicher.‘
‚Und die Typen, die oben in dem Rohbau aufgetaucht sind. Das hat alles bis zum Himmel gestunken. Molly war sich sicher, dass ihr jemand den Job versauen wollte.‘
‚Und dieser Jemand soll ich gewesen sein?‘, frage ich, die Stimme ungläubig erhoben.
Sie wirft einen besorgten Blick Richtung Schlafzimmer, schüttelt den Kopf. Zuckt mit den Schultern. ‚Das wusste Molly nicht. Das einzige, was sie wusste, war, dass du plötzlich ebenfalls Probleme hattest, die ihren Ursprung in Belfast hatten. Sie trifft einen ihr unbekannten Passmann and the shit hits the fan!‘
Das kann ich nicht leugnen – mir war die ganze Geschichte ja ebenfalls spanisch vorgekommen.
‚Glaubt sie immer noch, dass ich was damit zu tun habe?‘
Anne lächelt ein wunderbar süßes Lächeln, verneint. ‚Bereits bevor ihr nach Rathlin Island aufgebrochen seid, war sie sich sicher, dass du damit nichts zu tun hast. Nicht zu tun haben kannst.‘
‚Warum ist sie trotzdem mitgekommen?‘
‚Du bist ein Idiot, Corker – warum zwingst du mich, auszusprechen, was du längst weißt? Weil sie dich mag. Weil sie das Gefühl hatte, jemand muss auf dich aufpassen‘, fügt sie mit einem schiefen Lächeln hinzu.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram