Caldera

Legende

von  beneelim

Manchmal scheint es möglich, der Spur der ersten Regung zu folgen, dem stillen Flimmern einer Zuversicht oder dem Feuerflur der Entrüstung. Doch zu bald kehrt der Gedanke zurück, vor dessen Stürmen sich die Empfindungen blütengleich beugen.

Auf Holzwegen karren sie den Eingeborenen heran; Wochen im Voraus kann man ihn riechen, im Mandelduftkleid, in Weihrauchgewändern und die hölzerne Wiege scharrt mit ihren Hufen, spannt Esel, Rindvieh und Könige ein – wie sie betend am Halfter kauen und den Blick nach den Sternen verdrehen. Hosianna.
Einfältig, dreifaltig, die schäumenden Mäuler voll Wahrheit und Gleichmut; der Engel Fanfaren sind gehoben, das Kriegsgeläut bevölkert die Kirchtürme und Einkaufsstraßen. Eine rosabeschleifte Erlösung, beschirmt vom Nadelholz, Lobpreisungen für die Schnäppchenjäger und ein fettleibiger Junge beißt in das Lebkuchenherz. Oder Haus oder Kreuz, einerlei, wir heben den Punsch und brechen die Burenwurst, wir drehen im Walzerschritt die Welt ums Parkett des gelobten Landes, indexangepasst.

Die Derwische kreisen um den Nabel der Welt und die Welt kreist um die Krise und die Krise ist ausverkauft; wir schulden der Geschichte einen reumütigen Leichenschmaus und casten den vielversprechendsten Gastgeber. Zuhause kniet der unzüchtige Teenager am Holzscheit und der Mürbteig ist zu trocken geworden. Gebenedeit bist du unter den Frauen, seufzt die betrunkene Mutter und klopft gedankenverloren mit dem Kochlöffel auf der feuchten Wäsche herum.

In der Dunkelheit bereitet der Heiland seinen Auftritt vor, ein süßes Kind, ein prächtiger Bursche, pausbäckig, goldbelockt, glitterbestäubt und mit typisch palästinensischer Gesichtsstruktur. In ehrfürchtiger Vorbereitung binden wir zu Dreikönig die Christbaumkadaver übers Kreuz, die Geburt ist vorüber, die Festlichkeiten waren berauschend und wir fiebern dem Leiden und Sterben entgegen. Schön wird’s werden, feierlich und erhaben.

Den Holzweg werden wir abschleifen und frisch lackieren, die Rosenkränze durch die schwitzenden Hände führen, Perle um Perle, die Häupter werden wir beugen, die Wahrheit werden wir sagen. Wir widersagen. Wir sagen. Wir schweigen, wir wenden den Blick, als die Meere über die Ufer treten, als in Städten und Wüsten das Unterste nach Oben gekehrt wird, als die Gipfel bersten und die Schornsteine Asche verspeien. Wir glauben. Wir warten, den ersten, den zweiten Tag, und am dritten Tag wird er auferstehen und wir werden uns die Herzen aus der Brust reißen und wir werden sie an unsere Münder führen, denn wir haben geglaubt. Wir haben die blutigen Schuhe unter der Treppe versteckt, haben die Mäntel, schmutzig und feucht von der heiligen Nacht, den Nachbarn umgehängt und haben den Heiden ein ehernes Vater Unser nachgeworfen.
Der Eingeborene, der Wiedergeborene, der bald zu Gebärende. Zupft sein Mandelduftkleid zu Recht, streut sich Myrrhe ins Haar und macht sein Bäuerchen als der Alte im goldenen Talar ihm den Rücken abklopft.

Das Los wird gezogen, die Welt zieht unbeeindruckt durch die Kosmoskreise und die Erlösung lauert im staubigen Tabernakel. Denn manchmal, so scheint es, bleibt auch die erste Regung nur ein Knecht der übermütigen Gedanken.

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Kommentare zu diesem Text

parkplatzbison (29)
(28.11.09)
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 beneelim meinte dazu am 28.11.09:
Ja ich hatte etwas den Faden verloren.... und das zweite Thema bricht mit der Einleitung, statt sie aufzugreifen....

 Vaga (28.11.09)
!

 beneelim antwortete darauf am 28.11.09:
?

 Vaga schrieb daraufhin am 28.11.09:
Dieser (starke) Text aktiviert mein "Legendengedächtnis". Das Zeichen war (m)ein Ausruf . LG dir.
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